Thymian, Hautflügler, Prachtkäfer, Knotenwespe. Und dazu ein alter, alles andere als großer Mann mit gefurchtem Gesicht und zerknautschter Kopfbedeckung. Auf den Knien lag er, vor einem Thymianbusch, eine Lupe in der Hand, auf dem Kopf einen Filzhut, der sich selbst nicht mehr an seine Ursprungsform erinnern konnte. Jean-Henri Fabre war gebannt von den Vorgängen, die sich direkt vor ihm abspielten: eine Sandwespe auf Beutejagd. Sie scharrte am Strunk des Stocks, steckte ihren Kopf unter lose Erdkrumen. Und tatsächlich gelang es ihr, einen großen Wurm, der durch die Aktivitäten rings um sein unterirdisches Versteck aufgeschreckt war, herauszutreiben. Prompt war es um ihn geschehen.

Foto: Willy Puchner

Dass diese Schilderung noch heute, mehr als einhundert Jahre nachdem Jean-Henri Fabre (1823- 1915) sie zu Papier gebracht hat, spannend zu lesen ist, verdankt sich der Sprache des Südfranzosen, der sich, in eine arme Bauernfamilie geboren, zum Lehrer für Mathematik und Physik hocharbeitete und als Autodidakt Jahrzehnte dem Studium der Insekten widmete. Denn Fabre, vom Schriftsteller Victor Hugo zum "Homer der Insekten" promoviert und von Charles Darwin gepriesen, schrieb seine entomologischen Erinnerungen in einer Sprache, die biegsam und farbig war, voller pittoresker Einzelheiten, unterhaltsam, lebendig, dem Konkreten verhaftet, frei von abstrakter oder gar akademischer Verschraubtheit. Fabre nannte sie bescheiden "exakte Aufzeichnungen beobachteter Vorgänge". Im Herbst wird die zehnbändige Neuübersetzung und Neuedition seines Riesenbeobachtungswerks Erinnerungen eines Insektenforschers komplett vorliegen.

Foto: Willy Puchner

Was schwirrt, was schwimmt

Der Biologie und Insektenforscher Michael Ohl, Abteilungsleiter am Berliner Museum für Naturkunde (Departement Neuropterida, Orthopteroidea, Sphecidae, übersetzt: Netzflüglerartige, Neuflügler, Grabwespen), Privatdozent sowie Autor des Buches Die Kunst der Benennung (2015), in dem er auch erklärt, wieso die "Diva unter den Pferdebremsen" mit goldfarbenem Hinterteil nach Beyoncé benannt wurde, hat ebenfalls eine Passion für Insekten. Und was für eine!

Mit Stachel und Staat legt er ein mit zahlreichen Fotos prachtvoll ausgestattetes Buch vor. Seine fulminante Naturgeschichte handelt von den heimlichen Herrschern der Erde. Gibt es doch von Wespen, Bienen und Ameisen rund 153.000 Arten. Er erzählt von Giften und vom Bienensterben, vom Sammeln und von Begrifflichkeiten, von Habitaten und von der Evolution.

Foto: Willy Puchner

Konzentriert sich Ohl auf alles Schwirrende, tut es der Engländer und seit 30 Jahren in den Vereinigten Staaten lebende Verhaltensbiologe Jonathan Balcombe auf alles, was schwimmt. Tatsächlich erfährt man in Was Fische wissen nahezu alles, was Fische wissen. (Und man wird Dirk Stermanns Frische Fische. Kochen & essen umgehend aus Küche und Wohnung verbannen.) Durchweg nicht nur verständlich, sondern aufklärerisch unterhaltsam erläutert Balcombe von Brutpflege bis Stress, vom Fühlen, Denken und Orientieren bis zu Kooperation und Spielen alles, was sich über die aquatischen Mitbewohner des Planeten, von denen der Mensch nicht wenige Arten durch gnadenlose, hyperindustrialisierte Überfischung an den Rand des Bestandes und der Existenz brachte, zu wissen lohnt. Und zudem vieles, was man kaum ahnte.

Foto: Willy Puchner

Pinguine und der Pandasex

Noch unterhaltsamer ist die englische Zoologin und Wissenschaftsjournalistin Lucy Cooke, die seit mehreren Jahren, quasi in der Nachfolge des legendären Sir David Attenborough, für die BBC um die Welt reist und Naturfilme dreht. Außerdem ist sie Gründerin der Sloth Appreciation Society, der Gesellschaft zur Würdigung des Faultiers.

