Dass die EU-Kommission aufgrund einer Online-Umfrage, an der weniger als ein Prozent der EU-Bürger teilgenommen hat, das Ende der Zeitumstellung ausruft, ist absurd. Eine solche freiwillige Umfrage ist nicht repräsentativ; die Gegner einer Maßnahme sind meist viel motivierter als die Befürworter des Status quo. Dies als Votum der Europäer zu sehen ist eine Perversion der direkten Demokratie.

Doch in einem anderen Sinn hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker recht: Die halbjährliche Zeitumstellung wird von sehr vielen Menschen als eine von oben – sprich von Brüssel – aufgezwungene Zumutung gesehen und schürt dadurch auch die antieuropäische Stimmung. Es ist kein Zufall, dass rechtspopulistische Parteien wie die FPÖ sich voll auf das Thema setzen und auch die ÖVP auf den Antizeitumstellungskurs eingeschwenkt ist. Wer nur auf Volkes Stimme hört, der ist dagegen.

Aus sachlicher Sicht gibt es keine gute Antwort: Die Studien, die gesundheitliche Schäden durch das Drehen an der Uhr feststellen, sind wissenschaftlich fragwürdig und letztlich unplausibel: Dass eine Stunde früher oder später aufzustehen krank macht, ist nicht wahrscheinlich. Aber genauso wenig überzeugen die ursprünglichen Argumente, wonach die Sommerzeit Strom und Energie spart. Das tut sie wahrscheinlich in nur ganz geringem Ausmaß.

Eine Frage der Lebensqualität

Es ist alles eine Frage der Lebensqualität. Eine Stunde mehr Licht an Sommerabenden zu haben ist für viele einfach schön, anderen weniger wichtig. Vor- und Nachteile hängen auch davon ob, wo man in der Zeitzone lebt – im Osten wie in Wien oder mehr im Westen.

Was also tun? Bleibt man bei der Winterzeit, verliert man im Sommer abends eine Stunde Licht und hat dafür etwa in Österreich die Sonne schon um fünf Uhr morgens im Schlafzimmer. Das ganze Jahr bei der Sommerzeit zu bleiben, was offenbar die Mehrheit der Befragten will, würde wiederum im Winter Probleme machen. In Paris ginge die Sonne dann im Dezember erst um 9.44 Uhr auf. Und Europa würde dann einfach seine Zeitzone nach Osten verschieben und die Menschen praktisch dazu zwingen, früher aufzustehen. Auch das ist nicht unbedingt populär.

Drei Varianten ausprobieren

Aber in einem demokratischen Europa sollten die Menschen eine Mitsprache haben bei einer so wichtigen, aber letztlich im Vergleich zu anderen Themen folgenlosen Frage. Bloß war die Online-Umfrage nicht das richtige Instrument dafür. Sinnvoll wäre es, in den kommenden Jahren einige Varianten auszuprobieren – also etwa im Oktober 2019 noch ein Jahr bei der Sommerzeit zu bleiben und im Oktober 2020 auf ein Jahr Winterzeit zu wechseln. Im Herbst 2021 könnte man die Europäer noch einmal befragen.

Dann besteht eine größere Chance, dass eine repräsentative Zahl von Bürgerinnen und Bürgern sich beteiligt. Denn nach drei Jahren der Versuche hätte wohl jeder dazu eine Meinung. Und Europa wäre dann wirklich nah an seinen Bürgern.

Wichtig ist, dass die EU-Staaten im Gleichschritt handeln. Sonst bricht in Europa das Chaos aus. Es wäre außerdem ein schlimmes Signal, wenn das Kerngebiet des Kontinents nicht einmal mehr eine gemeinsame Zeit hätte. (Eric Frey, 31.8.2018)