Die Insolvenz eines Start-ups: für einen Investor ein Klotz am Bein, für den Gründer oft ein Weltuntergang.

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Den Zeitgeist hätte Constantin Simon mit seinem kohlenhydratarmen Bier Nixe wohl getroffen. Craft-Biere liegen im Trend. Gereicht hat es dennoch nicht. "Die letzten zwei Jahre lang hat sich das Kernteam keine Gehälter mehr ausbezahlt. 40 Investoren haben wir abgeklappert, um das Unternehmen zu retten", sagte Gründer Simon kürzlich zum Start-up-Magazin Der Brutkasten. Gescheitert sei man schlussendlich an zu hohen Kosten für die Listung in Supermärkten und den Einstieg in die Gastronomie. Nach sechs Unternehmerjahren folgte also die Insolvenz.

Im ersten Halbjahr 2018 schlitterten neben Nixe weitere Vertreter der heimischen Start-up-Szene in die Zahlungsunfähigkeit. Dazu zählen die Rubbellos-App Rublys, die Immobilienplattform Zoomsquare, das Mobile-Payment-Start-up kWallet oder die Künstliche Intelligenz-App Toby.

Kriselt es in der enthusiastischen Jungunternehmerszene? Geht es nach den Zahlen, nein. Dem Kreditschutzverband von 1870 (KSV 1870) zufolge melden rund zehn Prozent aller Unternehmen in den ersten fünf Jahren Insolvenz an. "Auch bei Start-ups sind die Entwicklungen konstant. Es gibt keinen Abwärtstrend", sagt ein Sprecher des KSV.

Leben ohne Förderung

Ebenfalls ausschlaggebend für Erfolg oder Misserfolg sind Förderungen – vor allem in der Frühphase: "Die Überlebensquote von Start-ups mit AWS-Unterstützung ist nach sechs Jahren um mehr als ein Viertel höher als ohne", sagt Matthias Bischof von der staatlichen Förderbank AWS. Frühphasenfinanzierungen bergen ein hohes Risiko, das der private Markt nicht decke. Die öffentliche Hand will dieses Marktversagen beispielsweise durch Frühfinanzierungen ausgleichen, so Bischof.

Bei erfolgreicher Unternehmensentwicklung muss das Kapital zurückgezahlt werden. Die AWS hat 2017 rund 15 Millionen Euro an 40 Firmen vergeben. 80 Prozent der seit 1998 geförderten Firmen sind nach wie vor operativ tätig.

Die hohe Überlebensrate der heimischen Jungunternehmen hat wohl auch mit der vorsichtigen Investmentkultur zu tun. Einer Idee allein verschafft hierzulande kaum jemand eine Kapitalspritze. Österreichische Business-Angels riskieren verglichen zu ihren Gegenübern in den USA, China oder anderen großen Märkten wenig. Dementsprechend gering ist die Wahrscheinlichkeit, zu scheitern. Doch unabhängig von ihrem Einsatz legen alle Risikokapitalgeber dieselbe Milchmädchenrechnung zugrunde: Von zehn Start-ups sind zwei erfolgreich, vier ein Nullsummenspiel, und vier führen zum Ausfall.

Visionen fehlen in der Szene

Florian Kandler, Herausgeber des "Startup Report Austria" und dreifacher Firmengründer, vermisst Risikobereitschaft und Visionen in der Szene: "Wenn ein österreichisches Start-up zusperrt, ist in den meisten Fällen maximal eine Förderung oder das Risikokapital verloren. Eine hohe Überlebensrate fördert den Standort auf lange Sicht nicht. Wollen wir mit den Großen mithalten, müssen wir größer denken und höhere Scheiterraten in Kauf nehmen", sagt Kandler. In den USA oder China seien die Ausfallraten viel höher, die Erfolge aber auch dementsprechend größer.

Beim KSV teilt man diese Meinung nicht: "Es geht nicht um Spielgeld, die Wirtschaft braucht vernünftige Strukturen. Es müssen schließlich alle Teilnehmer gleichmäßig bedient werden. Geld gehört nicht leichtfertig verbrannt." Auch die AWS unterstützt diese Sichtweise.

Realistisch betrachtet werden die Insolvenzen von Start-ups nicht abnehmen, weil jährlich mehr Risikokapital in die Szene fließt. 2016 waren es laut Kandlers Report 81 Millionen Euro, im Vorjahr bereits rund 133 Millionen. Mehr Geld bringt mehr Möglichkeiten – zu scheitern oder auch um erfolgreich zu sein. (Andreas Danzer, 25.7.2018)