Tobias O. Meißner: "Dungeon Planet"
Klappenbroschur, 400 Seiten, € 15,50, Piper 2018
Nun ein Buch, das einen etwas eigenwilligen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Nicht, weil Tobias O. Meißner inzwischen eine feste Größe in der deutschsprachigen Fantasy-Szene ist ("Die Soldaten", "Barbarendämmerung") und nun einen unvermuteten Wechsel zurück in die Science Fiction vollzogen hat. Nicht wegen des ungewöhnlichen Szenarios. Und auch nicht, weil Meißner wie gehabt seinen ganz eigenen Stil pflegt, den kein Lektorat der Welt komplett streamlinen könnte. Sondern deshalb, weil "Dungeon Planet" eher wie zwei aneinandergeflanschte Novellen wirkt, von denen die zweite die Handlung der ersten weitgehend wiederholt.
In ungewohntem Ambiente
Als wollte er uns Meißners neue Faszination für den Weltraum verdeutlichen, bewundert zu Beginn des Romans der Raumfahrer Jephron Girant von seinem Cockpit aus die Säulen der Schöpfung (einen Teil des Adlernebels, den ein Bild des Hubble-Teleskops weltberühmt gemacht hat). Jephrons ehrfürchtiges Staunen wirkt fast ein bisschen naiv – andererseits ist es auch mal ganz schön, wenn wir es nicht mit einem abgebrühten Weltraumveteranen zu tun haben, der für die Wunder des Kosmos nicht mal mehr einen Seitenblick erübrigen kann.
Apropos Wunder: Es ist nicht so, als gäbe es in "Dungeon Planet" keine Ungereimtheiten. Da hätten wir einen ziemlich obskuren Überlichtantrieb und nicht näher erklärte physikalische Phänomene, über die selbst die Xeelee staunen würden (die Sternenkorridore, durch die sich Raumschiffe bewegen, werden nicht nur von Materie, sondern auch von Strahlung frei gehalten?). Und das alles, obwohl der technologische Stand, soweit beschrieben, ansonsten eher ans 21. als ans 31. Jahrhundert denken lässt. Aber sei's drum, soll ja keine Hard SF sein.
Eine Galaxis voller Themenparks
Kurz zum Hintergrund, der uns im ersten Romankapitel als geballte Exposition aufs Auge gedrückt wird: Wir befinden uns etwa 1.000 Jahre in der Zukunft. Die Menschheit hat sich über einen beträchtlichen Teil der Galaxis ausgebreitet; die wenigen Alienspezies, von denen man weiß, scheuen den Kontakt. Eine ordnende Struktur im Sinne einer Sternenföderation gibt es nicht, die Kolonialwelten spielen lieber ihre eigene Musik: Es gab Bordellplaneten, Wassersportplaneten, [...] Planeten für Fruktarier, einen garantiert pollenfreien Planeten für Allergiker, es gab einen Jazz-Planeten, einen Gothic-Planeten, einen Fußballturnier-Planeten ... und immer so weiter, wie Meißner in einem bemerkenswert langen Satz aufzählt, der sich fast über eine ganze Seite erstreckt.
Kurz gesagt: Von den 6.000 bereits besiedelten Planeten haben etwa 1.000 den Charakter von Themenparks, so weit haben sie ihr Spezialistentum vorangetrieben. Eine herausragende Stellung nimmt dabei die Welt Laurel ein, auf der alljährlich die galaxisweit geglotzte Gameshow Dungeoncrawler stattfindet. Deren Teilnehmer müssen "Schätze" aus einem unterirdischen Labyrinth bergen und sich dabei der "Monster" erwehren, die man dort ausgesetzt hat: ob Riesenkäfer, Wurmknäuel oder bisonköpfige Halbmenschen – für Dungeoncrawler wurde in der halben Milchstraße all das zusammengerafft, was einen telegen blutrünstigen Eindruck macht. Und irgendwo ganz unten im Labyrinth lauert der legendäre Minosaurus. Mit "s".
Ich war einmal berühmt
Hauptfigur Jephron Girant hat vor Jahren an der Show teilgenommen, unter spektakulären Umständen überlebt und genießt bis zum heutigen Tag den Status der Semiprominenz. Alljährlich zieht es ihn nach Laurel zurück – nicht um noch einmal teilzunehmen, sondern um wieder dort zu sein, wo er noch ein bisschen was ist. Mal ein Autogramm geben, mal einen kleinen Extrarabatt bekommen, die kleinen Freuden halt. Gerne schlendert er während der Show-Saison durch die Straßen und findet es schade, dass er immer seltener erkannt wird. Es ist eine Figur, die man sich gut vorstellen kann – mit Blick auf die "Survivors" unserer eigenen Welt, die noch über Jahre hinweg von ihrem verblassenden "Big Brother"- und "Bachelor"-Ruhm zu zehren versuchen. Irgendwie melancholisch.
Insofern passt es auch gut zu Jephron, dass er sich von der jungen Bjanje Cilings überreden lässt, mit ihr noch einmal an Dungeoncrawler teilzunehmen. Zum Teil geschieht es aus Verantwortungsgefühl für die ehrgeizige, aber vermutlich hoffnungslos überforderte Kandidatin, zum Teil ist es der Kitzel, noch einmal den Höhepunkt seines bisherigen Daseins nachzuerleben. Und der Batzen Geld, den es zu gewinnen gibt, spielt natürlich auch eine Rolle. (Bjanjes Motivation für die Teilnahme ist übrigens weniger nachvollziehbar, zumindest hat sie sich mir nicht erschlossen.) So weit, so gut.
Auf in die Reprise
Also steigen die beiden ins Labyrinth hinab und der Roman wechselt die Tonlage. Es gilt, sich mit Hieb- und Stichwaffen der diversen Monster zu erwehren; die Show wäre übrigens ein Albtraum für Tierschützer. Die Action gleicht nun der in einem Videospiel und ist auch entsprechend repetitiv: Stunden vergingen, zogen sich wie Reisbrei. An diesen Kapiteln dürften sich die Geister scheiden. Ich persönlich konnte solcher Art Action noch nie viel abgewinnen: Eine Falle wird überwunden oder nicht, ein Zweikampf wird gewonnen oder nicht, eine Verfolgungsjagd endet mit dem Entkommen oder nicht – kommen wir bitte zum Ergebnis. Gamer und alle, die das Wie-es-dazu-kam in Echtzeit genießen können, werden hier dafür gut bedient.
In der Mitte des Bands ist die Queste von Jephron und Bjanje zu Ende. Und dann ... geht alles wieder von vorne los. Es sind wieder Jahre vergangen, Jephron hat sich von der Show entfernt, lässt sich aber von Bjanjes Schwester einmal mehr zu einem Comeback überreden, und es wird wieder gehauen und gestochen. Zwar haben sich die äußeren Umstände und auch Jephrons Einstellung inzwischen gewandelt, doch unterm Strich kommt im Großen und Ganzen noch einmal der gleiche Ablauf raus. Es ist ja durchaus nicht unüblich, dass ein Autor einer Erfolgsstory Jahre später eine abgewandelte Version der Originalgeschichte als Sequel veröffentlicht. So als Gesamtpaket auf den Markt gebracht, wirkt es auf mich aber eigenwillig.