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Auch die Anhebung des Leitzinses auf 60 Prozent konnte den Verfall des Argentinischen Peso nicht stoppen.

Foto: AP Photo/Jorge Saenz

Böse Erinnerungen wurden in dieser Woche geweckt. Nach der Türkei und Argentinien standen an den Finanzmärkten auch die Währungen und Anleihen anderer Schwellenländer enorm unter Druck. Die indische Rupie stürzte auf ein Rekordtief zum US-Dollar und die indonesische auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren, also dem Höhepunkt der Asien-Krise der späten 1990er-Jahre. Während eines kreditfinanzierten Booms waren Finanzblasen entstanden, deren Platzen sich in weiterer Folge zu einem Flächenbrand der gesamten Region ausweitete.

Wird sich die derzeitige Kapitalflucht neuerlich zu einer Krise der Schwellenländer ausweiten? Nein, sagt Fritz Mostböck, Chefanalyst der Erste Group. Denn seiner Ansicht nach sind die Probleme in der Türkei und in Argentinien weitgehend hausgemacht. "Indien ist in einer anderen Situation und hat keine Probleme", erklärt Mostböck und fügt über Indonesien hinzu: "Das ist ein wirtschaftlich weit fortgeschrittener Staat, den sehe ich auch nicht unmittelbar in Gefahr."

Im Gegensatz dazu steht die Türkei dem Analysten zufolge politisch teilweise isoliert da. "Wenn ein Präsident offen die Notenbank beeinflusst, wird das von den internationalen Investoren nicht gut aufgefasst", betont Mostböck. Wiederholt hat sich Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan gegen Zinserhöhungen wegen der hohen Inflation, immerhin fast 16 Prozent auf Jahressicht, starkgemacht, um das Wirtschaftswachstum nicht abzuwürgen.

Am Freitag erhöhte dafür die türkische Regierung Steuern auf Guthaben in ausländischer Währung massiv, um die angeschlagene Landeswährung zu stützen, womit die Talfahrt der Lira zumindest zwischenzeitlich gestoppt werden konnte. Weitere, nicht näher definierte Maßnahmen zur Stabilisierung der Landeswährung wurden ebenso angekündigt wie in Argentinien. Zuvor hatte das südamerikanische Land, das von einer fast doppelt so hohen Inflation wie die Türkei geplagt wird, am Donnerstag den Leitzins um 15 Prozentpunkte auf 60 Prozent angehoben, was am Devisenmarkt jedoch wirkungslos verpuffte.

Schwachstelle Leistungsbilanz

Neben der Inflation ist besonders das hohe Leistungsbilanzdefizit beider Staaten, das jeweils im Bereich um fünf Prozent der Wirtschaftsleistung liegt, eine Achillesferse – schließlich muss es durch Kapitalzuflüsse gedeckt werden. Obwohl wesentlich geringer, machen auch Indien und Indonesien derartige Defizite zu schaffen. "In Indonesien muss das Leistungsbilanzdefizit bewältigt werden", betont auch Währungsstratege Ken Cheung von der Mizuho Bank in Singapur.

Die Experten der Bank of America Merrill Lynch erwarten weitere Zinserhöhungen in Indonesien, um sich gegen die Abwertung der Rupie zu stemmen. Seit Mai setzte die Notenbank vier Zinserhöhungen um, was die Landeswährung zwischenzeitlich stabilisierte, bevor nun ein weiterer Abwärtsschub einsetzte. Auslöser waren neben der türkischen und argentinischen Krise auch die stetig steigenden US-Zinsen und die von Präsident Donald Trump angezettelten Handelskonflikte.

Balastung durch neue Zölle

Eine weitere Eskalation, laut Medien sollen nächste Woche für China US-Einfuhrzölle im Volumen von 200 Milliarden Dollar schlagend werden, könnte die asiatischen Emerging Markets nochmals belasten. Zwar leiden auch Brasilien und Russland unter Kapitalabflüssen, ihr Rohstoffreichtum stellt aber einen Sicherheitspolster dar. Tiefe Rohstoffpreise schmerzen rohstoffexportierende Schwellenländer, zu denen auch Südafrika zählt, mehr.

Etliche Großinvestoren wie der Fondsriese Blackrock sehen im Kursverfall der Währungen eine Gelegenheit zum langfristigen Einstieg, um von den höheren Wachstumsraten als im Westen zu profitieren. Um die Türkei und Argentinien dürften sie aber wohl weiterhin einen Bogen machen. (Alexander Hahn, 1.9.2018)