Wer liegt derzeit nicht gerne im Freibad und lässt sich die Sonne auf den Bauch scheinen. Im Schatten kann es aber langfristig gesünder sein.

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Wer sich lange sonnt, denkt meist nicht an sein Erbgut. Doch Sonnenlicht verursacht Erbgutschäden, sogenannte Mutationen. Diese werden zwar zu einem großen Teil wieder repariert. Unser modernes Freizeitverhalten überfordert das DNA-Reparatursystem allerdings allzu oft, und so droht mit der Zeit Hautkrebs.

Tanzt ein Pigmentfleck aus der Reihe, weil er dunkler ist oder die Form verändert, kann das ein Warnsignal sein. Hautärzte sprechen vom "ugly duckling", dem hässlichen Entlein, ein Diagnosekriterium des schwarzen Hautkrebses, das sich jeder gut merken kann.

Größte Herausforderung: Metastasen

Denn die Früherkennung des sogenannten malignen Melanoms ist lebenswichtig: Wächst ein Melanom nur in der obersten Hautschicht, kann es gut entfernt werden, und die Heilungschancen liegen bei über 90 Prozent.

Dringt der Tumor jedoch in die zweite Hautschicht vor, die sogenannte Lederhaut, greift er schnell auf andere Organe über: Krebszellen, die sich vom Tumor ablösen, gelangen über Blut- und Lymphgefäße in der Lederhaut leicht zu anderen Organen und wachsen dort zu Tochtergeschwülsten heran, den sogenannten Metastasen.

Metastasen gelten bis heute als größte Herausforderung der Krebstherapie. War dieses Stadium erreicht, sanken die Überlebenschancen der Betroffenen bis vor wenigen Jahren rapide. Im Durchschnitt lebten Patienten dann noch rund neun Monate. "Dank der neuen Therapien haben wir die Überlebensraten zum Teil verzehnfacht, das ist eine unglaubliche Entwicklung", sagt Reinhard Dummer, Leiter des Hautkrebszentrums am Universitätsspital Zürich.

Die neuen molekularen Therapieansätze lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Zum einen existieren sogenannte zielgerichtete Therapien, die direkt in den Krebszellen wirken. Die Kommunikation ist bei gesunden Zellen fein abgestimmt und streng reguliert: So bleiben gesunde Zellen an ihrem Platz – eine Nervenzelle im Gehirn, eine Leberzelle in der Leber – und teilen sich nur dann, wenn sie den Befehl dazu erhalten. Krebszellen hingegen brechen diese Regeln: Sie dringen in andere Organe ein und wachsen unkontrolliert.

Kommunikationsfehler

Häufig ist der Grund dafür ein Kommunikationsfehler. So führt beim Melanom der Austausch eines einzelnen DNA-Buchstabens im sogenannten BRAF-Gen dazu, dass das BRAF-Protein seine Aufgabe nicht mehr korrekt erledigt: Es ist Teil einer Signalkette, die das Zellwachstum steuert. Ist das BRAF-Gen mutiert, teilen sich Zellen fortwährend, weil sie den Befehl "Vermehrt euch!" erhalten.

Sogenannte BRAF-Hemmer blockieren diesen Befehl. Im Idealfall wächst der Tumor nicht weiter und schrumpft. Bei mehr als der Hälfte der Patienten ist das der Fall. Allerdings ist der Therapieerfolg oft nicht von Dauer, denn Krebszellen verändern sich schnell, und einige finden Wege, die Blockade zu umgehen. Somit verliert eine anfänglich wirksame Therapie nach einer Weile ihre Schlagkraft.

Ärzte versuchen, die Resistenzentwicklung des Tumors zu verhindern, indem sie verschiedene Hemmer kombinieren, sodass die Signalkette an zwei unterschiedlichen Stellen unterbrochen wird. Bis zu 55 Prozent der Patienten sind mit einer solchen Medikamentenkombination nach zwei Jahren noch am Leben.

