Das damalige Jowood-Studio ...

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... und das Team der Spieleschmiede.

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Die heimische Spieleindustrie begrenzt sich heute hauptsächlich auf kleinere Indie-Studios wie Iron Mountain Interactive, Moon Studios, Mi'pu'mi, Bongfish, Broken Rules und Rarebyte. Laut einer Studie des Wirtschaftsministeriums und der WKO sollen die rund 80 österreichischen Entwickler einen Umsatz von 15 bis 20 Millionen Euro lukrieren – bei einem globalen Gesamtumsatz von 95 Milliarden Euro nur ein winziger Anteil. Das war nicht immer so. Früher hatte Österreich mit Studios wie Jowood (ursprünglich JoWooD geschrieben), Max Design und Neo Software/Rockstar Vienna einiges mitzureden. DER STANDARD hat mit Dieter Bernauer-Schilcher, einem der Mitgründer von Jowood, die Geschichte des Unternehmens aufgearbeitet.

Das Jowood-Team in Ebensee.
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Wie die Idee für Jowood kam

Die Idee für Jowood kam Johann Reitinger, Johann Schilcher, Andreas Tobler und Dieter Bernauer-Schilcher im privaten Kreis auf. Schon länger hatten sie an der Idee herumgebastelt, Spiele herzustellen. Um auch kommerziell erfolgreich zu sein, entschieden sie sich dazu, beim bisherigen Hobby-Projekt auch professionelle Wege einzuschlagen. Bernauer-Schilcher beendete etwa sein Informatik-Studium und manche seiner Mitgründer das bestehende Arbeitsverhältnis, um sich voll auf Jowood fokussieren zu können.

Das Intro zu "Die Völker".
VooddooMan

"Der Industriegigant" brachte Durchbruch

Der internationale Durchbruch konnte mit "Der Industriegigant" erzielt werden. Die Wirtschaftssimulation für Windows 95 verkaufte sich insgesamt 800.000-mal und wurde in insgesamt zwölf Sprachen übersetzt. Das Game wurde gänzlich im Ebenseer Studio von Schilcher, Tobler, Bernauer-Schilcher und Reitinger entwickelt. Das Genre war bewusst gewählt, da gute Wirtschaftssimulationen schon länger nicht mehr veröffentlicht worden waren. Mit "Der Industriegigant" wurde letztlich ein Hit erzielt, der Erfolg war für die Macher absolut unerwartet.

Das Jowood-Team bei der Planung.
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Knapp an Insolvenz vorbeigeschrammt

Mit Spielen wie "Die Völker", "Der Verkehrsgigant", "Die Gilde" und "Hotelgigant" setzte sich der Erfolgstrend kurz vor und nach der Jahrtausendwende fort. Im Jahr 2000 wurde außerdem der Börsengang vollzogen. Die internationale Konkurrenz setzte dem heimischen Unternehmen allerdings zu. 2002/2003 schrammte die Firma knapp an der Insolvenz vorbei. Eine knallharte Restrukturierung, ein Schuldenerlass von knapp neun Millionen Euro und der Erfolgstitel "Gothic 2" konnte das Fortbestehen sichern.

"Der Industriegigant" im Let's Play.
Eras

Ein Fehler mit großen Konsequenzen

Allerdings wurde in dieser Zeitspanne auch ein folgenschwerer Fehler begangen, der auch bei darauffolgenden Spielen wiederholt wurde. Der Onlineshooter "Söldner: Secret Wars" strotzte nur so vor Fehlern. Auch "Gothic 3" wurde viel zu früh veröffentlicht und kam mit etlichen Bugs, die das Spielerlebnis grob trübten. Dies sagt auch Bernauer-Schilcher. Das Unternehmen soll letztlich daran gescheitert sein, dass Spiele veröffentlicht wurden, die nicht die erforderliche Qualität mit sich brachten – sowohl inhaltlicher als auch technischer Natur. Das Unternehmen soll laut Bernauer-Schilcher auch von der Börse und Quartalszahlen getrieben worden sein, wodurch Qualität in den Hintergrund trat.

"Arcania – Gothic 4" im Trailer.
GamerSpawn

Der 7. Jänner 2011 als Schicksalstag

Jowood versuchte sich in den darauffolgenden Jahren nur mehr als Publisher, der Firmenstandort wurde ins steirische Rottenmann verlegt. 2006 wurde der kanadische Publisher Dreamcatcher übernommen, wodurch das Unternehmen vermehrt den US-Raum beliefern konnte. Zudem wurde am eigenen Image mittels Markenrelaunch gefeilt. 2010 kam es zu einem drastischen Umsatzeinbruch. Auch "Arcania – Gothic 4" konnte aufgrund seiner schwachen Handlung nicht den Umbruch bringen. Am 7. Jänner 2011 war Jowood Geschichte. Die Insolvenz konnte aufgrund der roten Zahlen nicht mehr abgewendet werden.

Ein typischer Arbeitsplatz beim damaligen Spieleriesen.
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Was die Jowood-Gründer heute machen

Bernauer-Schilcher sagt selbst, dass er von Jowood viel Erfahrung mitnehmen konnte. Auch dass man sich nicht immer dem Beruf beziehungsweise der Firma unterordnen soll. Er selbst ist der Softwareentwicklung aber treu geblieben. Er ist Abteilungsleiter in einer Telekom-Firma im oberösterreichischen Bad Ischl. Johann Schilcher ist in Ebensee geblieben. Er ist nun Gemeindevorstand der BÜFE (Bürgerliste für Ebensee). Johann Reitinger ist heute in der Metallbranche tätig, und Andreas Tobler ist Business Developement Director beim Publisher Koch-Media.

Wieso es kein zweites Jowood mehr gibt

Wieso es heute kein zweites Jowood mehr in Österreich gibt, begründet Bernauer-Schilcher damit, dass sich die Zeiten geändert haben. 1995 war die Spielebranche noch ein kleiner Faktor im Unterhaltungsgeschäft, mittlerweile ist diese ein Milliardenbusiness. Ferner ist das Budget für professionelle Produktionen massiv angewachsen – auch das gefragte Know-how ist im Vergleich zu früher deutlich höher. In Österreich sei es deshalb schwierig, ein derartiges Projekt zu finanzieren.

Spiele-Entwicklung "nicht nur Spaß"

Trotzdem würde der Jowood-Gründer aber nicht davon abraten, ein Spielestudio auf eigene Faust zu gründen. Er würde aber jedem mit auf den Weg geben, dass Spiele-Entwicklung nicht nur Spaß ist. "Die Umsetzung, Planung und das Design sind der kreative Teil – und auch der spannendste. Es ist auch schön, wenn dann das erste Mal die ersten Elemente am Bildschirm erscheinen. Aber das Produkt dann marktreif zu mache, das ist der eigentliche Knochenjob", sagt Bernauer-Schilcher. Hier hätte er bereits etliche wunderbare Spiele gesehen, aus denen nichts wurde, weil bei den Entwicklern aus Spaß plötzlich Ernst wurde. (Daniel Koller, 30.9.2018)