Wien – Im Februar 1945 flogen britische und amerikanische Verbände einen großen Luftangriff auf Dresden. In mehreren Wellen kamen die Flugzeuge mit den Bomben. Sie richteten Verheerungen an, die im kollektiven Gedächtnis über den Zweiten Weltkrieg bis heute eine zentrale Rolle spielen. Denn immer wieder fühlen sich Menschen versucht, in Bezug auf die Bombennächte eine Rechnung aufzumachen: Deutsche Verbrechen stehen dann gegen alliierte Verbrechen, und schon ist man mitten in Relativierungen und Revanchismen.

Tom Schilling verkörpert den jungen Gerhard Richter, Maler im Sächsischen, der die Bomben auf Dresden aus der Ferne wahrnimmt.
Foto: betafilm

Der spätere weltberühmte Maler Gerhard Richter befand sich in diesen Tagen in dem Dorf Waltersdorf im hintersten Sachsen. Konnte man von dort aus die Bombardierungen sehen? Dazu gibt es unterschiedliche Berichte. Eine Zeitzeugin namens Georgine Haeder, die mit Richter in die Schule ging, spricht von einem "grausigen Widerschein". Richter hingegen erinnerte sich nüchterner: Waltersdorf ist fast 30 Kilometer von Dresden entfernt, seine Eindrücke waren indirekter Art: "Dass etwas Schreckliches geschah, das wussten wir ganz genau."

Grausiger Widerschein

In Florian Henckel von Donnersmarcks neuem Film Werk ohne Autor gibt es eine Szene, in der diese Bombennacht zu sehen ist. Der Regisseur hat sich dabei für die Perspektive von Georgine Haeder entschieden: Mit digitaler Hilfe erzeugt er einen "grausigen Widerschein". Wobei das Wort Widerschein wörtlich zu nehmen ist. Denn in Werk ohne Autor werden die Ereignisse in Dresden mit einem NS-Verbrechen verbunden, mit der Tötung behinderter und psychisch kranker Menschen in der "Aktion Brandt".

Donnersmarck geht es dabei nicht um Geschichtspolitik, sondern um Subjektivität: Die grausame Biopolitik der Nazis und die alliierte Kriegsführung finden im Kopf von Gerhard Richter zusammen. Und der macht daraus irgendwann Kunst. Und noch später kommt ein Filmemacher und macht Kunst über die Frage, wie Gerhard Richter aus diesen widerstrebenden Eindrücken Kunst machen konnte.

Werk ohne Autor beruht in diesen zentralen Passagen auf einem Sachbuch von Jürgen Schreiber. In seinem Buch Ein Maler aus Deutschland (2005) hat der bekannte Journalist rekonstruiert, dass Gerhard Richter in dem Bild Tante Marianne eine familiäre Erfahrung verarbeitet hat: den Verlust seiner Tante Marianne Schönfelder, die von NS-Ärzten getötet wurde, während sein Schwiegervater Heinrich Eufinger, der die Rassenpolitik der Nazis mit zahlreichen Zwangssterilisationen vertreten hatte, nach dem Krieg das Leben eines vermeintlich unbescholtenen Bürgers führen konnte. Richter wusste bei seiner Heirat von diesen Zusammenhängen nichts, hat sich aber in seinem malerischen Werk später mehrfach damit beschäftigt.

Trailer zu "Werk ohne Autor".
KinoCheck

Florian Henckel von Donnersmarck hat diese Geschichte für Werk ohne Autor in Grundzügen beibehalten, der junge Maler heißt bei ihm Kurt Barnert (Tom Schilling), allerdings sind die Umstände des künstlerischen Werdegangs von Richter kaum verhüllt. Die prägenden Ereignisse betreffen einen Knaben, für das spätere Gemälde von Tante Marianne wird eine Fotografie ausschlaggebend, die er aus diesen Tagen bei sich behält. Bis es in Düsseldorf zu dem künstlerischen Durchbruch kommt, muss der Film eine lange Strecke zurücklegen.

Denn Barnert muss zuerst noch ein paar Jahre die DDR mit ihrem sozialistischen Realismus ertragen (er lernt dort allerdings auch seine Frau kennen, gespielt von Paula Beer), bevor er dann im Westen und in der Begegnung mit Joseph Beuys den Schritt ins Eigene machen kann. Bekanntlich begann Richter, Bilder nach Fotografien zu malen, ein Verfahren, bei dem die Pointe (neben handwerklichen Aspekten) vor allem in einer gebrochenen Urheberschaft liegt, wie sie einer Mediengesellschaft angemessen ist.

Das ist alles ohne Zweifel ein großer Stoff, der Donnersmarck Gelegenheit geben könnte, sich in der Umsetzung auch Fragen über die eigene Kunst zu stellen: Gibt es zu dem Verfahren von Richter denkbare Entsprechungen im Kino? Doch in dieser Hinsicht sind beim Regisseur die Vorentscheidungen lange gefallen: Seit seinem Welterfolg mit Das Leben der anderen vertritt er für das Filmemachen eine dezidiert traditionalistische Position.

Werk ohne Autor ist nun – nach dem verunglückten Hollywood-Versuch mit The Tourist – sein ehrgeizigstes Werk. Dem epischen Gefühl muss er dabei allerdings, vor allem mit der Musik von Max Richter, stark nachhelfen. Und für die zitternden Nuancen historischer Erfahrung, wie sie in Gerhard Richters Bildern zu erkennen sind, hat Donnersmarck kein Sensorium. So erzählt er letztendlich über sein eigenes Thema hinweg. (Bert Rebhandl, 28.9.2018)