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In den ersten Lebenstagen wird die Regulierung der Darmbakterien bestimmt. Sie bestimmt das Mikrobiom für ein gesamtes Leben, vermuten die Forscher.

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In der Medizin mehren sich die Erkenntnisse, dass man in sehr langen Zeitspannen denken muss. Mitunter werden die Weichen für biologische Funktionen für ein gesamtes Leben in der Kindheit gestellt, etwa die Tatsache, dass Sonnenbrände in der Kindheit zu Hautkrebs im Alter führen können.

Auch die Verdauung dürfte in den ersten Lebenswochen gepärgt werden. Nach der Geburt gibt es ein besonders wichtiges Zeitfenster, in der die Bakteriengemeinschaft im Darm, das sogenannte Mikrobiom, geformt wird, zeigt eine eben in Nature publizierte Studie. Die Wissenschafter haben einen molekularen Faktor identifiziert, der nur 21 Tage nach der Geburt aktiv ist. Allerdings im Mausexperiment. "Man kann das nicht 1:1 auf die Situation beim Menschen übertragen, aber bei der Maus ist das ungefähr der Zeitpunkt, wo die Umstellung von Muttermilch zu fester Nahrung erfolgt. Beim Menschen wäre das entsprechend etwa ein halbes Jahr", erklärt Felix Sommer vom Institut für Klinische Molekularbiologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU).

Kurz nach der Geburt

Bereits frühere Experimente weisen darauf hin, dass es ein Zeitfenster für die Prägung des Mikrobioms gibt. Die jetzt in Nature veröffentlichten Ergebnisse weisen erstmals einen konkreten Mechanismus im angeborenen Immunsystem nach, der nur kurz nach der Geburt aktiv ist und die Besiedlung mit Mikroorganismen reguliert. Diese Phase ist prägend für die lebenslange Zusammensetzung des Mikrobioms.

Das Forschungsteam untersuchte in Epithelzellen des Darms von jungen und älteren Tieren das Vorhandensein von Rezeptoren des angeborenen Immunsystems, die bakterielle Strukturen erkennen. Vor allem bei dem Rezeptor TLR5 (Toll-like Rezeptor 5) zeigte sich eine deutliche Altersabhängigkeit. Drei Tage alte Tiere hatten eine wesentlich höhere Expression des Rezeptors als ältere Tiere.

Diese Beobachtung war Ausgangspunkt für Experimente zur Besiedlung von keimfreien jungen und alten Mäusen mit dem Mikrobiom anderer Tiere. "TLR5 erkennt Flagellin, die Hauptkomponente bakterieller Flagellen. Mäuse, denen nach genetischer Veränderung TLR5 fehlt, haben ein verändertes Mikrobiom durch die Ausbreitung von flagellierten Bakterien", schreiben die Forscher.

Regulierung von Beginn an festgelegt

Die Zusammensetzung und das Gleichgewicht von Darmbakterien sind wesentlich für die Gesundheit. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass zum Beispiel chronisch entzündliche Erkrankungen oder Stoffwechselerkrankungen mit einer veränderten Darmflora zusammenhängen.

Bisher ist es aber nicht gelungen, dass Mikrobiom im Erwachsenenalter durch äußere Faktoren wie die Ernährung oder spezielle Behandlungen langfristig wesentlich zu beeinflussen. "Das Mikrobiom ist sehr viel stabiler, als man das bei all dem, was tagtäglich darauf einwirkt, erwarten könnte. Selbst nach einer Magen-Darm-Infektion oder einer Antibiotikabehandlung stellt sich nach einiger Zeit das individuelle Mikrobiom wieder ein", betont Philipp Rosenstiel vom CAU. "Die Studie zeigt, dass es sehr früh im Leben eine kritische Phase gibt, in der wir bestimmte Bakterien sehen müssen, damit hinterher ein vielfältiges und funktionierendes Mikrobiom im Darm vorzufinden ist." (red, 18.8.2018)