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Frankfurt/Main – Mehr Demut für "Die Mannschaft", weniger Machtfülle für Oliver Bierhoff: DFB-Präsident Reinhard Grindel hat nach dem WM-Desaster in Russland teils tiefgreifende Veränderungen im Deutschen Fußball-Bund (DFB) angekündigt. Im Umgang mit Mesut Özil räumte der 56-Jährige erneut Fehler ein, kritisierte allerdings auch das Verhalten des Mittelfeldspielers, der ihm in seiner geräuschvollen Rücktrittserklärung offen Rassismus vorgeworfen hatte.

"Ich hätte mich angesichts der rassistischen Angriffe an der einen oder anderen Stelle deutlicher positionieren und vor Mesut Özil stellen müssen. Da hätte ich klare Worte finden sollen. Solche Angriffe sind völlig inakzeptabel", sagte Grindel in der Bild am Sonntag: "Dass Özil sich vom DFB im Stich gelassen gefühlt hat, tut mir leid."

Keine Kritik an Leistung

Wichtig sei es ihm aber "zu betonen, dass ich mich nach der WM zu keinem Zeitpunkt zu seiner sportlichen Leistung geäußert habe." Er habe von Özil eine Erklärung zu den Fotos mit dem umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan verlangt. "Das darf aber keinesfalls als Kritik an seiner sportlichen Leistung missverstanden werden", sagte Grindel: "Ich hätte mir eine solche Erklärung auch gewünscht, wenn wir Weltmeister geworden wären."

Brotkrumen für das Volk

Das WM-Aus mache nun "tiefgreifende Veränderungen" notwendig, nicht zuletzt bei den umstrittenen Marketingmaßnahmen. "Ich denke da an mehr öffentliche Trainingseinheiten, niedrigere Ticketpreise", sagte Grindel: "Und ich nehme auch wahr, dass an der Basis der Begriff 'Die Mannschaft' als sehr künstlich empfunden wird. Auch das sollten wir auf den Prüfstand stellen."

In der DFB-Struktur soll Nationalmannschaftsdirektor Bierhoff entlastet werden. Grindel kündigte die Wiedereinstellung eines Sportdirektors sowie eines Leiters für das Akademie-Projekt an, die dann aber weiter Bierhoff unterstellt sein werden. "Ansonsten muss er in den nächsten Monaten selbst überprüfen, ob er das alles leisten kann", sagte Grindel. Bayern-Präsident Uli Hoeneß schlug bei Sky Sport News HD vor, "dass man die Nationalmannschaft vielleicht herauslösen" müsse aus den Verbandsstrukturen, er sprach von einem "eigenen, professionellen Management".

Grindel fordert mehr Informationen

Grindel deutete in der Bild am Sonntag auch Dissonanzen zwischen Teamleitung und Präsidium an. Er sei "während der WM nicht nah genug an der Mannschaft gewesen, um sagen zu können, ob das Teamquartier nicht ausreichend war, ob es in den Abläufen Dinge gab, die nicht gut waren", sagte er: "Da erwarte ich auch von Teammanager Oliver Bierhoff, dass das Präsidium Einblicke in die Abläufe erhält. Wir als DFB-Delegation haben manches, was jetzt im Nachhinein aus Watutinki berichtet worden ist, während des Turniers nicht vermittelt bekommen."

Konkret auf den Vorfall angesprochen, dass den Spielern im Teamquartier in Watutinki nachts das WLAN ausgeschaltet wurde, damit sie nicht mehr mit der Playstation spielen konnten, erklärte der DFB-Boss: "Dass dort jemand Anlass gesehen hat einzugreifen, hätten wir schon gern gewusst. Wir müssen wieder intensiver miteinander reden."

Keine Rücktrittsgedanken

An einen Rücktritt habe Grindel in den vergangenen Wochen derweil nicht gedacht. "Ich habe sehr großen Rückhalt bei den Landesverbänden und in der Bundesliga", sagte der 56-Jährige, den "die gesamten Vorgänge dieses Sommers natürlich auch persönlich sehr berührt" hätten. (sid, 19.8.2018)