Der Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin bei der Hochzeitsfeier von Außenministerin Karin Kneissl bleibt umstritten.

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Eher privat und weniger Staat? Die Darstellung des österreichischen Außenministeriums, wonach die Einladung an den russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Hochzeit von Ressortchefin Karin Kneissl als private Angelegenheit zu betrachten sei, will nicht auf die erhoffte Akzeptanz stoßen. Im Inhalt wurde Mitte der Woche neuer Unmut ruchbar: So ließ am Donnerstag auch Bundespräsident Alexander van der Bellen Medienberichte bestätigen, wonach er zwar zu den Anlass eingeladen gewesen sei, diesem aber trotzdem nicht beigewohnt habe. Sein Sprecher Reinhard Pickl-Herk sagte nicht, wieso das Staatsoberhaupt der Vermählung nicht beigewohnt habe.

International quittierten zahlreiche Politiker Putins Visite bei der samstäglichen Trauung im südsteirischen Gamlitz weiterhin mit Kopfschütteln. Vor allem weil Österreich derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat und vor dem Hintergrund aktueller Spannungen zwischen der EU und Russland deshalb eine exponierte Rolle einnimmt.

"Am einfachsten wäre es, so zu tun, als wäre nichts geschehen", twitterte etwa Kneissls Amtskollege Linas Linkevičius, der Außenminister Litauens. Dies sei jedoch nicht der Fall: Die EU-Präsidentschaft habe sich von Putin "buchstäblich umklammern" lassen.

Gerade die baltischen Staaten, einst Teil der Sowjetunion, verfolgen mit Blick auf die russische Annexion der Krim die machtpolitischen Interessen Moskaus mit Sorge. Entsprechend groß ist dort das Unverständnis für die Einladung an Putin. Toomas Hendrik Ilves, der ehemalige Präsident Estlands, verbreitete über Twitter einen Kommentar des britischen "Guardian". Titel: "Wann ist ein Tanz kein Tanz? Wenn er ein geopolitischer Schritt Putins ist."

"Huldigung Putins"

Ähnlich äußerte sich Carl Bildt, schwedischer Exaußenminister und derzeit Covorsitzender des Thinktanks European Council on Foreign Relations: Er postete einen Screenshot des russischen Fernsehsenders RT, der Kneissl beim tiefen Knicks vor Putin zeigt. Dieser lasse erkennen, "warum das russische Fernsehen mit den Bildern von Präsident Putin und Außenministerin Kneissl so glücklich ist".

In dieselbe Kerbe schlug am Mittwoch die deutsche EU-Abgeordnete Rebecca Harms im Gespräch mit dem STANDARD: "Spätestens in dem Moment, in dem auch RT auf die Hochzeit eingeladen wurde und dadurch die Möglichkeit bekam, den Besuch Putins auch in Russland zu vermarkten, ist das keine private Angelegenheit von Frau Kneissl mehr, sondern ein Beitrag der Außenministerin zur Huldigung eines Präsidenten Putin, der auch im Westen angesehen sei", so die Grün-Mandatarin.

Kritik kommt auch von konservativer Seite: Es sei ihm nicht bekannt, dass Kneissl und Putin enge persönliche Beziehungen hätten, sagte der CDU-Politiker Elmar Brok, langjähriger Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im Europäischen Parlament, dem STANDARD. Insofern "war das aus Sicht Putins eine politische Reise". Kneissl wiederum habe die Visite des russischen Präsidenten "sicher auch als Aufwertung ihrer Person gesehen", meint Brok und spricht von möglichem "persönlichem politischem Kalkül". "Vielleicht war es auch nur Eitelkeit."

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Eine Behinderung des Ratsvorsitzes befürchtet Brok nicht: Der Außenministerrat werde von der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini geführt. "Insofern ist das nicht eine Frage von inhaltlicher Bedeutung, sondern eine von falschen Signalen."

Irritationen im Außenamt

Auch österreichische Diplomaten sind unglücklich über den Auftritt ihrer Chefin mit Putin. Hinter vorgehaltener Hand sprechen manche von einem Desaster für die Außenwahrnehmung des Landes. Die Grundstimmung im Ministerium, in das viele im Ausland stationierte Diplomaten derzeit angeblich eher nicht zurückkehren wollten: Kneissl hätte zumindest "blauäugig" gehandelt, wenn sie sich der politischen Macht der Bilder nicht bewusst gewesen sei. Österreich habe dadurch während der Ratspräsidentschaft seine Rolle als neutraler Vermittler eingebüßt.

Die Einladung an Putin war übrigens nicht mit der Staatsspitze abgesprochen, erklärte ein Kneissl-Sprecher am Mittwoch. Es sei eben die "persönliche Entscheidung des Hochzeitspaares, wen sie einladen". Auch Wladimir Putin selbst verteidigte am Mittwoch seinen Besuch als "streng private Reise" – bei der man auch über Politik gesprochen habe. Österreich spiele "bei der Herstellung eines Dialogs zwischen Russland und der EU eine sehr positive Rolle". (Gerald Schubert, Fabian Sommavilla, 22.8.2018)