Hans-Georg Maaßen steht in der Kritik.

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Chemnitz/Berlin – Wegen des deutschen Koalitionsstreits um den Präsidenten des Verfassungsschutzes soll es am Donnerstagnachmittag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ein Treffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit SPD-Chefin Andrea Nahles und Innenminister Horst Seehofer (CSU) geben.

Die SPD fordert von Merkel, für die Ablösung von Hans-Georg Maaßen zu sorgen – Auslöser waren dessen umstrittene Aussagen zu den teils fremdenfeindlichen Ausschreitungen in der ostdeutschen Stadt Chemnitz. Seehofer, der auch CSU-Chef ist, hatte Maaßen am Mittwoch noch das Vertrauen ausgesprochen. Wegen des Streits sagte Nahles am Donnerstag eine für den Mittag geplante Pressekonferenz kurzfristig ab. Der Streit belastet die Koalition aus CDU, CSU und SPD.

"Merkel muss handeln"

Maaßen soll Informationen aus dem Verfassungsschutzbericht vorab an einen Abgeordneten der AfD weitergegeben haben. "Für die SPD-Parteiführung ist völlig klar, dass Maaßen gehen muss. Merkel muss jetzt handeln", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil nach Maaßens Aussagen über ausländerfeindliche Vorfälle in Chemnitz.

Laut dem ARD-Magazin "Kontraste" hat Maaßen bei einem Treffen mit dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses des deutschen Bundestags, dem AfD-Politiker Stephan Brandner, am 13. Juni Zahlen aus dem Bericht für das Jahr 2017 genannt. Das habe Brandner bestätigt. Der Verfassungsschutzbericht wurde erst etwa fünf Wochen später veröffentlicht.

SPD-Funktionäre stellen Koalition infrage

Mehrere Sozialdemokraten appellieren nun an Parteichefin Nahles, die Koalition mit der CDU/CSU aufzukündigen, sollte Maaßen im Amt bleiben. "Wir sind an einem Punkt, an dem wir eine rote Linie ziehen sollten", sagte Jusos-Chef Kevin Kühnert dem "Spiegel". "Sollte der Verfassungsschutzpräsident im Amt bleiben, kann die SPD nicht einfach so in der Regierung weiterarbeiten."

Bundeskanzlerin Merkel müsse nun einen Weg finden, Maaßen zu entlassen, "oder wir müssen unsere eigenen Konsequenzen ziehen", sagte Kühnert. Das sei "auch eine Frage der Selbstachtung: Wenn wir es Maaßen und der CSU durchgehen ließen, Verschwörungstheorien zu verbreiten, würden wir die dramatische Diskursverschiebung nach rechts legitimieren."

"Zeit der Ermahnungen ist vorbei"

Er warnte die SPD davor, einen Bruch der politischen Kultur in Kauf zu nehmen. "Die Zeit der Ermahnungen ist vorbei. Wir erleben keinen läppischen Koalitionskrach, sondern einen schwerwiegenden Tabubruch", sagte Kühnert.

Horst Seehofer hält an Verfassungsschutzpräsident Maaßen fest.
DER STANDARD

Der SPD-Abgeordnete Florian Post sagte, die SPD sei nun an "einer Glaubwürdigkeitsfrage" angelangt. Ein Rücktritt von Maaßen oder Innenminister Seehofer sei unausweichlich. "Das müssen wir einfordern. Mit allen Konsequenzen – auch der des Koalitionsbruches", sagte Post dem "Spiegel". Seehofer hatte am Mittwochabend betont, trotz der massiven Kritik an Maaßen festzuhalten.

Erste Verurteilung wegen Hitlergruß

Nach den rechten Ausschreitungen in Chemnitz ist ein erstes Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes ergangen. Der Angeklagte sei zu einer Haftstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt worden, ausgesetzt für drei Jahre auf Bewährung, sagte ein Sprecher des Chemnitzer Amtsgerichts am Donnerstag. Hinzu komme eine Geldzahlung im Rahmen der Bewährungsaussetzung von 2000 Euro an die Staatskasse.

Der vielfach vorbestrafte Mann hatte bei einer Kundgebung am 1. September den Hitlergruß gezeigt. Zudem hatte er sich einem Polizeibeamten, der seine Identität feststellen wollte, widersetzt. Einem Schlag habe der Polizist noch ausweichen können, hieß es in der Anklageschrift. Er war daher angeklagt wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte mit versuchter Körperverletzung. Es ist der erste von mehreren Fällen, der nach den Ereignissen in Chemnitz im beschleunigten Verfahren entschieden wurde.

Nach der Tötung eines Deutschen vor knapp drei Wochen war es in den Tagen danach in der Stadt zu mehreren Aufmärschen rechter Gruppen sowie zu rassistisch motivierten Ausschreitungen gekommen. Wegen der Tat sitzen zwei Asylwerber in Untersuchungshaft. Nach einem dritten Tatverdächtigen, einem Iraker, wird gefahndet. (APA, AFP, 13.10.2018)