Die kosovarische Oppositionspartei Vetëvendosje macht seit Jahren mobil gegen die EU-Mission im Kosovo – nun spricht sie sich strikt gegen jegliche Grenzänderungen aus.

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Am Montag war der Westbalkan Thema beim Telefonat zwischen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump. Die USA sind für Grenzänderungen, Deutschland ist dagegen.

Als Grundlage dafür ist bisher nur ein Papier namens "West Side Story" vom Zentrum für Euroatlantische Studien in Belgrad bekannt, das im Juni veröffentlicht wurde. In diesem werden "Korrekturen der Linie" zwischen dem Kosovo und Serbien vorgeschlagen. Danach sollten auch Grenzstreitigkeiten zwischen Serbien, Bosnien-Herzegowina und Kroatien bereinigt werden. Das Ganze solle den Stillstand des Normalisierungsprozesses zwischen Kosovo und Serbien beenden.

Vieles nicht umgesetzt

Tatsächlich wurden viele getroffene Vereinbarungen im EU-geführten Dialog – etwa der Verband der serbischen Gemeinden – noch nicht umgesetzt. Grenzänderungen waren aber bisher kein Thema. Die EU und die USA folgten in dieser Frage einer Politik, die 1991 festgelegt wurde.

Die sogenannte Badinter-Kommission trennte Territorialität von der ethnischen Zugehörigkeit und sah die ehemaligen inneren Grenzen Jugoslawiens als Grenzen der Nachfolgestaaten. Dieses Prinzip – genannt "uti possidetis" – wurde auch beim Zerfall der Sowjetunion angewandt. "Grenzänderungen nach ethnischen Kriterien bergen immer das Risiko, dass eine Konfliktpartei das als Freibrief interpretiert, Minderheiten zu vertreiben", erklärt der Südosteuropa-Historiker Florian Bieber. Sollten nun albanisch besiedelte gegen serbisch besiedelte Dörfer ausgetauscht werden, wäre das ein rechtlicher und ein inhaltlicher Paradigmenwechsel.

Implizite Anerkennung des Kosovo

Der Völkerrechtler August Reinisch von der Universität Wien betont, dass es zulässig ist, ein Gebiet abzutreten oder einen Gebietstausch zu machen. So habe etwa Russland den USA Alaska "verkauft". Falls es zu einem Vertrag zwischen dem Kosovo und Serbien kommen würde, würde Serbien damit implizit Kosovo als Staat anerkennen.

"Wir sollten von außen keine Grenzänderungen forcieren. Wenn man damit anfängt, dann gerät vieles durcheinander", meint der CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok. "Aber wenn sich beide Seiten von vornherein darauf verständigen, dann ist das etwas anderes."

Die demokratische Legitimation einer Gebietsveränderung ist eine Frage der Verfassung. Dafür braucht man Zweidrittelmehrheiten im Parlament, mitunter auch ein Referendum. Mehrheiten sind im Kosovo zurzeit nicht in Aussicht. Premier Ramush Haradinaj spricht sich dagegen aus, ebenso die Oppositionsparteien Vetëvendosje und LDK. Die LDK will – wenn der kosovarische Präsident Hashim Thaçi und sein serbischer Amtskollege Aleksandar Vučić ihre Pläne am 7. September der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in Brüssel vorlegen – eine Sitzung des Parlaments einberufen.

Angst vor Präzedenzfall

Völkerrechtler Reinisch räumt ein, dass es sich auch um einen "gewissen Präzedenzfall" handeln würde. Genau diesen fürchtet man in Bosnien-Herzegowina. Der Politiker Emir Suljagic sagte etwa dem STANDARD : "Serbische und kroatische Nationalisten investieren viel in Grenzänderungen, um einen Präzedenzfall zu schaffen, den sie brauchen, um ihre Agenda durchzuführen." Nach dem Kosovo-Serbien-Abkommen würden sie Bosnien-Herzegowina ins Visier nehmen, denkt er. "Das wird zwangsläufig zu Gewalt führen."

Der Politologe Jasmin Mujanovic meint: "Wenn wir etwas aus der postosmanischen Geschichte der Region gelernt haben, dann dass 'ethnische Teilung' ein Synonym für Konflikte ist." In Serbien ist die orthodoxe Kirche gegen eine Teilung – denn die wichtigsten orthodoxen Klöster befinden sich im Südkosovo. (Adelheid Wölfl, 29.8.2018)