Die neue Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sorgt mit ihrer ersten Personalentscheidung gleich für interne Diskussionen.

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Thomas Drozda ist für seine Parteikollegin Michaela Grubesa ein Bobo.

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Wien – In der SPÖ rumort es auch zwei Tage nach der personellen Neuaufstellung der Partei. Während sich der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Ludwig weiter die designierte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner zur Brust nahm und ihr via "Heute" ausrichtete, dass sie sich jetzt "in der Praxis beweisen" müsse, rebellierten Teile der steirischen SPÖ gegen den neuen Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda.

In der steirischen Landespartei herrscht vor allem immer noch Ärger über die Ablöse des aus der Steiermark kommenden Bundesgeschäftsführers Max Lercher durch den früheren Minister und SPÖ-Regierungskoordinator. Während der steirische Landeschef Michael Schickhofer die Kritik an dieser Entscheidung zuletzt meist in höfliche Worte verpackte, wurde die steirische Landtagsabgeordnete Michaela Grubesa auf Facebook recht deutlich in ihrer Ablehnung. Grubesa ist Mitglied im SPÖ-Bundesparteivorstand und war eine jener steirischen Vertreterinnen, die sich bei Drozdas Nominierung der Stimme enthielten.

Irritierte Genossen

Diese Entscheidung habe etliche Genossinnen und Genossen irritiert, so Grubesa. "Mit großem Unverständnis blicken wir nun in eine ursprünglich progressive, junge Löwelstraße und sehen dort ... den Inneren Bezirk." Es sei bitter, dass Lercher, der auch "einfache Menschen" außerhalb der Wiener Ringstraße repräsentiert habe, gehen muss. "Stattdessen arbeitet dort ab heute jemand, der sicher jedes große Shakespeare-Zitat in fünf verschiedenen Sprachen auswendig kennt. Ein Akademiker im Anzug. Warum er einen Steirer in Jeans und Hoodie, der den Portier mit 'meine Verehrung' grüßt, ersetzen soll, kann der Großteil der Partei weder verstehen noch akzeptieren", so die steirische SPÖ-Abgeordnete.

Drozda hätte im Bundesparteivorstand in der zweistündigen Debatte um die eigene Person laut Grubesa auch anderes sagen können als "Hier sind ein paar kurze Anekdoten, die erklären, dass ich kein Bobo bin" oder "Ich bin 53, ich brauche das gar nicht". Man hätte sich ein politisches Statement und Visionen für die Zukunft der Partei und ein Danke gewünscht. Grubesa wendet sich via Facebook auch direkt an Drozda: "Mit Verlaub, Thomas: Du BIST ein BOBO!!!! Aber hey, manche sind große Menschen, manche sind Menschen aus der großen Stadt."

Kein Kommentar von Drozda

Drozda wollte die harsche Kritik am Donnerstag nicht kommentieren. Er möchte Grubesa nichts über die Medien ausrichten, hieß es aus der SPÖ-Parteizentrale. Zwecks Klärung der Differenzen werde er aber das persönliche Gespräch mit der steirischen Parteikollegin suchen. Zuvor hatte der neue Bundesgeschäftsführer den Wechsel in der Parteizentrale verteidigt. Es sei das Recht der neuen Parteichefin, ihr Team zu wählen.

Lercher: "Verbitterung schadet unserer Sache"

Der abgelöste Bundesgeschäftsführer Lercher hat nach den kritischen Wortmeldungen die Partei zur Geschlossenheit aufgerufen. "Wir haben eine großartige Vorsitzende, und eine Chefin sucht sich selbst ihr Team. (...) Das ist für mich kein Grund zur Verbitterung, und es sollte auch für euch keiner sein. Denn Verbitterung schadet unserer Sache. Sie sät Zwietracht und macht unsere Herzen klein."

