Das muss man sich erst einmal vorstellen. 600 PS. Mit der Leistung sind wir mitten in der Liga der Supersportwagen wie Ferrari 458 Speciale oder Lamborghini Huracan. Bentley und Rolls-Royce holen aus ihren Zwölfzylindern auch mehr als 600 PS heraus, die Luxussänften spielen aber, wie die ersterwähnten Nagelbretter, in einer ganz anderen Liga.

600 PS offeriert der BMW M5. Das sieht man ihm auf den ersten Blick gar nicht an, außer man ist ein Freund der M-Reihe. Breite Radkästen und die luftgierige Front geben einen Hinweis.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Doch es gibt sie, die Konkurrenz des BMW M5. Genau in die Parade fährt Mercedes-Benz. Genauer gesagt Mercedes-AMG mit der stärksten E-Klasse, dem E 63 S. Und den Nissan GT-R Nismo muss man erwähnen. Ja, wer da jetzt Ferrari und Rolls-Royce sagt, muss auch Nissan sagen.

Die röchelnden Endrohre öffnen dann aber auch Nichtauskennern die Augen.
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Zurück zum Thema. 600 PS. Das sind 100 mehr als im Porsche GT3 RS, der in 3,2 Sekunden von null auf 100 km/h prescht. Der M5 braucht dafür zwei Zehntel länger und reißt dabei einen Spagat, dass einem das Wasser in die Augen schießt. Wäre es kein BMW, würde Walter Röhrl von Tränen der Ergriffenheit sprechen.

Nur zwei Zehntel braucht der M5 länger für den Sprint auf 100 km/h als der Porsche GT3 RS.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Der M5 ist beides: Rennwagen und Nobel-Alltagslimousine. Als Erster kaschiert er seine fast zwei Tonnen, die er mit sich herumschleppt, grandios. Obwohl BMW nun den M zum ersten Mal mit einem Allradantrieb anbietet – ja, der ist ziemlich schwer –, wurde der Wagen leichter. Etwa weil das Dach aus Carbon ist. Oder weil die Abgasanlage leichter wurde.

Der Achtzylinder ist in einem schönen Carbonhäuschen untergebracht. Tiny House, würden die Kollegen von den Immobilien stolz sagen.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Jetzt ist der Allradantrieb aber im Grunde eher etwas für die Alltagsrodler, wird mancher Rundstreckenfahrer einwerfen. Macht ja nichts, kontert BMW. Den Allradantrieb kann man komplett wegschalten und hat dann auf der Rennstrecke wieder einen reinen Hinterradantrieb. Wenn die Auswahl schnell gehen muss, ordert man die zwei roten Knöpfe fürs Lenkrad. Dort hat man dann auf der einen Seite den M-Modus mit Allrad und auf der anderen den M-Modus mit Hinterradantrieb.

Der rote Knopf. Einmal gedrückt, geht das Inferno gleich los.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Der M-Modus, das ist einmal alles ohne Eingriff. Klingt obszön, ist es auch. Volle Leistung und volle Härte treffen auf weggeschaltete Regelsysteme.

Über die roten Knöpfe am Lenkrad lassen sich die beiden M-Eskalationsstufen aktivieren, einmal mit Allradantrieb und einmal mit – schmacht – reinem Hinterradantrieb.
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Das sind Knöpfe, die man im Alltag nicht berühren sollte. Nicht weil man ansatzlos vom Autobahnzubringer fliegen würde, wenn man ohne den nötigen Respekt ans Gas geht. Der M5 lässt sich herrlich durchsichtig wieder einfangen, galant im Grenzbereich bewegen. Das Problem ist ein anderes. Bis man den Eindruck hat, dass man vielleicht etwas zu flott für das geltende Tempolimit sein könnte, hat man die 200 km/h schon lange erledigt. Elf Sekunden stoisch auf dem Gas bleiben ist nur bei Downsizing-Motoren eine gute Idee.

Nach elf Sekunden hat man 200 km/h am Tacho stehen, wenn man es darauf anlegt.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Eingebettet in eine moderne und luxuriöse Limousine, vergisst man leicht, welches Kraftwerk unter der Haube am Werk ist. Der M5 fährt fast autonom durch den Stau, reagiert auf Gesten, nimmt Sprachbefehle an, wie jeder andere 5er auch. Dazu gibt es feines Leder, sportliche Sitze und einen Kofferraum mit 530 Litern, den wir im Test nicht einmal auch nur annähernd mit Einkäufen füllen konnten.

Da helfen auch keine Engelsaugen, wenn ein M5-Logo am Schnoferl prangert.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Das mag Besitzern des M5 auch blühen. Es bleibt nämlich nicht viel Transchlgeld, wenn man nicht gut betucht ist und sich diesen Wagen zulegt. Bei 150.000 Euro geht es los, 190.000 Euro sind realistisch, wenn man die Carbon-Keramik-Bremsen und ein bisserl einen Schnickschnack dazu haben will. Den Fernseher haben wir nicht gebraucht. Ein gut platzierter Taschentuchhalter wäre sinnvoller gewesen.

Allein diese Bremsen kosten mehr als ein Familienurlaub.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Denn man weint nicht nur die Tränen der Ergriffenheit. Da sind auch noch die an der Tankstelle, die beim Finanzamt und die vor harten Exekutivorganen. Einmal niesen, und auf dem Heimweg ist die Hölle los, wenn man dabei unabsichtlich das Gaspedal berührt. (Guido Gluschitsch, 30.8.2018)

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