Deutschlands Außenminister Heiko Maas bezeichnete die Pläne in Belgrad und Prishtina als "nicht zielführend".

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EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini (rechts) lehnte es bei der abschließenden Pressekonferenz mit Außenministerin Karin Kneissl ab, einzelne Länderbeiträge zu kommentieren.

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Geht es nach Außenministerin Karin Kneissl, dann war das Treffen der EU-Außenminister in Wien ein großer Erfolg. Zumindest atmosphärisch. Die Gespräche beim gemeinsamen Abendessen am Donnerstag seien bis in die Nacht "sehr, sehr angenehm" gewesen. Man sei in den Problemthemen ein Stück weitergekommen, berichtete Kneissl am zweiten Verhandlungstag.

Und um das noch zu unterstreichen, erzählte sie, dass sie mit ihrem griechischen, polnischen und rumänischen Amtskollegen "einige Samba- und Bossa-Nova-Runden gedreht" habe – und speziell auch mit dem britischen Chefdiplomaten Jeremy Hunt, der "ein guter Tänzer" sei. Derartiges sei in der Diplomatie oft wichtiger, als sich "wechselseitig Policy-Briefing-Notes" um die Ohren zu hauen", sprich: einander Positionspapiere vorzulesen. Ob alle anderen EU-Außenminister angesichts der Aufregungen um Kneissls Hochzeitswalzer samt Knicks vor dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin darüber auch amüsiert waren, wurde nicht überliefert. Das Treffen – nach dem ersten Austragungsort in Deutschland kurz "Gymnich" genannt – hat informellen Charakter ohne Beschlüsse, weshalb EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini es bei der abschließenden Pressekonferenz auch ablehnte, einzelne Länderbeiträge zu kommentieren.

Umso turbulenter und widersprüchlicher waren die Ministerdebatten am zweiten Tag. Hatte man Donnerstag zum Thema Migration bzw. zur EU-Mission Sophia im Mittelmeer heftig gestritten (Italien droht mit dem Ausstieg, sollten die EU-Partner nicht bereit sein, Migranten aufzunehmen), so standen am Freitag die EU-Erweiterung auf dem Westbalkan bzw. Pläne von Gebietsverschiebungen zwischen Serbien und dem Kosovo im Zentrum.

Neue alte Unsicherheit

Die Präsidenten von Serbien und dem Kosovo, Aleksandar Vučić und Hashim Thaçi, scheinen sich einig zu sein, kleinere Gebiete im jeweils anderen Land zu tauschen und einander dann als souveräne Staaten wechselseitig anzuerkennen, was Serbien bisher strikt ablehnte. Durch diese Pläne ist nun neue Unsicherheit entstanden. Die Wunden aus den Jugoslawienkriegen der 1990er-Jahre scheinen wieder aufzubrechen, wie sich bei den Außenministern in Wien zeigte.

In einem Teil der Beratungen waren auch die Minister aus den beitrittswerbenden Staaten des Westbalkans sowie der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu geladen. Fünf EU-Staaten haben den Kosovo, der sich 2008 als unabhängig von Serbien erklärte, noch immer nicht anerkannt – darunter Spanien. Das Land, das mit den Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien zu kämpfen hat, spricht sich vehement gegen Versuche aus, nun zwischen Serbien und Kosovo Teilgebiete auszutauschen. Damit könnte man ein gefährliches Präjudiz schaffen, argumentierte Außenminister Josep Borrell. Auf gleicher Linie bewegte sich dessen deutscher Kollege Heiko Maas, der die Pläne in Belgrad und Prishtina als "nicht zielführend" betrachtet.

Gemeinsame Wirtschaftszone

Wie unsicher es ist, dass solch ein Gebietstausch auch wirklich umsetzbar ist, brachte der serbische Außenminister Ivica Dačić in Wien auf den Punkt: Er sei nicht sicher, ob die kosovarische Seite einen Deal überhaupt wolle. Der kosovarische Außenminister Behgjed Pacolli erklärte, er finde es "lächerlich, heute über Grenzen zu sprechen". Kosovo und Serbien müssten eine gemeinsame Wirtschaftszone schaffen.

Optimistischer äußerte sich Mogherini. Der Dialog, den Brüssel stark unterstützt, werde nächste Woche fortgesetzt. Es seien noch viele Hürden zu überwinden. Aber: "Wie ein wechselseitig akzeptiertes Ergebnis auch aussehen wird, wir werden es unterstützen", erklärte Mogherini.

Fast wortgleich hatte sich bereits Bundeskanzler Sebastian Kurz am Montag in Alpbach geäußert. Seine Außenministerin äußerte hingegen "große Skepsis".

Türkei-Frage bleibt ungeklärt

Keinerlei Fortschritte gab es in der Türkei-Frage: Çavuşoğlu erklärte den Wunsch, die EU-Beitrittsverhandlungen fortzusetzen. Ausdrücklich lobte er die österreichische Außenministerin. Die EU-Staaten lehnen das unter Verweis auf die nach wie vor schlimme Lage der Justiz und der Menschenrechte ab.

Wenig Neues brachten die Gespräche zu Syrien. Mogherini appellierte an die syrische Regierung, die Lage in Idlib nicht militärisch zu lösen, ein Angriff würde zu einer humanitären Katastrophe führen. (Thomas Mayer, 31.8.2018)