Schwanger zu werden ist ein überaus komplexer körperlicher Prozess. Vieles kann schiefgehen, eine medizinische Abklärung ist wichtig.

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Kaum ein medizinisches Thema ist so schambesetzt wie das der Fehlgeburten. "Das passiert halt" oder "Es soll halt nicht sein" lauten klassische Sätze, die betroffene Frauen zu hören bekommen. "Es gibt immer noch so eine Art Naturglauben, sowohl was Schwangerwerden als auch Schwangerschaft betrifft", erklärt Bettina Toth, Leiterin der gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Tirol Kliniken. Nach dem Motto "Gott hat es nicht gewollt" würden Frauen dann gedrängt, sich einem vermeintlichen Schicksal zu ergeben. "Umgekehrt würde man bei der Diagnose Krebs wohl in den entlegensten Ort dieser Welt fahren, um irgendeine Heilmethode zu finden", zieht die Medizinerin einen anschaulichen Vergleich.

Für Betroffene bedeutet das eine Fremdbestimmtheit, unter der sie zusätzlich zur psychischen Belastung, die eine Fehlgeburt bedeutet, leiden. Angesichts der Schätzungen, dass mehr als die Hälfte aller Frauen im Laufe ihres Lebens eine Fehlgeburt erleiden – oftmals blieben diese aber unbemerkt, wie Toth sagt –, besteht hier dringender Handlungsbedarf.

Bei zwei bis fünf Prozent der Frauen mit Kinderwunsch treten Fehlgeburten vermehrt auf und müssen abgeklärt werden. Wobei die Definitionen, ab wann man von einem Problem ausgeht, variieren. Laut Amerikanischer Gesellschaft für Reproduktionsmedizin liegt schon bei zwei aufeinanderfolgenden Fehlgeburten ein rezidivierendes Abortgeschehen vor. Die Definition der Weltgesundheitsorganisation spricht erst ab drei aufeinanderfolgenden Fehlgeburten davon.

Welche Faktoren können Auslöser sein

Um Patientinnen mit häufigen Fehlgeburten frühzeitig die dringend benötigte Hilfe zukommen zu lassen, wurde eben an der Klinik Innsbruck Österreichs erste sogenannte Abortsprechstunde eingerichtet. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine Anlaufstelle fehlt, die den Frauen eine strukturierte, leitlinienorientierte Abklärung aller bekannten Risikofaktoren anbietet", erklärt Toth die Grundidee und den Mehrwert der Einrichtung. Das Modell der Abortsprechstunde hat die gebürtige Deutsche, die zuletzt in Heidelberg als leitende Oberärztin tätig war, nach Tirol mitgebracht.

Als bekannteste Risikofaktoren für Fehlgeburten sind Chromosomenstörungen beim Kind, die vor allem bei älteren Schwangeren auftreten. Aber auch bei gesunden Eltern können unerkannte Chromosomenstörungen vorliegen. Darüber hinaus können anatomische Veränderungen, wie etwa bindegewebige Segel in der Gebärmutter, die das Wachstum des Kindes beeinflussen, für einen Abort mitverantwortlich sein. Zudem gilt es, mögliche endokrinologische Störungen abzuklären. Toth nennt hier die Schilddrüse, aber auch schlecht eingestellte Diabetes als Beispiele.

Die systematische Abklärung ist von großer Bedeutung, weil die Forschungen dazu immer wieder neue Ergebnisse liefern, die bisher als gesichert geglaubtes Wissen infrage stellen. So schrieb man etwa jahrelang den Blutgerinnungsfaktoren hinsichtlich Aborten eine große Rolle zu. "Man hat Frauen das sogenannte Babyaspirin oder gar die Thrombosespritze gegeben und gesagt, das klappt dann schon", erklärt Toth. Neue Studien haben nun aber gezeigt, dass dies nur bei ausgewählten Risikofällen sinnvoll ist, wie Toth es mit ihren Mitarbeitern Katharina Feil und Kilian Vomstein in der von ihnen federführend verfassten Leitlinie für den deutschsprachigen Raum darlegt.

Frauen begleiten

Grundsätzlich wird die Abklärung eines Falles in der Abortsprechstunde im Rahmen eines Monatszyklus gemacht. Insgesamt ist mit einer Dauer von zwei bis drei Monaten zu rechnen, bis das Ergebnis vorliegt. Den Großteil der Kosten übernimmt dabei die Krankenkasse. Darüber hinaus werden auch Leistungen angeboten, die von den Patienten selbst zu bezahlen sind. "Wobei die Kosten hier überschaubar sind", wie Toth anmerkt. Mit Standardverfahren, die etwa beim Hausarzt oder Gynäkologen angewandt werden, um die Gründe für einen Abort herauszufinden, seien nur etwa die Hälfte der möglichen Ursachen erkennbar. Dank Spezialisierung bietet die Abortsprechstunde daher Betroffenen auch neue Hoffnung.

Wobei Toth grundsätzlich beruhigt: "Nach der ersten Fehlgeburt müssen sich Frauen noch keine Sorgen machen." Der Prozess der Verschmelzung von Eizelle und Spermium sei eine hochkomplexe Angelegenheit, und das klappe eben nicht immer. Am besten einfach wieder versuchen, so der Ratschlag von Toth. Selbst nach mehreren Fehlgeburten bestehe noch keinerlei Grund dazu, die Hoffnung aufzugeben. (Steffen Arora, 7.7.2018)