"Haider" besuchen regelmäßig den Youtuber Rainer W., um ihn zu mobben.

Foto: screenshot/youtube

800 Personen demonstrierten kürzlich trotz eines Versammlungsverbots im Dorf Altschauerberg im deutschen Bayern. Die Gemeinde zählt bloß 40 Personen. Das Ziel ihrer Anfeindung war der Youtuber "drachenlord1510", der sich über Jahr hinweg im Netz einen Namen machte – primär als Objekt des Hasses. Bereits 2016 dokumentierte der Recherchekanal "Y-Kollektiv" das Mobbing, dem der Youtuber ausgesetzt ist. So sollen regelmäßig junge Menschen sich an Wochenenden in Altschauerberg versammelt haben, um den "Drachenlord", im echten Leben Rainer W., zu beleidigen, Eier auf sein Haus zu werfen oder Böller zu zünden.

Y-Kollektiv

Unreflektierte Aussagen

Wie genau der Hass gegen W. entstanden ist, ist schwierig zu ermitteln. Zumeist spricht er auf Youtube über alltägliche Themen – sei es sein Privatleben oder seine Interessen, etwa Musik. In seinen zahlreichen Videos und Streams auf der Seite YouNow kommt es auf mehrfach vor, dass "Drachenlord" Aussagen tätigt, die als unreflektiert bis hasserfüllt aufgenommen wurden.

Ein berüchtigter Satz des 29-jährigen war etwa, als ein User ihn zu seiner Meinung zum Holocaust fragte: "Ja, Holocaust wär mal natürlich eine richtig nice Sache". W. distanzierte sich später von der Aussage und behauptete, dass es sich um Sarkasmus gehandelt habe. In der rechtsextremen Community auf Youtube ist W. ebenfalls ein Hassobjekt. Er selbst sprach davon, eigentlich ein Gegner von Rechtsextremismus zu sein, seine Videos mit solchen Inhalten gelten aber als populärer.

Hass-Community

Einige User im Netz nutzten die Angriffsfläche, die durch die detailreiche Preisgabe und die fehlende Reflektion entstand, aus und beleidigten ihn. Die Mitglieder der Community, die auf diese Weise entstand, bezeichnen sich selbst als "Haider", eine umschriebene Version von "Haters".

W. reagierte jedoch äußerst ungeschickt, als ein solcher "Haider" preisgeben wollte, wo er wohnt – und schrie selbst seine Adresse in die Kamera. Das Video entfernte er zwar kurze Zeit später, jedoch wurde es einfach von zahlreichen Usern der Plattform neu hochgeladen. Das Ergebnis war, dass Nutzer ihn in Scharen besuchten.

Beispiel des Mobbings gegen Drachenlord: W. machte einer Frau, die er im Internet kennengelernt hatte und als seine feste Freundin sah einen Heiratsantrag live auf der Streamingplattform YouNow. Daraufhin gab sie sich als Freundin eines anderen Youtubers, der durch Beleidigungen gegen W. eine Fangemeinde erlangte, bekannt und begann, Drachenlord wüst zu beschimpfen.
Drachenlord #Liebe #Getrollt_Wird_Net!

Scharenweise, aggressive Hassbesuche

Der Youtuber reagierte besonders aggressiv auf Besucher, die er etwa prügelte oder mit Steinen bewarf. Diese filmten seine Wut mit – was dazu führte, dass sich immer mehr Personen in ihrem Verhalten bestätigt fühlten und Besucher selbst zunehmend aggressiver wurden. Etwa wurde das Grab seines Vaters mutwillig zerstört.

Hass wird zum Meme

Ein Nutzer meldete vorsätzlich fälschlicherweise einen Brand auf dem Grundstück von W.. Zahlreiche Personen tauchten mit Masken seines verstorbenen Vaters in dem Dorf auf. Im Netz selbst wird auf zahlreichen Plattformen über ihn geschimpft und gehetzt. Das Mobbing gegen den 29-jährigen entwickelte sich zu einer Art Meme, welches auch von anderen populären Youtubern auf der Plattform bestärkt und verbreitet wurde. Nun hat der Youtuber nach der umstrittenen Hass-Demo, bei dem es zu einem Großeinsatz der Polizei und Feuerwehr kam, seinen Kanal stillgelegt. Wie lange er seine Tätigkeit pausieren will, ist unklar. (muz, 23.8.2018)