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Schwieriger Aufstieg? Migranten in Österreich arbeiten oft nicht im Job, den sie gelernt haben.

Foto: Picturedesk

Kinder können auf Schweinen reiten, mit Drachen übers Wasser flitzen und Flugzeuge steuern. Der Familypark im burgenländischen St. Margarethen, eine Autostunde von Wien entfernt, gilt als einer der größten Freizeitparks Österreichs.

Bei gutem Wetter strömen jedes Wochenende tausende Menschen hierher. Ob das noch Österreich oder schon Ungarn ist, lässt sich, einmal im Park angekommen, kaum sagen. Nicht nur, weil Besucher aus beiden Ländern kommen – einen großer Teil der 250 Mitarbeiter im Park machen Ungarn aus. Unter den Kellnern und den Attraction-Operators finden sich kaum Österreicher. Sie würde gern mehr Inländer einstellen, sagt Parkdirektorin Ulrike Müller, sie schalte öfter Anzeigen.

Vergeblich. Zu weite Anreise, zu wenig Geld, zu viele Feiertagsdienste, bekommt sie oft zu hören. "Ohne die Ungarn könnten wir den Betrieb nicht aufrechterhalten", sagt Müller.

Ein Arbeitsmarkt, in dem Inländer eine Minderheit darstellen? In manchen Branchen und Unternehmen ist das Realität. 600.000 Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft arbeiten als unselbstständig Beschäftigte in Österreich. Das entspricht etwa 20 Prozent. Konzentriert sind Migranten im Tourismus und in der Bauwirtschaft tätig. Aber auch im Handel, im Gesundheitswesen und der Industrie arbeiten zehntausende Nichtösterreicher. Es gibt nur wenige Sektoren wie Bergbau oder Energieversorgung, wo es wirklich wenige ausländische Beschäftigte gibt.

Was aber bedeutet das für Arbeitsmarkt und Politik? Sechs Beobachtungen zu einer anhaltenden Transformation:

Migration ist eine Tatsache

Viel ist aktuell die Rede davon, dass Österreich qualifizierte Einwanderer ins Land holen müsse. Doch diese Debatte darf über den Umstand nicht hinwegtäuschen, dass die Politik nur beschränkt steuern kann, wer ins Land kommt. Das hat mehrere Gründe.

Zunächst gilt in der EU die Niederlassungsfreiheit. Bürger aus den übrigen 27 Unionsländern haben den gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt wie Inländer. Lediglich für Kroaten gilt noch eine befristete Ausnahme. Allein in den vergangenen acht Jahren sind 400.000 Menschen aus dem Ausland zusätzlich auf den heimischen Arbeitsmarkt gekommen. Der größte Teil davon bildeten keine Flüchtlinge, sondern Deutsche, Ungarn, Rumänen, Slowaken und Bulgaren.

Menschen aus diesen Ländern werden weiter auf den österreichischen Arbeitsmarkt drängen – nicht nur wegen des gewaltigen Lohngefälles, sondern auch, weil Österreich für sein Gesundheitssystem und die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen geschätzt wird.

Daneben spielt die Familienzusammenführung eine Rolle, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention, aber auch in einer EU-Richtlinie verankert ist. Drittstaatenangehörige haben die Möglichkeit, Ehepartner und minderjährige Kinder nach Österreich nachzuholen, sofern sie diese versorgen können. Das gilt auch für anerkannte Flüchtlinge. Ein großer Teil der Einwanderer kommt nach Österreich, weil hier schon Angehörige leben.

Einwanderung hat einen Preis ...

Der Wiener Ökonom Stefan Schiman vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo hat soeben eine Studie darüber publiziert, wie sich Migration und die Wirtschaftskrise auf den österreichischen Arbeitsmarkt 2011 bis 2015 ausgewirkt haben. Ergebnis: Von zehn neuen Arbeitslosen in dieser Zeit waren vier bis acht eine Folge der Verdrängung durch Zuwanderung.

Die Probleme am Arbeitsmarkt waren also nur zum Teil konjunkturbedingt. Die Phase der erhöhten Arbeitslosigkeit dauerte fünf Jahre. Betroffen waren von der Verdrängung laut dem Arbeitsmarktservice AMS übrigens zumeist Migranten selbst. Den größten Effekt gab es in Wien und Niederösterreich. In Tirol dagegen gab es so gut wie keine Verdrängung.

Eine Studie des industrienahen Instituts Eco Austria hat neben einem Anstieg der Arbeitslosigkeit auch einen lohndämpfenden Effekt durch Zuwanderung festgestellt. Die Auswirkungen sind aber nur marginal: Ohne Zuwanderung aus Osteuropa würden die Löhne im Jahr 2020 im Schnitt um 0,7 Prozent höher ausfallen.

... und bringt etwas

Zugleich sind sich Ökonomen weitgehend einig, dass Österreich wirtschaftlich von Migration profitiert. In der erwähnten Studie des Wifo-Forschers Schiman zeigt sich, dass Migration zu einem stetigen Zuwachs der Beschäftigung geführt hat. So dürften Migranten vielfach Jobs annehmen, die Inländer nicht wollen – Beispiel Märchenpark.

Das sorgt mit der Zeit für ein stärkeres Wirtschaftswachstum, was wieder zu mehr Beschäftigung und einer niedrigeren Arbeitslosigkeit führt. Laut Schiman trägt die Migration aktuell dazu bei, dass die Arbeitslosigkeit sinkt. Als Faustregel gilt, dass nach einer Phase des Umbruchs im Laufe der Zeit die positiven Effekte mehr werden. Positiv wirkt sich Zuwanderung auch für Unternehmer aus: Die erwähnte Eco-Austria-Untersuchung kam zum Ergebnis, dass Migration aus Osteuropa zu einem Anstieg der Unternehmensgewinne von rund zwei Prozent geführt hat.

