Russische und regimetreue syrische Soldaten Seite an Seite in der Provinz Idlib. Porträts der Präsidenten Assad und Putin machen klar, mit wem man es hier zu tun hat.

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Russland hat am Dienstagabend eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats wegen der Lage in Idlib einberufen. Die syrische Armee bereitet nach Einschätzung von Kriegsbeobachtern eine Offensive gegen die letzte von Assad-Gegnern gehaltene Provinz vor. In der Region sind islamistische Gruppierungen und Jihadisten tonangebend.

Zuletzt hatten US-Präsident Donald Trump und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sich in einem Telefonat über die Lage ausgetauscht und Russland dazu aufgerufen, "mäßigend auf das syrische Regime einzuwirken und eine weitere Eskalation zu verhindern".

Laut dem russischen Militär wird diese Eskalation jedoch von Washington betrieben: Igor Konaschenkow, offizieller Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, warf den USA und Großbritannien vor, die Inszenierung eines Giftgasangriffs in Idlib zu planen. Dieser solle dann als Vorwand für neue Luftangriffe verwendet werden.

In das Komplott sind laut Konaschenkow auch die britische private Sicherheitsfirma Olive Group und die syrische Zivilschutzorganisation Weißhelme verwickelt. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Moskau Letztere vorknöpft: Sie werden in Russland als Terrorhelfer angesehen, die schon mehrfach Giftgasangriffe inszeniert haben sollen, um Bashar al-Assad in Misskredit zu bringen und den Westen zu Luftschlägen zu provozieren.

Für den bevorstehenden Angriff spräche auch die steigende Militärpräsenz der Amerikaner im Mittelmeer. Laut Konaschenkow ist zuletzt der mit Marschflugkörpern ausgestattete Zerstörer USS Ross ins Mittelmeer eingelaufen, während auf der anderen Seite, im Persischen Golf, die USS The Sullivans lauere. Zusätzlich hätten die USA einen strategischen Bomber B-1 auf ihren Stützpunkt in Katar überführt, so Konaschenkow.

Russland hat auf die angeblichen Truppenmanöver der USA mit der Stärkung der eigenen Präsenz in Syrien und vor der Küste reagiert. Derzeit liegen Schiffe von gleich drei verschiedenen Flotten vor Tartus: Neben der Schwarzmeer- und der baltischen Flotte operieren nun auch Schiffe der Nordflotte vor der syrischen Küste.

Flotte in Rekordstärke

Insgesamt umfasst das russische Geschwader zehn Kriegsschiffe und zwei U-Boote. Das ist ein Rekord seit Beginn der russischen Militäroperation in Syrien. Zuletzt wurden die Fregatten der Schwarzmeerflotte Admiral Grigorowitsch und Admiral Essen in das Mittelmeer beordert. Beide Schiffe sind mit den modernen Lenkwaffenraketen Kalibr ausgestattet, die unter anderem auch im U-Boot-Kampf eingesetzt werden können.

Daneben hat Russland auch seine Luftabwehr in Syrien gestärkt. Medienberichten zufolge hat das Verteidigungsministerium eine Batterie des Kurzstrecken-Flugabwehrraketenkomplexes Tor-M2 nach Hmeimim abkommandiert. Die seit Ende der 1990er-Jahre entwickelten Tor-M2-Raketen dienen der Bekämpfung von Kampfflugzeugen und Marschflugkörpern. Die Maßnahme soll nach der Kenntnis der Ergebnisse der US-Luftangriffe im April in Syrien ergriffen worden sein, heißt es.

Gestärkt wurde zugleich die syrische Luftabwehr, die mit allerdings älteren Systemen der Typen S-200, S-125 und Osa (Wespe) aufgerüstet wurde.

Bei den gemeinsam von den USA, Großbritannien und Frankreich durchgeführten Luftangriffen auf Damaskus und Homs im vergangenen April war die russische Führung vorab über die Ziele informiert worden, um eine Eskalation des Konflikts zu vermeiden. Ob US-Sicherheitsberater John Bolton diesmal ebenfalls seinen "Kollegen", den Chef des russischen Sicherheitsrats Nikolai Patruschew, vor einem möglichen Angriff gewarnt habe, wollte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nicht kommentieren.

Allerdings würde auch ein massiver Luftangriff nichts an den Machtverhältnissen auf dem Boden ändern. Russland bastelt daher weiter an der Nachkriegsordnung in Syrien. Entsprechende russisch-türkisch-iranische Verhandlungen sollen am 7. September in der iranischen Millionenstadt Täbris stattfinden. Speziell die Beteiligung des Irans an der politischen Ausrichtung Syriens stößt in Israel, aber auch in den USA auf massiven Widerstand. (André Ballin, 29.8.2018)