Sargnagel ist zwar verärgert über "besonders kranke" Hasspostings, findet sie aber "gar nicht so wild".

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Die Autorin und Künstlerin Stefanie Sargnagel wurde vor allem durch ihre Facebook-Postings und humoristische Werke wie "Binge Living" und "Fitness" bekannt. Ihren ersten Shitstorm erlebte sie, als sie zum Feindbild rechter Gruppen wurde, nachdem sich die "Krone" und die FPÖ über eine Kulturförderung, die sie bekommen hatte, empört hatten. Mit dem STANDARD sprach Sargnagel über ihre Erfahrungen mit Hass im Netz.


Vor meinem ersten "richtigen" Shitstorm war ich nur in einer gewissen Alternativkultur bekannt und kannte nur den Hype. Deswegen war ich das gar nicht gewohnt. Plötzlich wurde ich zu dieser "provokativen Figur". Das finde ich witzig, weil die Medienantwort auf mich zuvor immer positiv war, auch von konservativen Medien wie der "FAZ" und der "Presse" – und dann, nur, weil die FPÖ angefangen hat, mich zu attackieren, wurde ich als polarisierend beschrieben.

Da wird das Narrativ teilweise einfach übernommen. Das finde ich zum Teil dumm und unüberlegt. Es sind in Berlin schon 400 Leute zu meinen Lesungen gekommen, da hatte ich noch keinen einzigen Shitstorm. Ich habe das Gefühl, dass meine Arbeit darauf reduziert wird. Wegen drei Strache-Postings ist plötzlich alles andere unwesentlich. Man gibt ihnen damit viel Raum.

Besonders extreme Postings "nicht so wild"

Die Postings selber, gerade die, die besonders krank sind, finde ich oft gar nicht so wild. Mich regt zum Beispiel das STANDARD-Forum viel mehr auf, als wenn irgendeiner auf einer rechten Seite schreibt: "Die ist so schirch, die sollen die Flüchtlinge vergewaltigen". Gerade wenn es auf eine solche Weise formuliert wird, stört mich das fast weniger als wenn so "Bildungsbürger" inhaltlich was Ähnliches sagen, aber sich besser ausdrücken.

Da habe ich das Gefühl, das ist irgendein Trottel. Wenn wir jetzt rein von der hierarchischen, gesellschaftlichen Position ausgehen, bin ich dem in Wirklichkeit überlegen, habe viel mehr Öffentlichkeit, viel mehr Macht, verdien wahrscheinlich viel mehr als er.

In die Psychiatrie mobben

So etwas ärgert mich weniger, als wenn gutverdienende Politiker diese Shitstorms strategisch einsetzen, um mich als Frau und Künstlerin fertig zu machen. Die FPÖ macht das ja gezielt – die wollen wirklich Einzelpersonen einfach am liebsten in die Psychiatrie mobben und haben da null Hemmungen oder ethische Grundsätze.

Aber die Postings an sich – die fand ich im ersten Moment, als es in so einer Masse war und über Wochen, schon irrsinnig grauslich. Als würde mir jemand die ganze Zeit vor die Haustüre scheißen. Mein Facebook, was eigentlich ein netter, lustiger Ort war, war plötzlich voller Müll und voller Hass, ich dachte mir "wäh, weg damit", aber es war jetzt nicht bedrohlich oder so – es war einfach nur ekelhaft und nervenaufreibend.

Online ist etwas anderes

Ich muss dazu auch anmerken, dass es natürlich ein ganz großer Unterschied ist, dass mich Leute im echten Leben normalerweise nicht ansteigen. Ich werde weder beschimpft, oder sonst irgendwas. Wenn das passieren würde, würde ich schon anders reagieren. Online ist es, denke ich, etwas anderes. Ich glaube, teilweise bin ich auch einfach eine Projektionsfläche – die Leute haben ein Bild von mir, das hat zum Teil nichts mit dem zu tun was ich mache. Sie denken, dass ich nur vom Steuergeld lebe und Tiere quäle. Ich habe einmal eine Förderung um 700 Euro bekommen. Ich mache im Jahr ungefähr 200 Lesungen.

Eine kleine Gruppe, die groß wahrgenommen wird

Auch gilt zu bedenken, dass das wirklich ein kleiner Teil ist, der so etwas macht. Er wird nur viel größer wahrgenommen. Ich will es jetzt nicht runterspielen, weil es grindig und respektlos ist – aber eben auch entlarvend. Mich ärgert subtiler Chauvinismus mehr, als wenn einer einem einfach auf den Arsch haut.

Da kannst du gleich Stellung beziehen und dich wehren. Wenn so etwas unterschwellig ist, ist das nicht so leicht, zu sagen: Das ist jetzt untergriffig. Auch wenn es das ist, wenn es sexistisch ist, aber nicht so platt und eindeutig. Das finde ich dann vielleicht sogar grindiger. (Protokoll: Muzayen Al-Youssef, 27.8.2018)