Nachdem im Februar Machtmissbrauchs- und Belästigungsvorwürfe gegen die Festspiele Erl und im Besonderen gegen deren Intendanten Gustav Kuhn laut geworden waren, schwelte die Causa monatelang vor sich hin. Ein Tiroler Blogger veröffentlichte die anonymen Darstellungen, eine Klage des Festspielmanagements gegen ihn folgte. Der Erler Stiftungsvorstand und diverse Landesgremien tagten, aber zu erkennbaren Konsequenzen kam es nicht.

Die gibt es hingegen jetzt – und zwar nur eine Woche nachdem fünf Künstlerinnen die Vorwürfe in einem offenen Brief bekräftigt und präzisiert haben. Am Dienstag stellte Kuhn seine Funktionen ruhend. Der Druck auf ihn war offenbar zu stark geworden.

Warum das – und warum jetzt? Es dürfte sich hier um einen Effekt handeln, den man schon aus bisherigen ähnlichen Diskussionen, etwa im Rahmen von #MeToo, kennt: In wirkliche Erklärungsnot kommen präsumptive Belästiger immer nur dann, wenn sich ihre potenziellen Opfer aus der Deckung wagen und mit ihren vollen Namen für die Schilderungen einstehen. Namentlich schlägt anonym – auch wenn Menschen, die mit offenem Visier über Belästigungen berichten, damit Shitstorms gegen die eigene Person riskieren. Und immer wieder werden sie öffentlich der Sensationshascherei bezichtigt. Das ist falsch: Vielmehr sollte man sie wegen ihrer Zivilcourage loben. (Irene Brickner, 31.7.2018)