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Ende August wurde ein 35-Jähriger in Chemnitz erstochen. Zwei Verdächtige befinden sich in Untersuchungshaft, nach einem weiteren wird derzeit gefahndet.

Foto: REUTERS/Hannibal Hanschke

Dresden – Mehr als eine Woche nach der Tötung eines 35-Jährigen in Chemnitz wird nach einem dritten Tatverdächtigen gefahndet. Das Amtsgericht Chemnitz erließ am Dienstag Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Mittäter und beschloss eine Öffentlichkeitsfahndung, bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Chemnitz. Gesucht werde nach einem mutmaßlich 22-jährigen irakischen Asylbewerber.

"Das Amtsgericht Chemnitz hat heute Vormittag diesen Haftbefehl erlassen", sagte der sächsische Generalstaatsanwalt Hans Strobl am Dienstag. Die Polizei rief zur Vorsicht auf, der Mann könnte bewaffnet sein. Er hat der Polizei zufolge sein gewohntes Umfeld verlassen.

Schon seit rund einer Woche sitzen ein 22-Jähriger und ein 23-Jähriger wegen der Tat in Untersuchungshaft. Bisher hatten die Behörden die Männer als Iraker und Syrer bezeichnet. Das ist aber nicht mit Sicherheit geklärt. Sie sind wie der dritte Mann dringend verdächtig, am vorvergangenen Wochenende den 35-jährigen Deutschen am Rande des Chemnitzer Stadtfests erstochen zu haben. Alle drei stehen wegen gemeinschaftlichen Totschlags unter Verdacht.

Angaben zur Identität beruhen auf Selbstauskunft

Das deutsche Innenministerium teilte am Dienstag mit, dem mutmaßlichen Syrer sei im September 2015 "im schriftlichen Verfahren die Anerkennung als Flüchtling gewährt" worden. Seine Angaben zur Identität beruhten auf einer Selbstauskunft. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sei aktuell dabei, diese Angaben von Alaa S. "im Rahmen des laufenden Widerrufsverfahrens" zu verifizieren.

Der Tatverdächtige Yousif A. habe bei der Anhörung im Asylverfahren im November 2017 einen irakischen Personalausweis sowie weitere Dokumente vorgelegt, die sich später als "Totalfälschungen" entpuppt hätten. Das Ergebnis der dokumententechnischen Überprüfung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lag den Angaben zufolge allerdings erst im Juni 2018 vor. Sein Asylantrag wurde inzwischen abgelehnt, die Ablehnung ist jedoch nicht rechtskräftig.

Mann konnte nicht ausfindig gemacht werden

Die Hinweise auf den nun Gesuchten hätten sich durch Aussagen von Zeugen und eines der anderen Tatverdächtigen ergeben. Zunächst habe der Name des dritten Tatverdächtigen überprüft werden müssen, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Auch hätten die Ermittler versucht, den Aufenthaltsort des Mannes abzuklären, hätten ihn aber nicht ausfindig machen können. Deshalb werde nun nach ihm öffentlich gefahndet. Wo der Mann zuletzt gemeldet war, sagte die Sprecherin nicht.

Die Tötung des 35-Jährigen war der Auslöser für eine Reihe von Demonstrationen rechter Gruppen und rassistischer Ausschreitungen. Unter anderem hatten die rechte "Bürgerbewegung Pro Chemnitz", die rechtsextreme Hooligan-Gruppe Kaotic Chemnitz, die rechte Pegida-Bewegung sowie auch die AfD zu teils gemeinsamen Protesten aufgerufen.

AfD-Beobachtung

Im Zuge der Demonstrationen, bei denen auch immer wieder Hitlergrüße zu sehen waren, wurde über eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz diskutiert. Ob die Voraussetzungen dafür vorlägen, könnten letztlich nur die Sicherheitsbehörden beurteilen, sagte Innenminister Horst Seehofer dazu. Dies sei keine politische Entscheidung. Ähnlich hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel geäußert. "Solange die Voraussetzungen nicht gegeben sind, werde ich dies auch nicht politisch unterstützen. Wenn sie gegeben sein sollten, haben sie jede politische Unterstützung von mir", sagte der CSU-Politiker.

Der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath, lehnte eine Beobachtung ab. "Es müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass (...) diese Struktur eine Bestrebung gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist", sagte Meyer-Plath am Dienstag im RBB-Inforadio. Für die AfD in Sachsen sei das derzeit nicht belegbar.

AfD-Vorsitzender Alexander Gauland forderte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nun einen Aufstand gegen Merkel und ihre Unterstützer. Diese "friedliche Revolution" sei aber "kein Umsturz der grundgesetzlich garantierten Ordnung", sagte Gauland. Merkel selbst reagierte auf Gauland nicht, kündigte aber an, demnächst Chemnitz besuchen zu wollen. Ein konkreter Termin werde zu gegebener Zeit vereinbart und bekanntgegeben. (APA, red, 4.9.2018)