Der Haltegriff ist einer der schönsten Orte für Bakterien. Dort können sie von einem Wirt zum nächsten wechseln.

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Gianni Panagiotou ist Systembiologe am Leibniz-Institut für Infektionsbiologie in Jena. Ihn interessieren Struktur und Dynamik von Mikroorganismen und damit auch das Mikrobiom von U-Bahnen – also die Gesamtheit aller Bakterien, Viren und Pilze, die mit uns gemeinsam im Untergrund fahren. Sein Forschungsfeld: das 160 Kilometer lange U-Bahn-Netz in Hongkong.

Panagiotou und sein Team interessierten sich besonders dafür, ob die Mikrobiome der U-Bahn-Linien die täglichen Schwankungen des Verkehrs übernehmen und über den Tag hinweg variieren. Konkret schickten die Forscher ihre Probanden während der morgendlichen und abendlichen Stoßzeiten jeweils eine halbe Stunde lang durch Hongkongs U-Bahnen. Anschließend nahmen sie Abstriche von ihren Händen. "Bei fünf Millionen Menschen, die täglich mit der U-Bahn fahren, müsste der Fingerabdruck der ganzen Stadt erkennbar sein", so die These der Forscher.

Immer ähnlicher bis zum Abend

Unsere Haut bildet eine wichtige Barriere gegen Krankheitserreger. Deshalb interessierten sich die Systembiologen nicht für die Mikrobengemeinschaften in den Zügen selbst. Stattdessen untersuchten sie, welche Mikroben auf die Hände der Pendler übertragen wurden. Das Ergebnis der Studie, die im Fachmagazin "Cell Reports" veröffentlicht wurde: Während morgens bestimmte U-Bahn-Linien noch eindeutig anhand der Bakterien identifizieren werden konnten, gelang es abends kaum noch, sie zu unterscheiden.

"Am Morgen hat jede U-Bahn-Linie eine einzigartige mikrobielle Zusammensetzung. Sie spiegelt die Regionen wider, durch die sie führt. Aber mit zunehmender U-Bahn-Nutzung während des Tages werden die mikrobiellen Gemeinschaften aller Linien einander immer ähnlicher", fasst der Studienleiter das Ergebnis zusammen.

Hohe Frequenz ist nicht gleich höheres Ansteckungsrisiko

Die Analyse zeigte, dass die Probanden einige Krankheitserreger auf ihren Händen beheimateten. Die Mehrheit der übertragenen Mikroben waren jedoch harmlose Hautbewohner der Reisenden. "Am besten illustriert das Mischungsmuster von Antibiotikaresistenzgenen die tageszeitlichen Veränderungen, so Panagiotou. "Am Morgen fanden wir Resistenzgene nur in wenigen U-Bahn-Linien, abends hingegen konnten wir sie im gesamten U-Bahn-Netz nachweisen." Was die Wissenschafter noch herausfanden: Metro-Linien mit höherem Verkehrsaufkommen bergen keine größeren Gesundheitsrisiken als weniger frequentierte Strecken – weder in Bezug auf Krankheitserreger noch auf Antibiotikaresistenzgene.

Mit ihren Ergebnissen wollen die Forscher Anhaltspunkte für künftige Strategien zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Gesundheit im öffentlichen Nahverkehr liefern. "Wir wollen besser verstehen, wie die Stadtplanung Bakterienarten beeinflussen kann, um die Übertragung von Krankheitserregern und Antibiotikaresistenzgenen innerhalb der Stadt und über die Grenzen hinweg zu vermindern", resümiert Panagiotou. (red, 17.8.2018)