Erschöpfte Feuerwehrleute in Mati, dem zerstörten Ferienort östlich von Athen: Vorbereitete Pläne für eine Evakuierung der Einwohner im Fall eines Brandes gab es nicht, lautet nun ein Vorwurf.

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Ein Vater sucht seine kleinen Zwillingstöchter. Er sah sie in einem Fernsehbericht zusammengekauert in einem Boot sitzend, nach dem Feuer, das den kleinen griechischen Ferienort Mati verschlungen hat. Eine andere Familie gibt wiederum bekannt: Der Großvater und seine Enkelin sind gefunden und in Sicherheit.

Suche nach Angehörigen

Zwei Tage nach der seit Jahrzehnten größten Brandkatastrophe im Land suchen griechische Familien verzweifelt nach ihren Angehörigen. Dutzende werden am Mittwoch noch vermisst. Ein Athener IT-Unternehmen hat eine Onlineplattform eingerichtet und sammelt diese Hilferufe ebenso wie Meldungen über wiedergefundene Angehörige, die Freunde und Bekannte beruhigen.

Feuerwehrleute und Helfer gehen immer noch von Haus zu Haus in Mati, Nea Voutsas und in Teilen der Hafenstadt Rafina, 25 Kilometer östlich von Athen. Sie finden Leichen, aber auch eine verletzte alte Frau, die irgendwie überlebt hat. Die Zahl der Opfer stieg am Donnerstagfrüh auf 81. Bereits am Mittwoch vermeldeten die Einsatzkräfte 79 Tote und fürchteten gleichzeitig, dass die Zahl dort nicht stehen bleiben wird. Es könnten am Ende mehr als 100 Tote werden, weit mehr noch als bei den großen Bränden auf dem Peloponnes im Jahr 2007.

Mehr als 600 Grad

Regierungsbeamte protokollieren die Schäden an Häusern und Fabriken. In Mati stehen ohnehin nur noch Grundmauern. 4.500 Hektar Fläche sind verbrannt. Bagger räumen hunderte Autowracks aus der Siedlung. Die Reifen sind weggeschmolzen, die Scheiben zerplatzt. Experten schätzen die Hitze des Feuersturms, der durch den kleinen Ferienort fegte, auf zum Teil mehr als 600 Grad.

Die Geschichte eines Feuerwehrmanns, der in einem dieser Autowracks eine grauenhafte Entdeckung machte, wird am Mittwoch immer wieder erzählt. Der Mann fand zwei verkohlte Leichen auf dem Fahrer- und Beifahrersitz; was zunächst wie zwei Rucksäcke aussah, waren die Leichen zweier Kinder, die sich an den Hals ihrer Eltern geklammert hatten.

Zu spät, zu langsam

Wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte, darüber wird nun diskutiert. Vorwürfe werden verhalten laut. Die Feuerwehr sei zu spät zur Stelle gewesen und hätte zu langsam reagiert, heißt es. Die Armee sei wiederum schnell aktiviert worden, doch die Kommandokette mit der Feuerwehr habe nicht funktioniert. Auch die radikalen Einsparungen, die Griechenlands Kreditgeber dem Staat in den vergangenen Jahren abverlangten, kommen nun in den Blick. Im Jahr 2014 hat der Bürgerschutzminister der damals konservativ geführten griechischen Regierung das Personal der staatlichen Feuerwehr um 30 Prozent gekürzt. Klagen über mangelhafte Schutzkleidung, nicht funktionierende Atemgeräte und alte Fahrzeuge gab es immer wieder.

Feuer als rasende Walze

Am Montag aber kämpfte die griechische Feuerwehr außerhalb von Athen gleich mit drei großen Waldbränden. Hunderte Feuerwehrleute waren im Einsatz, staatlich bezahlte ebenso wie freiwillige. Dutzende Löschflugzeuge wurden aufgeboten. Doch starker Wind an den Berghängen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 120 Kilometern in der Stunde machte die Feuer zu einer rasenden Walze. Entscheidend sei, wie früh das Feuer bekämpft werde, betonte ein Universitätsprofessor, der auf Katastrophenschutz spezialisiert ist. Kostas Sylolakis wies aber vor allem auf die Mängel bei der Evakuierung der Bevölkerung im Brandfall hin. Es gebe keinen Plan, kein System, das Bewohner in einem akut bedrohten Gebiet vor einem heranrollenden Feuer warnte, schrieb er in einem Zeitungsbeitrag.

Tatsächlich schien das Großfeuer die Urlauber und Einwohner in Mati ebenso wie im Ferienort Kineta westlich von Athen völlig unvorbereitet getroffen zu haben. Efthimios Lekkas, der Direktor der Hellenischen Geologischen Gesellschaft, machte am Mittwoch die Stadtplaner in der Region dafür verantwortlich: "Es gab keine Fluchtwege, es gab keine Kreuzungen, es gab nur Straßen, die zur Falle wurden." (Markus Bernath, 25.7.2018)