So kommt denn auch das Faultier, das in Wahrheit keineswegs faul ist, sondern vielmehr grandios angepasst an seine Umwelt, gleich im dritten Kapitel vor. Cooke hat ihr Buch Die erstaunliche Wahrheit über Tiere ohnehin nach Favoriten geordnet: Von Aal, Biber und eben Faultier geht es über Hyäne und Frosch sowie das Flusspferd bis zum Panda und dem Pinguin – der alles ist, nur kein Familienvorbild für stockkonservative amerikanische Evangelikale, die Luc Jacquets verfälschenden Dokumentarfilm Die Reise der Pinguine (2005) zu ihrem Lieblingsfilm erhoben haben. Stattdessen erklärt Cooke gutgelaunt dessen mehr als wildes Sex- und Beziehungsleben. Ohnehin bereitet die Lektüre ihres Buches ausnehmend großes Vergnügen. Mit Verve und Witz und zahlreichen eingestreuten Offbemerkungen beschreibt sie die Tiere.

Foto: Willy Puchner

Rasch hat man allerdings ihre Methode durchschaut. Stets nimmt sie sich wissenschaftliche Werke aus dem 17. und 18. Jahrhundert zur Brust, beschreibt die darin ausgebreiteten krausen Kuriosa und irrigen Irrtümer, um dann diese teils lange tradierten Mythen zu demythisieren. Am Ende ist ihre "Schlagfertigkeit" und Formulierungshumorwut ein wenig enervierend.

Der Deutsche Norbert Sachser ist da weitaus zurückhaltender, da mit akademisch reduziertem Temperament ausgestattet. (Und das nicht nur, weil er im sprichwörtlich langsamen Westfalen lebt und dort an der Universität Münster Ordinarius ist.) Sorgsam, sprachlich nicht recht auf Glanz achtend, dafür auf Gehalt, navigiert er informativ durch Felder wie Stress und Soziabilität, Gene und Umwelt, Emotionen und Denken, Ich-Erkenntnis und Egoismus. Tatsächlich ist am Ende seines Buches mehr als deutlich: Im Menschen steckt mehr Tier, als bis vor kurzem gedacht. Sie sind dem Homo sapiens nähergerückt. Auch wenn wir sie immer noch malträtieren, quälen, schlachten und essen. Wie die Kuh.

Foto: Willy Puchner

Marcel Hirscher der Reflexion

Lila Werbefläche. Milcherzeuger. Nahrungsmittel. Lederlieferant. Mit anderen Worten: die Kuh. 2009 war in China das Jahr des Rindes. Damals legte Florian Werner aus dem nur wenig alpinen Berlin, der seine Doktorarbeit über Rap und Apokalypse schrieb (Rapocalypse. Der Anfang des Rap und das Ende der Welt), Autor einer Karaokeseifenoper, Texter der Gruppe Fön und Journalist ist sowie Autor von Büchern über Schnecken, Schüchternheit und Exkremente, eine geistreiche Kulturgeschichte der Kuh en détail und en gros vor. Leben, Werk, Wirkung, Leistungen und auch Lebensglück des geschlechtsreifen weiblichen Hausrinds und Wiederkäuers, genannt Kuh, verfolgte er durch die Kultur-, Wirtschafts-, Menschheits-, Film- und Literaturgeschichte. "So dunkel wie im Innern einer Kuh": Das galt danach nicht mehr.

Foto: Willy Puchner

Nun denkt er in 32 Miniaturessays über Biene, Ameise, Fledermaus, Zitterrochen, Axolotl, Nacktmull oder den Pacú nach. Die Mehrzahl der Texte erschien im Philosophie Magazin. Was eine andere Herangehensweise in Aussicht stellt, kein zoologisches Bestiarium, sondern philosophische Gedanken über Existenz, Sein und Da-Sein, Nicht-Mehr-Sein und alles dazwischen. Elegant und witzig schlängelt sich Werner, ein Marcel Hirscher des Reflexiven, durchs Tierreich.

Beim Elefanten kommt er so beispielsweise von einer Erinnerung eines väterlichen Studienfreundes an einen Elefanten in einem Stripteaseclub in Berlin über Sprichwörter, die Abwägung begrifflicher Plausibilitäten sowie das Plädoyer für einen Perspektivenwechsel zum Tod des im Keller gehaltenen Dickhäuters. Das kognitiv für Mensch wie Tier gültige Fazit: "Wenn man die Wirklichkeit in eine zu enge Box oder gar in ein Kellerverlies sperrt, verkümmert sie." (Alexander Kluy, 11.8.2018)