Technologisch hat China längst aufgerüstet. Robotik zählt zu den vom Staat massiv gepuschten Zukunftsfeldern.

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Dietmar Schweisgut (67) ist EU-Botschafter in China. Davor war er bereits als österreichischer Botschafter in Peking, Brüssel und Tokio.

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Projekte wie künstliche Inseln für Militärstützpunkte im südchinesischen Meer seien es, die den globalen Fußabruck Chinas immer sichtbarer machen, meint Dietmar Schweisgut. Beim Megaprojekt Seidenstraße ortet er zusehends Widerstände, vor allem ob der intransparenten Auftragsvergabe. Dass China demnächst essenzielle Schritte in Richtung Marktöffnung machen werde, kann er sich gut vorstellen. Diesbezüglich hegt er große Hoffnungen auf europäische Investitionen im Finanz- und Automobilsektor. Und um bereits Folgen des Handelsstreits mit der USA zu erkennen, sei es laut Schweisgut noch zu früh. Dass China die EU-Staaten als Trojanisches Pferd instrumentalisieren möchte, glaubt er allerdings nicht.

STANDARD: Seit die USA einen Handelsstreit mit China angezettelt haben, gab es einige Ankündigungen Pekings zu einer Öffnung des Marktes. Gibt es da echte Fortschritte?

Schweisgut: Ich bin da immer etwas vorsichtig. Derartige Ankündigungen hat es in den letzten Jahren häufig gegeben. Präsident Xi Jinping hat China schon in Davos als Champion der Globalisierung dargestellt. Die Europäische Handelskammer in China hat dazu gemeint, es gebe zu viele Versprechungen und zu wenig Umsetzung. Allerdings ist die jetzige Situation wegen des Drucks der Trump-Administration schon eine andere. Ich würde nicht ausschließen, dass es in nächster Zeit zu substanziellen Schritten in Richtung Marktöffnung kommt.

STANDARD: Wo hegen Sie die größten Hoffnungen?

Schweisgut: Der Schwerpunkt aus europäischer Sicht liegt bei den Investitionen. Hier gab es Ankündigungen beim Zugang im Finanzbereich sowie Zollsenkungen, beispielsweise im Automobilsektor. Peking hat das noch für heuer angekündigt. Dazu kommt der wichtige Bereich der Investitionen in sensiblen Bereichen wie beispielsweise der Autoindustrie, in der Beteiligungen derzeit mit 49 Prozent beschränkt sind. Es gibt also eine chinesische Mehrheit. Auch hier soll eine Lockerung kommen, allerdings sind die Strukturen verfestigt. Der ausländische Partner hat in der Regel gar kein Interesse, eine Mehrheit zu erwerben. Das wäre teuer und würde den Status kaum ändern.

STANDARD: Und abseits der Investitionen und Handelsschranken?

Schweisgut: Fast noch wichtiger sind die staatlichen Subventionen, die zu Überkapazitäten und Wettbewerbsverzerrungen führen. Das reicht von der Stahl- und Aluminiumproduktion bis hin zum Programm Made in China, mit dem wichtige Technologien wie Robotik, Luftfahrt oder künstliche Intelligenz gefördert werden. Hier gibt es massive Bestrebungen, den staatseigenen Bereich zu forcieren. Dazu kommt der staatliche Einfluss auf Private, beispielsweise im IT-Sektor. Hier reicht sanfter Druck, um gewünschte Investitionen auszulösen.

STANDARD: Wie groß ist das Problem des Know-how-Abzugs?

Schweisgut: Es gibt viele Klagen ausländischer Firmen in China über erzwungenen Technologietransfer, gerade in Schlüsselsektoren. Das bremst die Investitionen. Hier hat die Welthandelsarchitektur noch keine Antworten, wir haben China aber überzeugt, dass es hier zu Reformen kommen muss. Das ist ein Erfolg der europäischen Politik.

