Deutsches Lächeln sah Recep Tayyip Erdoğan in Berlin kaum. Zwar empfing der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – weil es ein Staatsbesuch war – den türkischen Präsidenten mit rotem Teppich und einem Staatsbankett. Doch seine Aussage war klar: Man könne mit ihm nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Erdoğan reagierte beim abendlichen Staatsbankett unwirsch darauf, dass Steinmeier auf das Schicksal von in der Türkei inhaftierten Deutschen und Journalisten hingewiesen hatte: Das Thema sei aus seiner Sicht abgehandelt, die von der türkischen Regierung verfolgten Journalisten und Intellektuellen seien allesamt Terroristen. Wenig anders hatte es zu Mittag im Kanzleramt ausgesehen, wo Erdoğan mit Angela Merkel zusammentraf. Noch während die beiden berieten, verbreitete sich das Gerücht, Erdoğan wolle die anschließende Presseunterrichtung platzen lassen.

Militärische Ehren für Erdoğan in Berlin.
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Grund dafür: Als Journalist akkreditiert war auch Can Dündar. Der regierungskritische ehemalige Chefredakteur der Tageszeitung Cumhuriyet lebt seit zwei Jahren in Berlin. Er war in der Türkei wegen eines Artikels zu Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes nach Syrien zu fünf Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Doch dann kam Erdoğan doch zur Pressekonferenz – nachdem Dündar auf die Teilnahme verzichtet hatte. Zunächst betonten Erdoğan und Merkel Gemeinsamkeiten wie die Hilfe für Flüchtlinge oder den Wunsch nach einer stabilen türkischen Wirtschaft. Auch kündigten die beiden für Oktober ein Syrien-Treffen mit den französischen und russischen Präsidenten Emmanuel Macron und Wladimir Putin an.

Doch vor allem war während der Pressekonferenz zu sehen, dass Deutschland und die Türkei von jener "Normalität", die sich Erdoğan wünscht und die letztendlich auch Merkel anstrebt, weit entfernt sind. Merkel erklärte, dass es in Fragen der Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit "tiefgreifende Differenzen" gebe. Sie werde weiterhin darauf drängen, dass die nach wie vor in der Türkei inhaftierten Deutschen schnell freikommen. Erdoğan erwiderte, er könne sich nicht ins türkische Justizsystem einmischen.

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In Berlin erwarten Erdoğan auch Proteste.
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Als "Gastgeschenk" hatte er eine "Terrorliste" mitgebracht. Sie enthält 69 Namen mit Personen, auf deren Auslieferung an die Türkei Erdoğan drängt – auch Dündar steht darauf. Erdoğan: "Er ist eine Person, die eigentlich in Haft sein müsste." Merkels Konter: "Dass es eine Kontroverse im Fall Dündar gibt, ist kein Geheimnis."

Journalist aus Saal geführt

Sicherheitskräfte führten später einen türkischen Journalisten aus dem Saal, der auf seinem T-Shirt "Freiheit für Journalisten in der Türkei" stehen hatte.

Erdoğan forderte von Merkel zudem die Auslieferung von Anhängern des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen, den er für den Putschversuch im Sommer 2016 verantwortlich macht. Merkel erklärte, da müsse Deutschland zunächst noch "mehr Informationen" haben.

Am Samstag fliegt Erdoğan nach Köln, um die neue Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) zu eröffnen. Auch in Köln sind Proteste gegen ihn geplant. In Berlin gab es mehrere Demonstrationen gegen seinen Besuch. (Birgit Baumann aus Berlin, 28.9.2018)

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Angela Merkel und Recep Tayyip Erdoğan traten vor die Presse, Can Dündar sagte ab, nachdem die Türkei mit der Absage der Pressekonferenz drohte.
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