Manfred Weber will als Nachfolger von Jean-Claude Juncker Präsident der EU-Kommission werden.

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Seine Gegner innerhalb und außerhalb seiner Stammpartei CSU neigen dazu, Manfred Weber etwas zu unterschätzen. Er tritt überaus nett auf, ruhig, kann gut zuhören, wägt länger ab, bevor er antwortet, wirkt manchmal fast schüchtern, nicht kämpferisch, schon gar nicht aggressiv.

Markus Söder etwa, der bis zur politischen Brutalität wortgewaltige Ministerpräsident von Bayern, machte 2003 den Fehler, die Durchsetzungsfähigkeit des Fraktionschefs der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament falsch einzuordnen. Es ging darum, wer Chef der zerstrittenen Jungen Union (JU) wird. Weber, ein damals 32-jähriger Absolvent einer technischen Fachhochschule aus dem 1.300-Einwohner-Ort Wildenberg, hundert Kilometer nördlich von München, verheiratet, Gründer einer Beraterfirma für Umwelttechnik und Qualitätsmanagement, war interessiert.

Aber Söder, der damalige JU-Chef, lehnte den Parteifreund ab: Der war ihm zu liberal, als junger Abgeordneter im Landtag wohl auch zu europafreundlich. Weber gelang es, Kompromisse zu ebnen. Er setzte sich knapp durch, baute sich zudem in seinem heimatlichen Bezirk mithilfe des CSU-Urgesteins Erwin Huber eine Hausmacht auf. Wenig später, 2004, kandidierte er bei den Europawahlen und wurde EU-Abgeordneter in Brüssel und Straßburg. Spezialgebiet: innere Sicherheit.

Strebt Juncker-Nachfolge an

Nicht viele hätten damals darauf gewettet, dass er vierzehn Jahre später gute Chancen hat, nach den EU-Wahlen 2019 das mächtigste Amt der Europäischen Union zu übernehmen. Weber will als Nachfolger von Jean-Claude Juncker Präsident der EU-Kommission werden.

Der Weg dorthin ist noch weit. Aber was dem heute 46-Jährigen einst in der Provinz gelang, hat er auch in einer strategisch geschickt vorbereiteten internen Goodwilltour quer durch Europa erreicht: sich einen Vorsprung zu verschaffen. Frühzeitig gab er bekannt, dass er Spitzenkandidat der EVP für die Europawahl 2019 werden wolle, und präsentierte die wichtigsten Wahlkampfslogans: mehr Fairness, mehr Bürgernähe, mehr Europa. Nach und nach bekommt er nun Unterstützung von Regierungschefs.

Er hat das seit Jahren vorbereitet, hört man in seinem Umfeld. Sein größtes Handicap ist, dass er keine Regierungserfahrung hat. Dazu hat Weber ein abgewogenes Gegenargument parat: So sei das eben in der Demokratie, in den Nationalstaaten – erst müsse man sich einer Wahl stellen, dann komme das Regieren. (Thomas Mayer, 6.9.2018)