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Google-Mitarbeiter sind über die Pläne für eine zensurierte Suchmaschine für China erbost.

Foto: ALY SONG / REUTERS

Die Pläne Googles seine Suchmaschine zurück nach China zu bringen, sorgen nun für gehörige Unruhe bei dem Softwarehersteller: Mehr als 1.000 Mitarbeiter haben einen Brief an die Geschäftsführung unterschrieben, in dem gegen das Projekt "Dragonfly" protestiert wird. Darin ist etwa wörtlich die Rede davon, dass diese Bestrebungen "dringende moralische und ethische Fragen" aufwerfen.

Vorgeschichte

Die Pläne waren Anfang August durch einen Bericht von The Intercept öffentlich geworden, und hatten umgehend zu lautstarker Kritik geführt. Plant Google demnach doch, sich der staatlichen Zensur in China zu unterwerfen, um die nötige Zustimmung für den Betrieb einer Suchmaschine in China zu erhalten. Angeblich würden dabei aktuell bereits Suchbegriffe gesammelt werden, die dann für chinesische User ausgeblendet würden.

Transparenz gefordert

Neben den aufgeworfenen, grundlegenden Bedenken kritisieren die 1.000 Google-Mitarbeiter auch mangelnde Transparenz. So seien vor dem ersten Bericht nur wenige Angestellte in das Projekt eingeweiht gewesen. Die aktuell verfügbaren Informationen seien aber nicht ausreichend, um eine Entscheidung treffen zu können, ob all das für die Google-Mitarbeiter überhaupt noch ethisch vertretbar sei. Insofern fordere man die Geschäftsführung auf, umgehend weitere Details bekanntzugeben.

Ein Aufruf, der offenbar recht schnell erhört wurde: Laut einem Bericht von Bloomberg stellten sich Google CEO Sundar Pichai und Mitgründer Sergey Brin nur kurz danach den Fragen der eigenen Angestellten. Dabei bestätigte man zwar die Existenz des Projekts, betonte aber auch, dass sich die diesbezüglichen Pläne erst in einer frühen Phase befinden. Von einem Produkt-Launch sei man noch weit entfernt. Das heiße auch, dass man derzeit noch keine Entscheidung getroffen habe, ob man dieses Projekt überhaupt weiterverfolgen will. Trotzdem erinnert Pichai die Angestellten daran, was eigentlich das erklärte Ziel von Google sei, nämlich die Information der Welt zu organisieren. Und dabei könne man nicht einfach China – und somit ein Fünftel der Weltbevölkerung – ausblenden.

Keine Beruhigung

Ob diese Statements dazu geeignet sind, die Stimmung innerhalb von Google zu beruhigen, ist zweifelhaft. So soll das Treffen denn auch abrupt beendet worden sein, nachdem Mitarbeiter all die – eigentlich nur zur internen Information gedachten – Statements von Pichai und Brin direkt an Journalisten weitergeben haben, die sie praktisch in Echtzeit über Twitter verbreiteten. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Google mit dem Widerstand der eigenen Angestellten konfrontiert sieht. So sorgte erst vor wenigen Monaten eine Kooperation des Unternehmens mit dem US-Verteidigungsunternehmens für einige Aufregung. Hilft Google doch darin die Auswertung von Drohnenaufnahmen mit Künstlicher Intelligenz zu verbessern. Nach dem Mitarbeiterprotest, und der Kündigung einiger Angestellter, verkündete Google, dass man den betreffenden Vertrag nicht verlängern werde.

Kompliziertes Verhältnis

Im Falle von China ist die Situation für Google aber besonders pikant, gibt es doch eine einschlägige Vorgeschichte. Im Jahr 2010 hatte sich Google komplett aus China zurückgezogen, da man sich der staatlichen Zensur nicht beugen wollte. Dem war ein länger schwelender Streit vorausgegangen, in dessen Rahmen chinesische Hacker auch in die Systeme von Google eingedrungen waren, um die Aktivitäten des Unternehmens auszuspionieren. Seitdem hat es zwar mehrere Versuche gegeben, diese Beziehung zu kitten, die aber allesamt im Sand verlaufen sind.

Klare Interessenslage

Eine Rückkehr Googles wäre vor allem von ökonomischen Interessen getragen. Immerhin geht dem Unternehmen so einer der größten Märkte der Welt verloren. Dies gilt nicht nur für die Suchmaschine und darüber ausgelieferte Werbung sondern auch für den Play Store, mit dem Google rund um sein Smartphone-Betriebssystem Android Geld verdient. Bisher ist der Play Store in China nicht verfügbar. Parallel dazu ist auch die Rede davon, dass Google an einer eigenen News-App für China arbeitet.

Schweigende Beteiligung

Das Verhältnis westlicher Konzerne zu China ist seit Jahren angespannt, und eines über das die Beteiligten öffentlich nicht sonderlich gerne reden. So unterwerfen sich viele Konzerne stillschweigend der staatlichen Zensur, darunter selbst Unternehmen, die sonst für ihren Einsatz für Nutzerrechte bekannt sind. So betreibt Apple etwa mittlerweile die iCloud über ein Partnerunternehmen direkt in China, womit auch staatliche Behörden potentiell Zugriff auf die Daten haben, wie Menschenrechtsorganisationen kritisieren. Auch der chinesische App Store für iPhones und iPads wird zensiert.

Dass nun gerade Google dafür so lautstark kritisiert wird, hat nicht zuletzt mit der zentralen Position des Unternehmens in der Informationsbeschaffung im Netz zu tun. Zudem befürchten Kritiker, dass Google hier eine negative Vorbildfunktion haben könnte, die dazu führt, dass immer mehr Unternehmen sich der Zensur unterwerfen – und auch andere Staaten diese immer offensiver einfordern. So fand etwa Lokman Tsui, zuvor bei Google leitend für das Thema freie Meinungsäußerung zuständig, deutliche Worte: Die diesbezüglichen Pläne seien "eine wirklich schlechte Idee, ein dummer Schritt". (Andreas Proschofsky, 17.8.2018)