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Die US-Amerikaner können sich aktuell weniger leisten – als Folge von US-Präsident Donald Trumps Steuern auf Produkte, die teilweise in China und anderen Ländern hergestellt wurden.

Foto: REUTERS/Kevin Lamarque

Die Weltwirtschaft ist ein gefährlicherer Ort geworden. Die politische Großwetterlage kann aufgrund einzelner Tweets umschlagen. Der Welthandel ist bedroht. Regelwerke, die mehr soziale Vielfalt bewirken sollten, werden zurückgebaut. Sogar die Unabhängigkeit der Zentralbanken, die zu einer konstant niedrigen Inflation geführt hat, scheint nicht mehr in Stein gemeißelt. Zusätzlich zu dieser politischen und regulatorischen Unsicherheit wandelt sich die Art und Weise, wie die Welt funktioniert, von Grund auf. Neue Technologien, neue Arbeitsweisen und neue Arten, Geld auszugeben, bedeuten, dass sich auch die Handlungsweise von Unternehmen rasant verändert.

Man würde meinen, dass dies für Unternehmen harte Zeiten sind. Aber die Lage ist nicht so trist, wie die Schlagzeilen es vermuten lassen. Die Unternehmen kommen bislang ganz gut mit den Risiken zurecht.

Politische Hintergrundgeräusche

Man sollte nicht vergessen, dass Politiker weniger wichtig sind, als sie glauben. Die meisten politischen Entscheidungen haben langfristige Folgen – gute oder schlechte. Einwanderungspolitik, Infrastrukturprojekte oder Budgetdefizite zeitigen normalerweise keine besonderen Kurzzeiteffekte. Auf kurze Sicht wünschen sich die Menschen Antworten auf zwei Fragen: "Habe ich einen Job?" und "Kann ich mir das leisten, was ich kaufen will?". Für gewöhnlich haben Politiker sehr wenig mit den Antworten auf diese Fragen zu tun.

Das bedeutet, dass Unternehmen kurzfristig einen Gutteil der politischen Hintergrundgeräusche – über Twitter oder nicht – ignorieren können. Ob die Leute Geld ausgeben: Das ist es, worum es in den nächsten ein, zwei Jahren geht. Politische Entscheidungen haben Einfluss auf Investitionsentscheidungen oder darauf, ob mehr Personal aufgenommen wird. Unternehmen haben Zeit genug, um ihre Pläne in diesen Bereichen anzupassen.

Zwist um Zölle

Wie steht es mit der Handelspolitik? Sie verändert die Antwort auf die Frage "Kann ich mir das leisten, was ich kaufen will?", weil Zölle eine Steuer sind, die der Konsument bezahlt. Die US-Amerikaner können sich aktuell weniger leisten, als Folge von US-Präsident Donald Trumps Steuern auf Produkte, die teilweise in China und anderen Ländern hergestellt wurden. Von der US-Zentralbank, der Federal Reserve, durchgeführte Studien zeigen, dass US-Unternehmen auf diese Handelspolitik mit großer Besorgnis reagieren.

Den globalen Handel zu besteuern ist schlecht für die Wirtschaft und schadet den Unternehmen. Dennoch gibt es Grund zur Annahme, dass der Schaden vielleicht nicht allzu groß sein wird. Der aktuelle Handelskrieg ist mit jenem der 1930er-Jahre nicht zu vergleichen. Wir sehen keinen Zusammenbruch des globalen Handels. Vielmehr stellen sich die USA gegen alle anderen. China handelt weiterhin ganz normal mit Europa. Europa handelt weiterhin ganz normal mit Kanada. Kanada handelt weiterhin ganz normal mit Mexiko.

Firmen, die nicht mit den USA handeln, unterliegen einem geringeren Risiko, von den aktuellen Zwistigkeiten in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Der Handelsstreit zwischen den USA und dem Rest der Welt verheißt für US-Unternehmen nichts Gutes. Für Unternehmen aus anderen Ländern stellt er hingegen eine geringere Bedrohung dar.

Man sollte sich vergegenwärtigen, dass nicht viele Unternehmen am globalen Handel teilnehmen. Der Dienstleistungssektor macht den größten Teil aller wichtigen Volkswirtschaften aus. Aber Dienstleistungen werden kaum global gehandelt. Kleinunternehmen machen den größten Teil aller wichtigen Volkswirtschaften aus – aber diese handeln kaum global.

