Mitglieder der drusischen Gemeinschaft in Israel beim Schrein Nabi Shu’ayb bei Tiberias, der für die drusisch-israelische Identität eine wichtige Rolle spielt.

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Die Drusen in Israel und in Syrien, so dramatisch unterschiedlich Lebensumstände und Bedrohungen sind, haben schwere Wochen hinter sich. In Syrien ist die Minderheit, die zirka drei Prozent der Bevölkerung ausmacht und sich zumindest teilweise ganz gut aus dem Krieg heraushalten konnte, nun schwer von Gewalt betroffen. In Israel fühlen sich die Drusen am Karmel und in Galiläa von dem neuen israelischen Grundgesetz, das Israel zum Nationalstaat (nur) für Juden macht, schwer gekränkt.

Die Drusen machen in Israel etwa zwei Prozent der Bevölkerung aus. Dem Bekenntnis zum israelischen Staat, von Israel selbst als "Blutsbrüderschaft" bezeichnet, schließen sich aber im Allgemeinen nicht jene Drusen an, die auf dem 1967 von Syrien eroberten und 1981 annektierten Teil des Golan leben. Die anderen Drusen dienen im Vergleich überdurchschnittlich oft in der israelischen Armee, etwa 80 Prozent der Jugendlichen leisten Wehrdienst, das ist mehr als bei jüdischen Männern.

Vertreter der Drusen haben sich nun an das israelische Höchstgericht gewandt, und eine Gruppe von drusischen Armeeoffizieren organisiert sich gegen das Gesetz, das etwa auch die arabische Sprache – Drusen sind arabischsprachig – als Amtssprache abschafft. Israelische Politiker auch der Rechten reagieren teilweise bestürzt und verständnisvoll auf den drusischen Unmut, obwohl sie das Gesetz beschlossen haben. Das gilt auch für Premier Benjamin Netanjahu, der sich jedoch bisher nicht bereit zeigt, das Gesetz abzuändern. Er will den drusischen Wünschen anders entgegenkommen. Immerhin hat auch der drusische Minister und Likud-Abgeordnete Ayoob Kara am 19. Juli in der Knesset für das Gesetz gestimmt, zwei andere drusische Abgeordnete, die Regierungsparteien angehören, jedoch dagegen.

Der drusische "Partikularismus"

Die Ernüchterung besonders in drusischen Armeekreisen ist groß, es kommt bereits zu Austritten. Die Drusen hatten stets auf Verbesserungen ihres Status gehofft, das Gegenteil, eine Verschlechterung, ist eingetreten. Viele fühlen sich geradezu getäuscht.

Die Drusenpolitik Israels war immer darauf ausgerichtet, die Drusen durch die Unterstützung ihres "Partikularismus" von der arabisch-muslimischen Bevölkerung in Israel abzuheben, etwa durch eine separate Bildungspolitik ab 1975. Kais M. Firro, emeritierter Professor an der Universität Haifa, spricht in seinen Publikationen sogar von Israel geförderten "neu erfundenen" Traditionen, etwa die Aufwertung von religiösen Schreinen, die die Drusen in ihrer Andersartigkeit bestärken und zufriedenstellen – und dadurch das Aufkommen von nationalistischen Ideen verhindern – sollten.

Solange die Drusen ihren Partikularismus hätten, würden politische und nationale Ideen ausbleiben, lautete die Erwartung – die sich ja auch erfüllte. Das Interesse, dass keine Vertretungen drusischer Angelegenheiten von unten entstehen, teilt sich Israel allerdings mit den alten drusischen Eliten, führt Tobias Lang, Universität Wien, in seiner Diplomarbeit aus (veröffentlicht in dem Buch "Die Drusen in Libanon und Israel").

Nun hat eine Seite des so entwickelten israelisch-drusischen Bewusstseins einen schweren Schlag erlitten – was auch die Drusen-Offiziellen, allen voran den spirituellen Führer der Gemeinschaft, Scheich Muwaffak Tarif, vor Probleme stellt. Seit der Krieg in Syrien ausgebrochen ist, gab es zudem Spannungen wegen des Eindrucks der Drusen, dass Israel auf der syrischen Seite des Golan teilweise radikale Rebellengruppen unterstützt, um dadurch einen Puffer zu den aufseiten des syrischen Regimes kämpfenden iranisch-affiliierten Gruppen wie der Hisbollah zu schaffen. Für radikale Muslime sind die Drusen jedoch vom Islam abgefallene Ketzer, und die Drusen fürchten die Islamisten zu Recht.

Loyale Bürger auch in Syrien

Mit ihren israelischen Glaubensgenossen haben die syrischen Drusen gemeinsam, dass sie loyale Bürger des Staates sind, in dem sie leben. Sie schlossen sich nie den Aufständischen an, was bei der starken Islamisierung und Radikalisierung, die die Rebellion nach 2011 erfuhr, schon aus religiösen Gründen schwierig gewesen wäre. Dem Assad-Regime ist es auch hier gelungen, sich als Garant für die religiöse Minderheit wie ja auch für die Christen zu stilisieren.

Die Schwäche des Regimes während des Kriegs hat die drusische Eigenständigkeit nur noch gestärkt. In Sweidah, das vergangenen Woche von einer Attentatsserie des "Islamischen Staats" (IS) getroffen wurde, gibt es etwa eine Miliz, die Al-Aql-Brigade, die sich selbst als "neutral" bezeichnet. Nach den Anschlägen wurden Beschuldigungen laut, das Assad-Regime habe die Drusen bewusst im Stich gelassen, um auf diesem Umweg wieder die volle Kontrolle über sie zurückzubekommen. Auch der libanesische Drusenführer Walid Jumblat schloss sich diesem Vorwurf an.

Die Drusen in Sweidah beklagen nicht nur mindestens 250 Tote, der IS verschleppte auch dutzende Bewohner, die meisten davon Frauen und Kinder, aus umliegenden Dörfern. Beschuldigen die einen Assad, so bleibt in Syrien die Theorie nicht aus, dass Israel – das ja von Verschwörungstheoretikern immer wieder beschuldigt wird, hinter dem IS zu stehen – Interesse an den Anschlägen gegen die syrischen Drusen hatte. Um zu beweisen, dass es den israelischen Drusen ja doch ungleich besser geht. (Gudrun Harrer, 31.7.2018)