Es dauerte nur Minuten, da brach eine Lawine parteiübergreifender Kritik über US-Präsident Donald Trump herein (im Bild während der Pressekonferenz mit Wladimir Putin).

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Das Dokument ist nur sechs Zeilen lang und im trocken-bürokratischen Stil verfasst. Aber es ist ein Aufschrei der Empörung: Zwei Stunden nach dem Gipfeltreffen von Donald Trump und Wladimir Putin in der finnischen Hauptstadt Helsinki verfasste US-Geheimdienstdirektor Dan Coats eine Erklärung, die sein Präsident als klatschende Ohrfeige verstehen dürfte: "Unsere Einschätzung der Einmischung Russlands in die Wahl 2016 und ihrer andauernden und allgegenwärtigen Versuche, unsere Demokratie zu unterminieren, war klar", erklärte der Republikaner, den der US-Präsident selbst im März 2017 ins Amt berufen hatte. Coats stellte sich damit öffentlich gegen seinen Chef und Präsidenten.

Viele in den Vereinigten Staaten von Amerika hat der Auftritt Trumps mit seinem russischen Amtskollegen Putin am Montag im finnischen Präsidentenpalast verstört. "Wem glauben Sie, den amerikanischen Geheimdiensten oder Russland?", hatte ein Reporter den US-Präsidenten gefragt. Es geht um den Vorwurf, dass Russland versucht haben soll, im Präsidentschaftswahlkampf 2016 Trumps Gegnerin Hillary Clinton zu schaden.

Die US-Geheimdienste haben haufenweise Material gesammelt, das die Manipulation beweist. Putin bestreitet jedoch weiterhin jede Art von Einmischung. Und Trump machte klar, dass für ihn die Beweise der eigenen Administration nicht mehr wert sind als die Behauptung des Anführers justament jenes Landes, mit dem die Beziehungen seiner eigenen Meinung nach "so schlecht sind wie nie". Er höre Coats, und er höre Putin, sagte Trump: "Ich habe Vertrauen in beide Parteien."

"Einer der erbärmlichsten Auftritte"

Dass der amerikanische Präsident auf diese Weise die eigenen demokratischen Institutionen beschädigt, sorgt für Aufruhr selbst bei seinen bisher so willfährigen Parteifreunden, den Republikanern. Einen "der erbärmlichsten Auftritte eines amerikanischen Präsidenten in der Geschichte" nannte Senator John McCain den Vorfall – und einmal war es nicht allein der alte krebskranke Haudegen, der aufbegehrte.

An der russischen Wahlmanipulation gebe es keinen Zweifel, erklärte auch der sonst so vorsichtige Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan: "Es gibt keine moralische Äquivalenz zwischen den Vereinigten Staaten und Russland, das unseren fundamentalen Werten und Idealen feindselig gegenübersteht."

Selbst in Trumps Haussender Fox News meldeten sich Kritiker zu Wort, und auch die graue Eminenz der Republikaner, der Trump-Unterstützer Newt Gingrich, ging auf Distanz: Trump habe "den gravierendsten Fehler seiner Präsidentschaft gemacht." Trumps Golfpartner, der Senator Lindsey Graham aus South Carolina, empfahl dem Präsidenten nur halb scherzhaft, den ihm von Putin geschenkten WM-Fußball vorsichtig zu behandeln. "Ich würde den Ball auf Wanzen untersuchen und ihn nicht ins Weiße Haus mitbringen."

Dieser zynische Ratschlag überdeckt nur dürftig, wie groß der Schock über Trumps kritiklosen Kuschelkurs gegenüber Putin auch im patriotisch-konservativen Amerika ist. Tatsächlich haben die beiden in Helsinki inhaltlich offensichtlich keine Fortschritte erzielt – weder was Syrien noch was den Iran oder die nukleare Abrüstung angeht. Auffallend allerdings war, dass nicht Trump, sondern Putin die Differenzen erwähnte – er beschrieb, wie Trump im Vieraugengespräch die Wahleinmischung und die Annexion der Krim zum Thema gemacht habe.

Rätselraten über Trumps Beweggründe

In Amerika rätselt man nun, warum Trump in Helsinki so handzahm auftrat. Für die Verschwörungstheoretiker ist klar, dass Russland etwas gegen den Ex-Immobilienmogul in der Hand haben muss – auch wenn Putin das Vorhandensein eines solchen "Dossiers" mit einem verächtlichen Lacher bestritt.

Andere verweisen darauf, dass Trump von den fortlaufenden und umfangreicher werdenden Ermittlungen der US-Behörden, ob es im Rahmen seiner Wahlkampfkampagne eine Verschwörung mit den Russen gegeben habe, geradezu besessen ist. Wieder andere sehen die Erklärung schlicht in der Bewunderung Trumps für Autokraten.

Aufgeschreckt von der parteiübergreifenden Empörung, traf Trump nach seiner Rückkehr in Washington mit einigen Abgeordneten zusammen und ruderte – zumindest ein Stück weit – zurück: Er sagte am Rande der Zusammenkunft, dass er die Erkenntnisse der US-Geheimdienste akzeptiere, dass sich Russland in den Wahlkampf 2016 eingemischt habe. Aber, so Trump, es "könnten auch andere Leute gewesen sein. Es gibt viele Menschen da draußen." Damit widersprach er allerdings erneut den Erkenntnissen der US-Geheimdienste.

Trump behauptete weiter, er habe sich auf dem Podium im Helsinki versprochen. Er habe sagen wollen, dass er "keinen Grund" sehe, warum es "nicht" Russland gewesen sei, das hinter den Hackerangriffen stecke, die sich im vergangenen US-Wahlkampf gegen die US-Demokraten und das Umfeld ihrer Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton gerichtet hatten. Versehentlich habe er das Wort "nicht" weggelassen. Nicht weiter ein ging Trump auf die Tatsache, dass er bei der Pressekonferenz auch bemerkt hatte, Putins Beteuerung, Russland habe nichts mit den Cyberangriffen zu tun, sei "extrem stark und kraftvoll" gewesen.

Insgesamt zeigen sich die Republikaner in der Frage jedenfalls hilflos, wie sie ihren Präsidenten zügeln könnten. Im Kongress herrsche Einigkeit, dass der Auftritt unmöglich gewesen sei, urteilte das Nachrichtenportal Politico. Das Problem: "Sie haben keine Idee, was sie noch tun könnten." (Ines Zöttl aus Washington, 18.7.2018)