Schon lange beschäftigt sich die EU mit der Sommer- und der Winterzeit.

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Berlin – Die EU-Kommission will die zweimal jährlich stattfindende Zeitumstellung abschaffen. Die Kommission werde einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorlegen, kündigte die zuständige Verkehrskommissarin Violeta Bulc am Freitag an.

Sie begründet das mit dem Resultat der öffentlichen Onlinebefragung. "Das Ergebnis ist sehr klar: 84 Prozent wollen die Uhren nicht mehr umstellen", so Bulc. Über den Gesetzesvorschlag müssen die EU-Staaten und das Europaparlament entscheiden.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte am Freitagmorgen bereits im ZDF erklärt, die Zeitumstellung kippen zu wollen. Millionen Bürger, die auf die Umfrage geantwortet hätten, "sind der Auffassung, dass es so sein sollte, dass die Sommerzeit für alle Zeit gilt. So wird es auch kommen." Er werde in der Kommission für die Abschaffung werben.

Es wäre sinnlos, die Menschen erst zu einem Thema zu befragen und dann, wenn es einem nicht passe, dem Ergebnis nicht zu folgen, so Juncker. "Die Menschen wollen das, wir machen das."

In der Onlineumfrage der EU hatten sich mehr als 80 Prozent der 4,6 Millionen Teilnehmer dafür ausgesprochen, die Zeitumstellung abzuschaffen. Allerdings leben in der EU mehr als 500 Millionen Menschen, die Teilnehmer machen daher nur etwa ein Prozent der Bevölkerung aus. Von ihnen kamen außerdem laut Medienberichten rund zwei Drittel – etwa drei Millionen – allein aus Deutschland.

Idee zur Sommerzeit von Benjamin Franklin

Die erste Idee zur Sommerzeit hatte der US-Politiker und Erfinder Benjamin Franklin im Jahr 1784. Er wollte, dass Arbeiter, die früh aufstehen, weniger Kerzen verbrauchen. Vom Einfall zur Umsetzung war es allerdings ein weiter Weg. Der britische Unternehmer William Willett plädierte 1907 in einem Flugblatt dafür, dass die Menschen durch eine Zeitumstellung früher zu arbeiten beginnen. Sein Ururenkel beschäftigte sich im Jahr 2002 übrigens wieder mit dem Konzept der Zeit: Coldplay-Sänger Chris Martin veröffentlichte damals den Song "Clocks".

In Österreich gab es 1916 zwar versuchsweise bereits eine Sommerzeit, doch dauerte es bis 1979, bis sie sich durchsetzte. Grund für die Verzögerung waren der bürokratische Aufwand und die Harmonisierung des Verkehrs mit Deutschland und der Schweiz. 1996 wurde die Zeitumstellung dann zu einer einheitlichen EU-weiten Regelung.

Österreicher für die Abschaffung

Würde man sich EU-weit auf die Beibehaltung der Sommerzeit einigen, würde in Wien im Jänner die Sonne erst um 8.45 Uhr aufgehen. In Madrid hingegen erst um 9.38 Uhr oder in Stockholm um 9.45 Uhr. Die Grundidee der Zeitumstellung – nämlich Energie zu sparen – wäre somit verworfen.

Die Österreicher sind dennoch mehrheitlich für die Abschaffung der Zeitumstellung, wie eine Studie des Linzer Meinungsforschungsinstitut Spectra zeigt.

Das Ergebnis der EU-Befragung dürfte nicht ignoriert werden, hieß es auch von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) am Freitag. "Es ist ein Auftrag zur Überarbeitung der bestehenden Regelung." Schramböck sprach sich für eine dauerhafte Sommerzeit aus.

Kein gesamtwirtschaftlicher Nutzen

Zum Thema Zeitumstellung habe es zahlreiche Beschwerden aus der Bevölkerung gegeben, berichtet die Ressortchefin. Auch gebe es keinen gesamtwirtschaftlichen Nutzen. "Die EU-Kommission ist jetzt gefordert, einen praktikablen Vorschlag vorzulegen. Ziel sollte eine einheitliche Regelung für alle EU-Mitgliedsstaaten sein", sagte Schramböck.

Hofer, der bereits im Verkehrsministerrat Anfang Juni den Vorschlag seiner finnischen Amtskollegin Anne-Catherine Berner, die Zeitumstellung abzuschaffen, unterstützt habe, sei "gerne bereit, rasch zu handeln". Er werde Kommissarin Violeta Bulc in Verbindung setzen und sie bitten, das Thema beim Informellen Rat der Verkehrsminister Ende Oktober auf die Agenda zu setzen.

Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich am Freitag für die Abschaffung der Zeitumstellung aus.

Details noch offen

Obwohl die Kommission nun zu der Umfrage Stellung genommen hat, sind eigentlich noch keine offiziellen Ergebnisse bekannt – bisherige Daten sind lediglich über Medien durchgesickert. Verbindlich wären die Ergebnisse aber ohnehin ebenso wenig wie das der gesamten Umfrage: Diese hat nur konsultativen Charakter, die Kommission ist eigentlich nicht daran gebunden. Und die Wahl, welche Zeitzone ganzjährig beibehalten werden soll, müsste ohnehin jedes Land für sich treffen.

Juncker erklärte in dem Interview, dass nach dem Werben in der Kommission der Vorschlag ins EU-Parlament getragen werde, wonach er auch von den Mitgliedsstaaten abgesegnet werden müsste. Einer endgültigen Entscheidung würde in jedem Fall ein längeres Verfahren im Europäischen Parlament vorausgehen. Auch der Rat der Europäischen Union – der Rat der Fachminister der einzelnen Staaten – müsste dann Einigkeit darüber erzielen.

Ob es diese geben würde, ist alles andere als sicher. Während viele Staaten im Westen der EU keine Änderung wollen, gibt es zahlreiche Fürsprecher im Norden und Osten. Zudem ist die Entscheidung an wirtschaftliche Interessen gebunden, etwa an die praktikable Zusammenarbeit mit Nachbarländern.

Die EU-Kommission geht aber davon aus, dass die Abschaffung im Frühjahr 2019 noch nicht abgeschlossen sein wird. Denn auf die Frage, ob sich durch die Abschaffung die britische EU-Mitgliedschaft um eine Stunde verlängert oder verkürzt, sagte ein EU-Kommissionssprecher: "Ich nehme an, dass das länger dauert als bis März 2019." (bbl, APA, Reuters, 31.8.2018)