Die Erdoğans sind in Berlin gelandet.

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Beim Gipfel in Hamburg im Sommer 2017 traf man einander schon einmal.

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Berlin / New York – Er hat ihr eine Politik im Denken der Nazis vorgeworfen. Er macht sie verantwortlich für den Schutz von "Terroristen" in Deutschland, von Kurden der PKK, von angeblichen Anhängern seines einstigen Bündnispartners Fethullah Gülen, von türkischen Regierungskritikern überhaupt. Die Türken in Deutschland rief er bei der Bundestagswahl vor einem Jahr auf, nicht für Angela Merkels Partei zu stimmen, ebenso wenig wie für die SPD oder die Grünen, allesamt "Feinde der Türkei".

Trotzdem kommt Tayyip Erdoğan am Donnerstagnachmittag zu seinem ersten, bis Samstag dauernden Staatsbesuch als Präsident nach Berlin. Er wird sein freundlichstes Gesicht aufsetzen, wenn er mit der deutschen Kanzlerin spricht. Denn Erdoğan will etwas von Merkel.

"Wichtigstes Ziel meines Deutschland-Besuchs ist es, die Phase der letzten Jahre in unserem Verhältnis komplett hinter uns zu lassen", hatte der autoritär regierende Staatschef erklärt, bevor er diese Woche zuerst zur Uno-Vollversammlung nach New York flog. Denn die türkische Führung braucht nun dringend Geld und politische Partner. 40 Prozent hat die Lira allein in diesem Jahr an Wert verloren, knapp 180 Milliarden Dollar an Schuldenforderungen muss die Türkei Schätzungen zufolge bis zum Sommer nächsten Jahres bedienen. Die Mittel dafür fehlen ihr ebenso wie die Unterstützung aus dem Westen.

Dündar will Erdoğan zur Rede stellen

Seit dem Putschversuch und dem Beginn der Massenverhaftungen, seit dem Wechsel zum Präsidialregime ist die Kluft zwischen Erdoğans Türkei und Europa noch um vieles größer geworden. Sein offizieller Gastgeber in Berlin, der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier, habe "keinerlei Illusionen", was eine Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Ländern angehe, wurde aus dessen Amtssitz, dem Schloss Bellevue, verlautbart.

Steinmeier traf in Vorbereitung auf diesen Besuch Deniz Yücel und Meşale Tolu, die beiden türkischstämmigen deutschen Journalisten, die wegen Terrorvorwürfen monatelang in türkischen Gefängnissen gesessen und nur auf politischen Druck aus Berlin freigekommen sind. Ein dritter prominenter türkischer Regierungskritiker hat sich schon für die gemeinsame Pressekonferenz von Merkel und Erdoğan am Freitag angekündigt: Can Dündar, ehemaliger Chefredakteur von "Cumhuriyet" und wegen "Geheimnisverrats" in erster Instanz zu jahrelanger Haft verurteilt, will Erdoğan dabei zur Rede stellen. "Ich will ihn fragen, warum er sagt, dass keine Journalisten in türkischen Gefängnissen sitzen, sondern Terroristen", sagte der im Berliner Exil lebende Dündar der Deutschen Presse-Agentur. (Markus Bernath, 27.9.2018)