Sogar dort, wo die Handelsaktivität von Unternehmen mit Steuern belegt wird, kann man die Kosten eindämmen. Geringere Zölle, zum Beispiel ein Zoll in Höhe von zehn Prozent, sind kein großes Problem. Mit Währungsumschichtungen kann man den Schaden begrenzen. Außerdem handeln Unternehmen mit komplexeren Wertschöpfungsketten als früher. Das macht es einfacher, den Herstellungsort an einzelnen Stellen anzupassen. So können Unternehmen einige der Handelszölle umgehen, ja möglicherweise sogar bis zu drei Viertel davon vermeiden.

Sozialer Wandel

Politische Veränderungen stellen für Unternehmen also ein weitaus geringeres Risiko dar, als Zeitungen und Fernsehen es uns weismachen wollen. Der soziale Wandel, den neue Technologien nach sich ziehen, bedeutet hingegen weltweit ein viel größeres Risiko für Unternehmen.

Roboter, Automation, Digitalisierung und das Internet machen gemeinsam das aus, was Wirtschaftsforscher die vierte industrielle Revolution nennen. Entscheidend an einer industriellen Revolution ist jedoch nicht die zugrundeliegende Technologie selber. Wirtschaftsforscher finden Technologien eher langweilig. Entscheidend an einer industriellen Revolution ist der Umstand, dass sie die Gesellschaft verändert.

Wie wir arbeiten, wo wir arbeiten und was wir tun: All das wird sich im Lauf der nächsten 20 Jahre ändern. Dieser Wandel wiederum wird das unternehmerische Handeln revolutionieren. Wie Unternehmen Geschäfte machen, wo Unternehmen Geschäfte machen und teilweise auch, was Unternehmen tun: All das wird sich verändern. Was die Kunden von Unternehmen wollen, wo die Kunden von Unternehmen ansässig sein werden und wie die Kunden von Unternehmen zu ihren Produkten kommen: Auch das wird sich verändern.

Inventar besser managen

Manche dieser Veränderungen werden den Unternehmen eine Hilfe dabei sein, sich auf die wachsende Unsicherheit einzustellen. Eine der großen Neuerungen der vergangenen zehn Jahre ist, dass Unternehmen besser darin geworden sind, ihr Inventar zu managen – die Waren, die in Depots und Lagerräumen aufbewahrt werden, um auf gesteigerte Nachfrage reagieren zu können.

Onlinebestellungen und Just-in-time-Lieferungen bedeuten, dass Unternehmen keinen so hohen Lagerstand mehr halten müssen wie früher. Das ist wichtig. Rezessionen verschlimmern sich, wenn Unternehmen ihre Lagerhaltung reduzieren. Wenn Unternehmen besser darin werden, ihren Lagerbestand zu planen, dann könnten künftige Rezessionen weniger starke Einschnitte nach sich ziehen. Das reduziert die Unsicherheit und das Risiko. Das Auf und Ab der Wirtschaftslage sollte in Zukunft weniger dramatisch sein. Dadurch sollten Unternehmen besser planen können.

Andere Veränderungen lassen sich weniger leicht vorhersagen. Geschäftsmodelle werden sich wandeln. Wertschöpfungsketten könnten sich verkürzen. Manche Unternehmensgegenstände werden aussterben. VHS-Videokassetten wurden von DVDs ersetzt. Und inzwischen kauft niemand mehr DVDs. Heute wird mehr als die Hälfte des weltweiten Unterhaltungsvolumens inklusive Musik, Fernsehen und Computerspiele heruntergeladen oder gestreamt. Unternehmen haben die Wahl: sich neu zu orientieren oder unterzugehen.

Kultur der Vielfalt

Wie überleben Unternehmen die bevorstehenden Veränderungen? Indem sie eine Kultur der Vielfalt propagieren, in der Mitarbeiter einander (heraus)fordern können. Wandel ist immer schwierig. Menschen, Unternehmen und Länder bewerkstelligen Veränderung dann am besten, wenn eine große Auswahl an unterschiedlichen Meinungen zur Verfügung steht. Diese Meinungen müssen gehört werden – so lässt man Veränderung zu. Unternehmen können sich in der sich wandelnden Welt behaupten, vorausgesetzt, das Management vergisst nicht, was das wichtigste Gut eines jeden Unternehmens ist: die Menschen, die für das Unternehmen arbeiten. (Paul Donovan, Übersetzung: Alma Gehleicht, 28.8.2018)