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Das kroatische Fußballteam unterlag im WM-Finale zwar dem französischen, doch beim Feiern mit Emmanuel Macron sah Kolinda Grabar-Kitavorić wie die Siegerin aus.

Foto: Reuters/Shemetov

Zagreb – Als sie die kroatischen und die französischen Spieler herzlich umarmte und dabei der russische Regen ihr Haar und ihr rot-weißes Schachbrett-Muster-T-Shirt durchnässte, wirkte sie so volksnah und natürlich, wie sie es sein will. Kolinda Grabar-Kitarović ist wegen dieser Spontanität bei weitem die beliebteste Figur in der politischen Arena Kroatiens.

Als sie 2015 zur Präsidentin gewählt wurde, wollte sie nicht in den für Tito gebauten Präsidentenpalast auf den Hügeln über Zagreb einziehen, sondern mitten in der Stadt unter den Leuten arbeiten und leben. Doch das Protokoll ließ das nicht zu. Konventionen sind nicht unbedingt ihre Sache. Die spontane Offenheit, die die 50-Jährige anlässlich der WM zur Schau trug, kam auch im Ausland gut an, in Kroatien wurde sie nur von jenen gerügt, die sie gerne präsidentieller, sittsamer und distanzierter sehen würden. Fast wirkte sie in ihrem Enthusiasmus wie eine erwachsen gewordene Cheerleaderin – ein "American Girl" jedenfalls.

Spitzname "Swambo"

Grabar-Kitarović hat viele Umgangsformen aus den USA, wo sie lange lebte, übernommen. Als Jugendliche war sie im Rahmen eines Austauschprogramms in New Mexico. Sie kam im Hinterland von Rijeka zur Welt, ihr Vater war Fleischhauer, als Jugendliche wollte sie Stewardess werden. Sie studierte Spanisch und Englisch in Zagreb und besuchte Mitte der 1990er-Jahre die Diplomatische Akademie in Wien. Weitere Studienaufenthalte in den USA folgten. Die Katholikin heiratete 1996 Jakov Kitarović, mit dem sie zwei Kinder, Katarina und Luka, hat. 2003 wurde sie Parlamentarierin und kurze Zeit später Ministerin für EU-Integration. Bis heute sind für sie die euroatlantischen Beziehungen zentral.

Als Botschafterin in Washington (2008–2011) und stellvertretende Generalsekretärin bei der Nato (2011–2014) kam ihr die Nähe zu den USA zugute. Bereits damals wurde sie als willensstark bis stur wahrgenommen, jedenfalls als äußerst durchsetzungsfähig. Ihre Kollegen in der Nato sollen sie "Swambo" genannt haben – eine Abkürzung für "She Who Always Must Be Obeyed".

Auch als Staatschefin versucht Grabar-Kitarović viel Einfluss zu nehmen, obwohl die Verfassung vorsieht, dass sie nur bei den Bestellungen der Botschafter, hochrangiger Militärs und Geheimdienstler mitreden kann. In der Vergangenheit gab es bereits Konflikte mit der Regierung. Grabar-Kitarović hat ein mitunter irritiertes Verhältnis zu Premierminister Andrej Plenković, der zwar aus derselben Partei kommt, aber viel liberaler ist als sie. In ihrer Heimat-Partei, der konservativen HDZ, der sie bereits 1993 beitrat, wird sie dem rechten Flügel zugerechnet, zu dem sie auch als Präsidentin ausgezeichnete Kontakte pflegt. Sie stellt sich gerne hinter Militärs und Kriegsveteranen, sie trägt mitunter Camouflage, sie ist gegen die Homosexuellenehe, sie äußerte sich positiv zu dem verurteilten Kriegsverbrecher Slobodan Praljak.

Anwältin des Volkes

Aber es gibt nicht nur diese politisch bedenkliche Seite, sondern auch eine auffällige Verbindung zum Fußballgeschäft. Grabar-Kitarović war offenbar so eng mit dem Ex-Chef von Dinamo Zagreb, Zdravko Mamić, befreundet, dass dieser ein Geburtstagsfest für sie ausrichtete. Im Juni wurde Mamić wegen Steuerhinterziehung zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Er setzte sich aber in die Herzegowina ab. In der EU wird Grabar-Kitarović wegen ihrer engen Beziehungen zu den radikal-nationalistischen Kroaten im Nachbarland kritisiert. Sie mischte sich in die dortige Politik ein und forderte eine Reform des Wahlgesetzes zugunsten der Kroaten in Bosnien-Herzegowina, von denen viele einen kroatischen Pass haben und sie damit auch gewählt haben.

Im Alltag spielt sie eine Art Anwältin des Volkes und versucht der Regierung Themen vorzugeben – fast so, als gäbe es noch eine präsidentielle Demokratie in Kroatien. Sie besucht mitunter für einige Tage eine Stadt und quartierte sich dabei sogar einmal in einer Kaserne ein. Zuletzt brachte sie die Massenemigration der Kroaten aufs Tapet. Es gibt Hinweise, dass die Bevölkerungszahl bereits unter die Vier-Millionen-Marke gerutscht ist. Grabar-Kitarović wollte sogar eine Regierungssitzung dazu einberufen – was Plenković aber verweigerte.

Vorbereitung der Wiederwahl

Mitunter versucht sie, auch eine Art Schattenaußenministerin zu spielen. Bei der WM in Moskau nutzte sie die Fernsehkameras aus der ganzen Welt aber vor allem, um ihre Wiederwahl kommendes Jahr vorzubereiten. Nach dem Spiel gegen Russland sang und hüpfte sie sogar mit den Spielern in den Umkleidekabinen herum.

Das alles wäre sympathisch, wenn nicht immer wieder eine Verbindung zwischen dem Krieg (1991-1995) und den Fußballerfolgen hergestellt werden würde. Das macht vor allem der populäre Sänger Marko Perković alias Thompson. Grabar-Kitarović bezeichnete ihn einmal als ihren Lieblingssänger. Thompson feierte am Montag bei Rückkehr des Nationalteams nach Zagreb mit den Fußballern in deren Bus, als wäre er nicht nur ihr Idol, sondern auch ein Freund. Der extrem rechte Musiker betreibt Geschichtsrevisionismus, indem er etwa den Fascho-Spruch der Ustascha, "Za dom spremni" – "Für das Vaterland bereit", an den Beginn eines seiner Songs setzte. In manchen Ländern werden seine Konzerte deswegen verboten. In Kroatien gehören seine Lieder zur Alltagskultur. Auch zu der von Kolinda – wie sie überall genannt wird. (Adelheid Wölfl aus Zagreb, 18.7.2018)