37 Prozent der britischen Erwerbstätigen sind sich sicher, dass ihre Jobs keinen sinnvollen Beitrag zum Wohl der Welt leisten. Die Hälfte glaubt ihre Jobs seien sinnvoll, 13 Prozent sind sich nicht sicher. Männer gehen mit einem Anteil von 42 Prozent eher als Frauen (32 Prozent) von der Sinnlosigkeit ihrer Erwerbsarbeit aus. Diese Ergebnisse einer YouGov-Umfrage von 2015 wiederholten sich in den Niederlanden bei einer von Schouten & Nelissen durchgeführten Umfrage, die den Anteil sinnloser Arbeit mit 40 Prozent ausweist. Wir sprechen also von der Hälfte aller Erwerbstätigen, die entweder gar keinen Sinn in ihrer Arbeit sieht oder sich nicht ganz sicher sind, ob es einen gibt. Der an der London School of Economics lehrende Anthropologe David Graeber bezeichnet diese Jobs als Bullshit-Jobs.

Sein Essay im "STRIKE! Magazine" sorgte 2013 für weltweites aufsehen, mittlerweile hat er ein Buch nachgelegt: "Bullshit Jobs – A Theory" (2018). Ein Bullshit-Job ist eine Form der Erwerbsarbeit die so zwecklos, unnötig, oder schädlich ist, dass ihre Existenz nicht einmal der Erwerbstätige rechtfertigen kann, obwohl er sich genötigt sieht vorzugeben, dass das nicht der Fall sei. Viele dieser Bullshit-Jobs finden sich im mittleren Management. Sie steuern nichts zur Volkswirtschaft bei, vernichten aber auch keinen Wert. Würden sie von heute auf morgen verschwinden, würde man einfach nichts bemerken.

Wer leistet am meisten für die Gesellschaft?
Foto: apa/dpa/Patrick Pleul

Negativleister verdienen am besten

Allerdings gibt es eine Faustregel: Je geringer das Gehalt, umso wahrscheinlicher handelt es sich um Jobs, die für die Gesellschaft ein Vielfaches von dem leisten, was sie für den Einzelnen einbringen. Je höher das Gehalt, umso wahrscheinlicher handelt es sich um einen Job, der Leistung vernichtet. Ausnahmen bestätigen die Regel. Eine Studie aus dem Jahr 2017, die verschiedene Jobs auf ihre durchschnittlichen Externalitäten (soziale Kosten) und Spillover-Effekte (sozialer Nutzen) untersuchte, kam zu folgenden Ergebnissen: Forscher im Gesundheitsbereich sind die wertvollsten – für jeden Dollar den sie verdienen, sorgen sie für neun Dollar Leistung für die Gesellschaft. Am unteren Ende der Statistik findet sich ein immer größer werdender Teil der Wirtschaft, der auch in der breiten Bevölkerung immer schon unter Verdacht stand, den größten gesellschaftliche Schaden zu verursachen – der Finanzsektor. Für jeden Dollar an Einkommen vernichtet dieser Teil der Wirtschaft 1,80 Dollar an Leistung. Durch die überdurchschnittlich hohen Einkommen dieses Sektors wird so einiges an Leistung aus der Wirtschaft entzogen. Ein Banker in der Londoner City mit einem Einkommen von fünf Millionen Pfund pro Jahr vernichtet mit jedem Pfund dieses Einkommens sieben Pfund Wert für die gesamte Gesellschaft. Eine Krankenpflegekraft mit einem Einkommen von 11.500 Pfund generiert für jedes Pfund Entlohnung sieben Pfund gesellschaftlichen Nutzen.

Der Unternehmer Peter Barnes, einer der Protagonisten meines Films "Free Lunch Society – Komm Komm Grundeinkommen", beschreibt ein mit den Bullshit-Jobs eng verwandtes Phänomen: Rent-Seeking. Der Begriff beschreibt was Unternehmen tun, wenn sie eine Unzahl von Lobbyisten nach Washington und in die anderen Hauptstädte schicken, um Wahlkampfspenden zu leisten. Warum tun sie das? Sie wollen ihre Branchen vor dem freien Markt schützen, um höhere Preise verlangen zu können und entziehen jedem, der ihre Produkte kauft, die sogenannte "politische Rente", eine Art Pachtzins. Dazu zählen etwa Unternehmen im medizinischen Bereich und in der Software-Industrie, die ihre Produkte durch Copyright-Bestimmungen schützen wollen, um die Preise unabhängig von den Produktionskosten hochfahren zu können. Wir bitten die Banken nicht zur Kasse. Sie verdienen an unserer finanziellen Infrastruktur. Wir subventionieren sie und wenn sie Pleite gehen, retten wir sie. Und Rent-Seeking senkt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Eine Studie aus den 80er-Jahren kam zum Schluss, dass Rent-Seeking das Volkseinkommen der USA um 45 Prozent gesenkt hatte. 

It's not the economy, stupid!

Wir haben es bei Bullshit-Jobs und Rent-Seeking mit Phänomenen zu tun, die in einer freien Marktwirtschaft eigentlich nicht existieren dürften. Graeber bringt es in seinem Buch auf den Punkt: Ginge es nur um Angebot und Nachfrage, wäre es unmöglich zu verstehen, warum amerikanische Krankenpfleger so viel weniger als Firmenanwälte verdienen, obwohl die USA gerade eine akute Knappheit an ausgebildeten Krankenpflegern und einen Schwemme an Jus-Absolventen erleben. Der sogenannte Fachkräftemangel und das händeringende Suchen nach Personal in der Gastronomie sind ebenso wenig mit der orthodoxen Wirtschaftstheorie zu erklären. Für Graeber liegt der Grund auf der Hand: Klassenbewusstsein und Loyalität. Warren Buffett, der drittreichste Mann der Welt, brachte es in einem Fernsehinterview vor wenigen Jahren auf den Punkt: "Der Klassenkampf tobt seit 20 Jahren – und meine Klasse hat gewonnen." (Christian Tod, 9.7.2018)