Stefan Brocza im Kommentar der anderen: Es gibt schon seit Jahren einen ausgefeilten und formalisierten Dialog zwischen Nachbarn, der mehr ist als "irgendwas mit Afrika".

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Nein sagen kann Programm sein: So rühmt sich China, im Hinblick auf Afrika einen Ansatz der "fünf Nein" zu verfolgen. Darunter: Nein zur Einmischung in interne Angelegenheiten und Nein dazu, Unterstützung an politische Bedingungen zu knüpfen: Lästige Fragen nach guter Regierungsführung und Menschenrechten können schließlich unerwünschte Nebenwirkungen haben. Im Vergleich dazu ist die EU gerne Jasagerin. Mit fünf Ja sozusagen: zu Menschenrechten, zu Entwicklungszusammenarbeit, die das politische Klima nicht ausklammert, zu begünstigtem Marktzugang, zur Förderung von Unternehmensinvestitionen und zur Nachhaltigkeit. Das ist im Interesse der Menschen in Afrika und auch in unserem eigenen – wie die EU-Staats- und EU-Regierungschefs bei ihrem Gipfel in Salzburg am Mittwoch (19. September) erneut festhalten werden, wenn sie über Sicherheit und Migration in Europa diskutieren.

Die EU ist nach wie vor mit Abstand der größte Direktinvestor in Afrika und angesichts eines Warenaustauschs von zuletzt 244 Milliarden Euro der wichtigste Handelspartner. Im Länderranking liegt mittlerweile aber das Reich der Mitte mit 107 Milliarden Euro Handelsvolumen auf Platz eins – eine Position, die lange Zeit Frankreich innehatte. China drängt mit aller Kraft nach Afrika.

Europa muss deshalb zwar nicht in Torschlusspanik verfallen, aber es besteht massiver Handlungsbedarf. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat vergangene Woche in seiner Rede zur Lage der Union reagiert und ein neues afrikanisch-europäisches Bündnis für Investitionen und Arbeitsplätze angeregt. Dabei geht es um Partnerschaft statt Almosen.

Der EU-Investitionsfonds für Drittstaaten, der u. a. Garantien bietet, ermöglicht es Unternehmen, sich mit überschaubarem Risiko in Afrika zu engagieren. Allein die Projekte, die geplant oder in der Pipeline sind, sollen 24 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Investitionen mobilisieren. Ein Fokus liegt auf Nachhaltigkeit und dem Aufbau von Wertschöpfungsketten. Afrika ist freilich nicht gleich Afrika. Während einige Staaten nach wie vor stark von Rohstoffen abhängig sind, ist es anderen gelungen, ihre Volkswirtschaften auf eine breitere Basis zu stellen. Die Disparitäten zeigen sich an den Investitionsströmen: 2016 flossen 58 Prozent aller ausländischen Direktinvestitionen nach Südafrika, Nigeria, Kenia, Ägypten und Marokko. Der Nachholbedarf an Produktionsstätten ist vielerorts groß, wie dieses Beispiel zeigt: In Côte d'Ivoire, dem weltweit größten Kakaoproduzenten, wurde erst 2015 die erste Schokoladenfabrik eröffnet.

Zugang zum EU-Markt

Der Ausbau des Wirtschaftsverkehrs darf selbstverständlich keine Einbahnstraße sein und zulasten der afrikanischen Partner gehen. Eine Reihe von EU-Programmen und EU-Maßnahmen stellt das sicher. Auch die problematischen Exportsubventionen im Agrarbereich sind längst abgeschafft, selbst wenn sie in der Debatte gern als Mythos weiter gepflegt werden. 52 afrikanische Länder haben privilegierten Zugang zum EU-Markt. Die 32 ärmsten Staaten können im Rahmen von "Alles außer Waffen" sogar zollfrei und ohne Mengengrenzen in die EU liefern, ebenso die Staaten, mit denen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen bestehen.

Europa und Afrika haben eine bewegte Geschichte und haben voneinander – sowie aus ihren Fehlern – gelernt. Die jüngsten EU-Initiativen spiegeln das wider. China praktiziert indes derzeit eher eine Form der Entwicklungszusammenarbeit, wie es Europa in den 1950ern getan hat. Das Ergebnis ist bekannt. Es hat die Staaten Afrikas weder aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit noch aus der Armutsfalle geführt.

Auch die Wirtschaftskammer Österreich drängt Unternehmen, die "enormen Chancen" auf dem stark wachsenden Kontinent nicht zu vergeben. Österreich exportiert nach Afrika derzeit etwa nur ein Viertel so viel, wie es in die Schweiz liefert.

"Mehr privat" kann überdies helfen, "weniger Staat" in der Entwicklungszusammenarbeit zu kompensieren: Die EU und ihre Mitgliedstaaten leisten zwar 55 Prozent der öffentlichen Entwicklungshilfe für Afrika. Doch das Gros der EU-Länder, inklusive Österreich, ist von dem mehrfach beschlossenen Ziel, 0,7 % Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden, so weit entfernt wie Kairo von Kapstadt.

Die Flüchtlingsdebatte, bei der immer wieder mehr "Hilfe vor Ort" in Afrika gefordert wird, erinnert uns daran, dass den Worten auch Taten folgen müssen. (Jörg Wojahn, 19.9.2018)