Für Schlagzeilen sorgen immer wieder auch die Immuntherapien. Sie greifen Krebszellen nicht direkt an, sondern versetzen das Immunsystem wieder in die Lage, Krebszellen anzugreifen. Theoretisch kann das Immunsystem Krebszellen aufgrund ihrer spezifischen Oberflächenmerkmale erkennen und ausschalten. Doch Melanomzellen sind gewiefte Gegner: Sie legen die gegen sie gerichtete Abwehrreaktion lahm, indem sie bestimmte Kontrollpunkte des Immunsystems, sogenannte Checkpoints manipulieren.

"Die neuen Immuntherapien lösen die Bremse, und das Immunsystem kann sich neu justieren und die Tumorzellen wieder attackieren", sagt Dummer. "Gut die Hälfte der Patienten spricht darauf an. Und wenn's funktioniert, wenn Patienten also die ersten drei Jahre überleben, dann überleben sie meist auch noch deutlich länger." Eine Kombination von Checkpoint-Hemmern kann die Ansprechrate weiter erhöhen: Nach zwei Jahren leben noch bis zu 65 Prozent der behandelten Patienten.

"Mittlerweile wird auch versucht, beide Therapieprinzipien zu kombinieren, die klinischen Studien laufen noch", sagt Dummer. "Die Ergebnisse sind verblüffend: Fast alle Patienten sprechen darauf an, bei 80 Prozent verkleinern sich die Tumoren." Allerdings gäbe es schwere Nebenwirkungen. Forscher entwickeln derzeit mathematische Modelle, um vorhersagen zu können, welche Kombination und Zeitabfolge von Immun- und gezielter Therapie für Patienten optimal ist.

Maßgeschneiderte Therapien

Auch Ugur Sahin, Krebsforscher an der Universität Mainz, setzt auf Immuntherapien – allerdings auf individuell maßgeschneiderte. Denn kein Tumor gleicht dem anderen: So kann ein Hautkrebspatient tausend tumorspezifische Mutationen aufweisen, die sich so gut wie nicht mit denen eines anderen Hautkrebspatienten überschneiden.

"Da jeder Krebs in jedem Patienten genetisch einzigartig ist, müssen wir für jeden Patienten eine auf ihn zugeschnittene Therapie in Form eines personalisierten Impfstoffs entwickeln", sagt Sahin. Um die krankheitsauslösenden Mutationen aufzuspüren, vergleichen Biologen das Erbgut des Tumorgewebes mit dem gesunden Gewebe des Patienten. Aus diesen Mutationen wählt Biontech mithilfe einer speziellen Software jene aus, die das Immunsystem aktivieren.

Diese sogenannten Neoantigene dienen als Schablone für einen Impfstoff. In die Lymphknoten gespritzt, regt der Impfstoff das Immunsystem an, das die Krebszellen nun anhand der Neoantigene erkennt und eliminiert. "Unsere Impfung macht den Krebs für das Immunsystem wieder 'sichtbar'", erklärt Sahin.

Die Ergebnisse einer Studie mit 13 Hautkrebspatienten waren vielversprechend: Von den 13 Patienten blieben acht bis zu 23 Monate nach der Behandlung tumorfrei, bei drei weiteren Patienten konnte die Krankheit stabilisiert werden. Im Dezember 2017 ist eine größere klinische Studie angelaufen, bei der bis zu 500 Patienten mit unterschiedlichen Krebsarten mit einem personalisierten Impfstoff behandelt werden.

Die neuen Therapien wecken Hoffnung. Allerdings verursachen auch sie Nebenwirkungen und schlagen nicht bei allen Patienten an. Zudem warnen manche Experten vor einer Kostenexplosion, denn die Behandlungen sind aufwendig und teuer. Aber eine Perspektive kann man Patienten immerhin anbieten. (Juliette Irmer, 11.8.2018)