Den Migranten gibt es nicht

Aber auch diese Kosten-Nutzen-Analyse ist in Wahrheit komplexer. Ob Gastarbeiter in den 1970er-Jahren, die vor dem Bosnienkrieg geflüchteten Menschen in den 1990ern, anerkannte Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan oder EU-Bürger: Jede Einwanderungswelle brachte Menschen mit unterschiedlichen Qualifikationen und Fähigkeiten nach Österreich.

Entsprechend unterschiedlich erfolgreich sind Migranten. Unter Zuwanderern gibt es eine höhere Arbeitslosenquote als unter Österreichern. Aber die Gruppe der Migranten ist nicht homogen: Bei den Bosniern beträgt die Arbeitslosenquote um die acht Prozent, während es bei Serben beinahe 20 Prozent sind.

Viele Osteuropäer sind gut ausgebildet, während aus Afghanistan auch Analphabeten kamen. Eine wichtige Rolle spielt das Geschlecht. Während nur rund jede dritte Türkin beschäftigt ist, sind es unter Bosnierinnen doppelt so viele.

Eine Rolle spielt schließlich, wo Migranten arbeiten. In Wien zum Beispiel sind weniger türkische Frauen berufstätig als in Westösterreich, in Tirol ist die Beschäftigungsquote doppelt so hoch. Über den Grund dafür rätseln Migrationsforscher bis heute.

Durch ihre unterschiedliche Fähigkeit, sich am Arbeitsmarkt einzugliedern, leisten einzelne Gruppen unterschiedliche Beiträge zum Sozialsystem. Die Eco-Austria-Studie besagt, dass Einwanderer aus Osteuropa, aber auch Türken, Nettoeinzahler sind. Geflüchtete dagegen sind länger arbeitslos und auf mehr Leistungen angewiesen, im Schnitt sind sie im Untersuchungszeitraum 2013 bis 2020 Nettoempfänger.

Entscheidend sind die Frauen

Eine Erkenntnis der Migrationsforschung lautet, dass Erfolg oder Misserfolg der Frauen ein entscheidender Faktor dafür ist, wie sich Einwanderer insgesamt bewähren. Das spielt vor allem bei Einwanderern aus stark patriarchalisch geprägten Gesellschaften wie der Türkei oder Afghanistan eine Rolle.

Die Kulturwissenschafterin Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuni Wien sagt, dass Frauen als "Multiplikatoren und Vorbilder" innerhalb der Familie dienen. Frauen ist oft Kindererziehung überlassen.

Wenn sie also Bildung erwerben können, steigen die Chancen, dass sie das an ihre Kinder weitergeben können. Eine besondere Herausforderung sind neben Türken aktuell die Geflüchteten: Nach einer Flucht ist es ein typisches Phänomen, dass die Geburtenrate ansteigt, sagt Kohlenberger, weil Menschen sich in Sicherheit fühlen und der Blick sich wieder nach vorne richtet. Unter der Gruppe der Syrer in Österreich gibt es dazu bereits Beobachtungen.

Eine Folge der Entwicklung ist, dass Integrationsangebote häufiger an Frauen vorbeigehen. Mütter mit Kleinkindern können schwer Deutschkurse besuchen. "Wo sie den Zugang zum Arbeitsmarkt hätten, führt der erste Weg oft in den Mutterschutz", so Kohlenberger. Kulturelle Faktoren verstärken das, wenn Männer nicht wollen, dass ihre Frauen arbeiten gehen oder sie dabei nicht unterstützen. Kinderbetreuung ist eine extra Herausforderung.

Vieles läuft besser

Trotz Schwierigkeiten laufe vieles besser als in der Vergangenheit, sagen Migrationsforscher. Ein Beispiel: Laut Industriestaatenorganisation OECD erreichen auch Migranten nach und nach höhere Bildungsabschlüsse. Im Vergleich zu Inländern sind die Ergebnisse der Zuwanderer jedoch verhalten, wobei Jungen besser abschneiden als Mädchen. Laut OECD ist dabei die Dauer des Kindergartenbesuchs ein wichtiger Faktor.

Bei Migranten ist sie vielfach kürzer, und das dürfte den Bildungsaufstieg erschweren. Das liegt daran, dass Kinder im Kindergarten Deutschkenntnisse und soziale Kompetenzen erwerben. Die Einführung eines verpflichtenden Kindergartenjahres 2009/2010 gilt unter Experten als Schritt in die richtige Richtung. Die türkis-blaue Regierung will ein zweites Pflichtjahr. Einen Termin gibt es nicht.

Positiv sieht die Kulturwissenschafterin Kohlenberger auch das Integrationsjahr: Seit 2017 gibt es eine einheitliche Gesetzesgrundlage für die Integration von Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten. Asylberechtigte sind verpflichtet, eine Integrationserklärung zu unterzeichnen und einen Wertekurs sowie Deutschkurse zu absolvieren. Der Staat muss entsprechende Angebote schaffen. Ein ähnlicher Ausbau der Integrationsangebote beim AMS wurde von Türkis-Blau wieder zurückgenommen.

Der OECD-Migrationsexperte Thomas Liebig sagt: "Es gibt nach wie vor Hindernisse für Integration. Aber es sind weniger als in den 1990er-Jahren." (András Szigetvari, 4.9.2018)