Wenn es nach den Chrome-Entwicklern geht, soll es der URL bald an den Kragen gehen.

Foto: derStandard.at/Pichler

Sie steht auf fast jeder Produktverpackung, auf Plakaten oder ganz für sich allein in Werbespots. Sie ist praktisch das Aushängeschild des Internets: die URL. Der "Uniform Resource Locator" ermöglicht es uns, dass wir beim Aufruf von Webseiten Adressen wie "derStandard.at" nutzen können und uns nicht mit IP-Adressen, Routing-Protokollen und anderen Facetten der Technik auseinandersetzen müssen.

Ein System, das simpel wirkt, den Nutzern aber mehr Probleme bereitet, als man annehmen würde. Das sagt jedenfalls Adrienne Porter Felt, Managerin für die Entwicklung des Google-Browsers Chrome, der heuer seinen zehnten Geburtstag feiert. Dort verfolgt man radikale Pläne: Die URL soll – jedenfalls in ihrer aktuellen Form – abgeschafft werden, berichtet "Wired".

Unsicheres Adresschaos

Das System der Webadressen wird immer chaotischer, befinden die Entwickler. Sie werden zunehmend schwer lesbar, mitunter ist schwer identifizierbar, welcher Teil wie zugeordnet werden muss und welcher Adresse man nun vertrauen kann. Hinzu kommen auch noch URL-Shortener, die überhaupt unkenntlich machen, welches Ziel sich hinter einem Link verbirgt. Und auf Geräten wie Smartphones fehlt es überhaupt an Platz für ihre Anzeige.

Die Unübersichtlichkeit macht URLs anfällig für Scams. Gerne greifen Cyberkriminelle zu Adressen, die dem Original fast auf den Buchstaben ähneln, um auf Phishing-Seiten Login-Daten und andere Informationen unbedarfter Nutzer abzugreifen. "URLs sind allgemein nicht gut, um die Identität einer Seite zu zeigen", sagt Porter Felt.

Erster Vorstoß mit "Origin Chip"

Das Unterfangen, URLs obsolet zu machen, ist ein großes. Das Problem: Es fehlt eine Alternative. Möglichkeiten würden gerade "aktiv diskutiert", sagt eine andere leitende Chrome-Entwicklerin, Parisa Tabriz. Ein Ersatz müsse einfacher zu nutzen sein, sich einfach teilen lassen und gleichzeitig Sicherheitsvorteile bieten.

Man experimentiert schon länger mit Verbesserungen. 2014 probierte man es mit dem "Origin Chip". Beim Aufruf einer Seite wurde nur noch die Domain angezeigt, nicht aber weitere Bestandteile der URL. Diese offenbarte sich erst nach dem Klick auf ein Icon. Die Rückmeldungen waren gemischt, das Feature schaffte es letztlich nie in die Release-Version von Chrome. Das damalige Feedback werde aber für den aktuellen Anlauf herangezogen.

"Man macht eine Änderung, und die Leute flippen aus"

Wie auch immer die URL-Alternative aussieht, man rechnet beim Chrome-Team jedenfalls mit erheblichem Widerstand. Eine Erfahrung, die man schon gemacht hat, als man damit begann, Seiten mit Verbindungsverschlüsselung via HTTPS zum Standard zu erheben und Warnungen bei ungesicherten Seiten anzuzeigen. Obwohl jeder Sicherheitsexperte diesen Zugang befürwortete, musste man sich viele Beschwerden anhören. "Man macht eine Änderung, und die Leute flippen aus", beschreibt es Tabriz. Dementsprechend werde auch eine Ablöse der URL länger dauern.

Bis die Google-Entwickler mehr über ihre Initiative preisgeben, muss man allerdings noch etwas warten. Öffentlich darüber sprechen will man erstmals entweder noch Ende des Jahres oder im kommenden Frühling. (red, 6.9.2018)