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Schwierige Chemie: Donald Trump und Tayyip Erdoğan hatten beim Nato-Gipfel in Brüssel Mitte Juli ein Treffen in guter Atmosphäre, wie beide Seiten später versicherten. Gehalten hat es nicht lange.

AP

Es war immer ein Auf und Ab, Streit und Versöhnung, Trotz und Schulterklopfen. Doch am Donnerstag raste das Wagerl mit Tayyip Erdoğan und Donald Trump in einen großen Looping, bei dem nicht mehr sicher war, ob nicht einer oder gleich beide Präsidenten aus ihrer Achterbahn fliegen. Und mit ihnen die Nato.

Trump war wieder einmal der Kragen geplatzt. Dieses Mal ging es um Andrew Brunson, den amerikanischen Pastor, der fast zwei Jahre in türkischer Untersuchungshaft saß, bis er plötzlich am Mittwoch freikam – aus seiner Zelle, aber nun unter Hausarrest in der Privatwohnung in Izmir. Trump, der sich in der Vergangenheit mindestens dreimal persönlich bei Erdoğan für den Pastor verwendet hatte, fühlte sich gefrotzelt. Der US-Präsident twitterte: "Die USA werden weit reichende Sanktionen gegen die Türkei verhängen für die lang andauernde Inhaftierung von Pastor Andrew Brunson, einen großartigen Christen, einen Familienvater und einen wundervollen Menschen."

Tayyip Erdoğan, der autoritär regierende türkische Staatschef, hatte offenbar Trumps Temperament unterschätzt. Seit 2016 belastet der Fall Brunson das Verhältnis zu Washington. Brunson werden Terrorhilfe und Verschwörung gegen den türkischen Staat vorgeworfen. Der Pastor soll sowohl mit der kurdischen Separatistenorganisation PKK als auch mit dem Netzwerk des Predigers Fethullah Gülen konspiriert haben. 35 Jahre Haft drohen ihm bei einer Verurteilung. Anwalt und Prozessbeobachter halten die Anschuldigungen für aus der Luft gegriffen. Brunson gilt den Amerikanern als politische Geisel. Erdoğan will für den Pastor den in den USA lebenden Gülen.

Hastiges Manöver

Aus "Gesundheitsgründen" war der 50-jährige Pastor am Mittwoch in seine Wohnung in Izmir überstellt worden. Brunson, der seit 20 Jahren eine Presbyterianer-Gemeinde in Izmir mit einer Handvoll Gläubiger leitet, soll tatsächlich unter schweren Depressionen leiden. Das politische Manöver schien hastig arrangiert, nur wenige Stunden vor einer vor einer Sitzung des außenpolitischen Ausschusses des US-Senats in Washington.

Dort stand am Donnerstag die Annahme eines Gesetzesentwurfs über Finanzsanktionen gegen die Türkei auf der Tagesordnung. Republikaner wie Demokraten wollen nicht länger die "willkürliche Festnahme" von US-Bürgern und Mitarbeitern diplomatischer Vertretungen der USA in der Türkei hinnehmen, wie es im Gesetzentwurf heißt. Die US-Vertreter bei Weltbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) sollten fortan ihr Veto gegen weitere Kredite für die Türkei einlegen.

Ankara widerspricht

Nun kam noch das drohende Tweet des US-Präsidenten dazwischen. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu und Präsidentensprecher Ibrahim Kalin wiesen Trump sofort zurecht. Niemand könne der Türkei Befehle erteilen und ihr drohen, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums in Ankara. Inakzeptabel für einen Nato-Partner, entgegnete Kalin kühl.

Erdoğan selbst war am Donnerstag auf Afrikareise, eröffnete eine neue Botschaft in Pretoria und traf sich anschließend mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Johannesburg am Rand eines Gipfels der aufstrebenden Volkswirtschaften (Brics). Es gab dem beispiellosen Zerwürfnis zwischen den Nato-Partnern Türkei und USA noch einen dramatischeren Anstrich. Auch der amerikanische Vizepräsident Mike Pence meldete sich zu diesem Zeitpunkt zu Wort. Wenn die Türkei nicht sofort Schritte ergreife, um Pastor Brunson freizulassen und nach Hause nach Amerika schicke, würden die USA "bedeutende Sanktionen" gegen die Türkei ergreifen.

Zudem sitzen noch andere, die Washington wichtig sind, in türkischen Gefängnissen: der Nasa-Physiker Serkan Gölge etwa oder Metin Topuz, ein führender Mitarbeiter des US-Konsulats in Istanbul. Die türkische Regierung muss auch noch eine weitere drohende Resolution im US-Kongress abwehren. Dabei geht es um die Verzögerung oder gar einen Stopp der Lieferung neuer F-35-Kampfjets an die Türkei. Dies ist als Gegenmaßnahme zum Kauf eines russischen Raketenabwehrsystems durch den Nato-Verbündeten Türkei gedacht. (Markus Bernath, 26.7.2018)