STANDARD: Wie stark treffen die US-Sanktionen die chinesische Wirtschaft?

Schweisgut: Es wäre zu früh zu sagen, dass es schon Wachstumseinbrüche gibt. Aber je länger das dauert und je stärker das eskaliert, desto größer ist die Beeinträchtigung des Handels. Klar ist aus meiner Sicht, dass der Konflikt für China einen Anreiz darstellt, seine Bestrebungen zu intensivieren. China wird sich von den USA sicher nicht erpressen lassen.

STANDARD: Die chinesischen Auslandsinvestitionen sind im ersten Halbjahr deutlich zurückgegangen. Ist der Kaufrausch vorbei?

Schweisgut: Nach einer Explosion der Auslandsinvestitionen 2016 sehen wir Rückgänge. Das geht zum Teil darauf zurück, dass gewisse Investitionen nicht als produktiv angesehen werden. Teilweise hängt der Rückgang mit Finanzierungsproblemen zusammen. Möglicherweise spielt auch eine Rolle, dass chinesische Investitionen in Europa unter dem Gesichtspunkt der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung genauer unter die Lupe genommen werden.

STANDARD: China hat das bereits als protektionistisch kritisiert.

Schweisgut: Aufgrund dieses Titels wurde bisher noch keine einzige chinesische Investition unterbunden. Angesichts der Restriktionen für ausländische Investitionen in China klingt der Vorwurf etwas hohl.

STANDARD: Die Skepsis hat auch mit dem Megaprojekt Seidenstraße zu tun. Warum verstärkt sich die Kritik am Ausbau der internationalen Transportwege durch China?

Schweisgut: Das hängt mit der mangelnden Transparenz und verschiedenen Bestimmungen zusammen, beispielsweise der Auftragsvergabe. Die geht zu 90 Prozent an chinesische Staatsfirmen. Da ist ein massives Eigeninteresse damit verbunden, das auch einige Widerstände auslöst. Dazu kommt die steigende Verschuldung in Ländern, in denen China den Infrastrukturausbau finanziert. Sri Lanka ist ein Beispiel, dort hat China einen Hafen für 99 Jahre übernommen, weil die Kredite nicht beglichen wurden. In Malaysia sagt die neue Regierung, die Projekte seien nicht tragbar. Auch auf dem Westbalkan gibt es Themen. Beispielsweise eine von China finanzierte Autobahn von Montenegro nach Serbien. Allein dieses Projekt bewirkt eine Verschuldung, die 30 Prozent des montenegrinischen BIP ausmacht. Da gibt es auch schon Warnungen des Währungsfonds. Ich sehe da aber auch einen gewissen Fortschritt im Umgang Chinas mit dem Thema.

STANDARD: China macht auch Druck, um im Rahmen von Seidenstraßen-Verträgen einzelne EU-Staaten auf seine Seite zu ziehen.

Schweisgut: China verfolgt mit den mittlerweile 70 bilateralen Memoranden natürlich Eigeninteressen. Aber es gibt sicher keine Absicht, EU-Staaten als trojanisches Pferd in der Union zu instrumentalisieren. Auch in den Verhandlungen mit Österreich wurde nie gefordert, dass Wien chinesische Interessen in der EU verfolgen soll.

STANDARD: Wie bewerten Sie die wachsende politische und militärische Rolle Chinas?

Schweisgut: Mit Wirtschaftsmacht kommen politische Macht und militärische Stärke. Das sieht man an China deutlich. Der Global Footprint wird immer mehr sichtbar. Nicht nur im Südchinesischen Meer, wo eindeutig die Absicht besteht, ein Mare nostrum zu bauen. Da wird auch die Errichtung künstlicher Inseln als Militärstützpunkte vorangetrieben. Wir sehen das aber auch im Rahmen der Seidenstraße. In Dschibuti beispielsweise wurde erstmals ein Militärstützpunkt errichtet. (Andreas Schnauder, 29.8.2018)