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1927-2018: Neil Simon ist im Alter von 91 Jahren gestorben.

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Der New Yorker "Heimatdichter" Neil Simon in den 1980ern.

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New York – Neil Simon ist in einer Zeit groß geworden, als die Well-made-Play-Welt noch in Ordnung war. Die 1960er-Jahre bedeuteten seinen Durchbruch. Simon hat über dreißig Stücke geschrieben und etwa noch einmal so viele Drehbücher. Rekordverdächtig an seinem Werk ist aber der Umstand, dass am Broadway 1966 gleich vier seiner Komödien parallel liefen. Keinem anderen Dramatiker ist das gelungen.

Dass er auch der einzige Dramatiker war, nach dem zu Lebzeiten ein Broadway-Theater benannt wurde, ist also nur logisch. Betreffendes 1400-Plätze-Haus an der 52. Straße wird heute vorwiegend für Musicals genützt.

Die Affinität Simons zu leichten Stoffen – zwischenmenschliche Konflikte, individuelle Dilemmata – lässt Theatermacher bis heute die Nase rümpfen, ohne aber davon abzusehen, Simons Komödien heftig abzuspielen. Zuletzt griff das Wiener Volkstheater auf die Brooklyn Memoiren zurück, als es 2016 kurzfristig Ersatz suchte. Simons Werk scheint dazu gemacht, Spielpläne auf die Schnelle zu verarzten und Auslastungszahlen zu garantieren.

Wenn die Fetzen fliegen

Brooklyn Memoiren (1983) ist autobiografisch motiviert. Mit der Figur des jungen Eugene hat sich Neil Simon ein Alter Ego geschaffen, dessen Familie ebenfalls unter der Armut und Angespanntheit der großen Depression zu leiden hatte wie einst seine eigene. Im Simon’schen Elternhaus, seine Eltern waren Nachkommen russischer Immigranten, flogen ob der prekären Lage oft die Fetzen. Und auch aus Simons Ehen – fünf an der Zahl – ist Denkwürdiges überliefert, etwa eine Attacke der Gattin mit einem tiefgefrorenen Kalbskotelett. Bestes Material also für einen Autor, der stets vom Leben abschrieb.

Simon sammelte in seinem New Yorker Leben Figuren und Situationen; so entstanden Hits wie Ein seltsames Paar (verfilmt mit Jack Lemmon und Walter Matthau), Barfuß im Park (verfilmt mit Jane Fonda und Robert Redford) oder Sunny Boys, das unter dem Originaltitel The Sunshine Boys 2003 ein Paradeduett für Gert Voss und Ignaz Kirchner am Akademietheater abgab. Simon schrieb auch das Drehbuch zur grandiosen Krimiparodie Eine Leiche zum Dessert.

Trailer zu "The Odd Couple (Ein seltsames Paar)".
Paramount Movies

Neil Simon, der Mann mit der großen Brille, hätte selbst eine Figur in seinen Stücken abgeben können. Am Sonntag ist der Dramatiker 91-jährig in New York gestorben. Er war mehrfach für einen Oscar nominiert, ohne ihn aber je erhalten zu haben. Im Nachruf der New York Times wird der ehemalige Kritiker Clive Barnes zitiert, der schon früh bemerkte, Neil Simons Schicksal sei, populär und unterschätzt zu sein.

Wie Woody Allen ist auch Neil Simon seiner Heimatstadt New York, wo er 1927 als Sohn eines verarmten Geschäftsmanns in der Bronx geboren wurde, treu geblieben. Beide hatten ihre Karrieren als Sketchschreiber für Radio und Fernsehen begonnen und haben stets der Lebensangst mit Pointen eins ausgewischt. Sie gelten als New Yorker "Heimatdichter" (FAZ), die – jeder für sich – den amerikanischen Humor auf neue Beine gestellt haben.

Simon und Allen mögen keine "best friends" gewesen sein. Aber ein Vorfall hätte beide wohl gleichermaßen inspiriert: Als junger Kinogeher wurde Simon einmal aus dem Saal geschmissen, weil er zu laut gelacht hatte. (Margarete Affenzeller, 27.8.2018)