"Was wir jetzt brauchen, ist Geschlossenheit und Zusammenhalt, brennende Herzen und kühle Köpfe – mehr denn je", schrieb Lercher Donnerstagnachmittag auf Facebook. "Konzentrieren wir uns auf das, was zählt: unsere Sache. Die nur dann erfolgreich sein kann, wenn wir gemeinsam für sie einstehen. (...) Gemeinsam für die erste Frau sein, die sich an die Spitze unserer Bewegung stellt. Und gemeinsam allen Menschen in diesem Land, denen die Regierung die Zukunft rauben will, wieder Hoffnung und eine Perspektive geben. Dieses Gemeinsame, das ist Solidarität. Für manche mag das verrückt sein, für mich ist es Leidenschaft."

Noch keine Interviews

Die neue SPÖ-Chefin setzte unterdessen auch am Donnerstag ihre Strategie fort, sich Fragen der Medien vorerst nicht zu stellen. Erst für das Wochenende werden erste Interviews Rendi-Wagners erwartet.

Drozda betonte, dass die SPÖ ihr "Profil schärfen", sich inhaltlich mit Schwerpunkten wie soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit neu aufstellen und sich als klare Alternative zur Regierung positionieren werde. Das unter Christian Kern erarbeitete neue Parteiprogramm werde man wohl "so, wie es ist", beschließen, zugleich "das eine oder andere hinterfragen". Das kürzlich verabschiedete Migrationspapier (Motto: "Integration vor Neuzuzug") bleibt laut Drozda gültige Grundlage. Die SPÖ werde "eine Kultur des Hinsehens entwickeln" und nicht mehr "vor den Realitäten die Augen verschließen" – wie es "der eine oder andere von uns zu lange getan hat".

"Starke persönliche Belastung"

Drozda nahm Rendi-Wagner auch gegen Warnungen des Wiener SPÖ-Chefs Ludwig in Schutz, wonach sich die neue SPÖ-Obfrau durch die Doppelfunktion von Partei- und Klubvorsitz zu viel Arbeit und eine "sehr starke persönliche Belastung" aufbürde. Auch Ludwig selbst übe als Bürgermeister und Landesparteichef zwei Funktionen aus, meinte Drozda. Rendi-Wagner verfüge über "hohe integrative Fähigkeiten", die werde sie nützen "und die unterschiedlichen Teile zusammenführen".

Der Wiener SPÖ-Chef ließ seiner Irritation über die jüngsten Ereignisse in der Partei aber auch am Donnerstag freien Lauf. "Da kommt keine Jubelstimmung auf, nicht nur bei mir", meinte Ludwig. Rendi-Wagner sei "sehr sympathisch, telegen und kompetent, jetzt muss sie auch auf die Leute zugehen". Die Wiener SPÖ sei als "loyale Organisation" bekannt, "aber wir wollen auch etwas".

Erster Auftritt in Niederösterreich

Die am Dienstag zur geschäftsführenden Parteichefin gekürte Rendi-Wagner hat am Samstag ihren ersten größeren öffentlichen Auftritt. Sie wird – anstelle des noch auf der Einladung aufscheinenden Christian Kern – beim Landesparteitag der niederösterreichischen SPÖ in Schwechat sprechen. Franz Schnabl steht vor seiner ersten Wiederwahl als Landesparteivorsitzender.

Der 59-Jährige war Ende April vergangenen Jahres vom damaligen SPÖ-Chef und Bundeskanzler Kern präsentiert worden. Knapp zwei Monate später wurde Schnabl bei einem außerordentlichen Parteitag in St. Pölten mit 98,8 Prozent der Stimmen zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. Bei der Niederösterreich-Wahl am 28. Jänner erreichte die SPÖ mit 23,9 Prozent ein Plus von 2,3 Prozentpunkten.

Nach Parteiangaben aus St. Pölten wurden 443 Delegierte und 55 Gastdelegierte für Samstag ins Multiversum Schwechat eingeladen. "Wir erwarten 800 bis 900 Teilnehmer", sagte eine Sprecherin. (APA, red, 27.9.2018)