Die designierte SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner ist Samstagvormittag beim 42. Parteitag der SPÖ Niederösterreich nicht nur mit minutenlangem stehendem Applaus begrüßt worden. Landesgeschäftsführer Wolfgang Kocevar bezeichnete sie überdies als "Bundeskanzlerin in Vorbereitung".

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Schwechat – Pamela Rendi-Wagner hat in ihrer ersten Rede bei einem Parteitag in der Funktion als designierte SPÖ-Chefin betont, eine "Lebensentscheidung" getroffen zu haben. Sie sei zwar erst kurz in der Politik, "aber die Werte der Sozialdemokratie teile ich schon sehr, sehr lange", betonte sie am Samstag vor den niederösterreichischen Genossen in Schwechat. Wieder die Nummer eins zu werden, sei das Ziel.

Sie habe Unterstützung erhalten und Vertrauen bekommen, sagte Rendi-Wagner zu ihrer Bestellung als SPÖ-Chefin. Und sie wisse, dass letzteres zum Teil auch Überwindung gekostet habe. Sie habe "keine leichte Entscheidung", aber eine "Entscheidung für Verantwortung" und für "eine riesengroße Sache, um die es geht" getroffen. Ihre "Lebensentscheidung" sei jedenfalls "goldrichtig".

Rendi-Wagner stellte sich in Schwechat als "Kind der Kreisky-Ära" vor. Sie hätte "viele Chancen nicht gehabt, hätte es die Politik der Sozialdemokratie nicht gegeben". Jetzt wolle sie einen Beitrag zurückgeben.

Die Neo-SPÖ-Chefin stellte einmal mehr fest, dass Geburt, Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe nicht über Chancen der Menschen entscheiden dürften. "Das ist unser Alleinstellungsmerkmal, wir haben ein anderes Menschenbild als die schwarz-blaue Bundesregierung."

"Ihr könnt mir vertrauen", versprach die neue Vorsitzende den Delegierten in Schwechat. "Ich vertraue euch", fügte sie hinzu, weil sie diese Verantwortung "niemals allein stemmen" könne. Rendi-Wagner rief auch dazu auf, mehr Vertrauen in die Partei zu haben und stolz auf selbige zu sein, auf Leistungen ebenso wie auf Werte.

Kritik an der Bundesregierung übte sie etwa im Zusammenhang mit dem Zwölf-Stunden-Tag und der 60-Stunden-Woche, beides "angeblich freiwillig", an der Abschaffung der Aktion 20.000, die zynischer Umgang mit Arbeitnehmern sei, oder an der Absage an die Ausbildungsgarantie bis 25. "Es braucht uns mehr denn je", betonte sie vor den "Genossinnen und Genossen" in Schwechat.

Mut zu einfachen Antworten gefragt

Die SPÖ werde für die Menschen kämpfen, "die uns brauchen", kündigte Rendi-Wagner an. Es gehe um soziale Wärme, Gerechtigkeit und eine fairen Leistungsbegriff. Die SPÖ soll aus der Sicht ihrer neuen Chefin eine moderne, progressive, weltoffene Partei sein. Und sie soll sich nicht nur über den politischen Gegner definieren. "Ich will, dass wir unser Modell sind."

Rendi-Wagner gab sich in Schwechat überzeugt, "dass wir das Vertrauen der Menschen bekommen werden". Gemeinsam wolle sie "ein neues Kapitel in der SPÖ starten". Anstehende Wahlen (Arbeiterkammer, EU, Wien, Anm.) würden den "Unterschied zwischen uns und den Herausforderern zeigen".

Die SPÖ stelle viele Fragen, was auch "gut so" sei, sagte Rendi-Wagner. Aber die Partei solle auch den Mut haben, den Menschen "einfachere, verständlichere, direktere Antworten" zu geben.

Standing Ovations für Rendi-Wagner

Rendi-Wagner ist Samstagvormittag beim 42. Parteitag der SPÖ Niederösterreich nicht nur mit minutenlangem stehendem Applaus begrüßt worden. Landesgeschäftsführer Wolfgang Kocevar bezeichnete sie überdies als "Bundeskanzlerin in Vorbereitung". Mit Rendi-Wagner war auch der neue Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda nach Schwechat gekommen.

Aus Sicht der Landesgruppe steht die Wiederwahl von Franz Schnabl im Mittelpunkt. Er ist einziger Kandidat für den Posten des Landesparteichefs. Der Parteitag steht unter dem Motto "Arbeit. Zukunft. Sicherheit."

Rendi-Wagner, die mit ein wenig Verspätung eingetroffen war, wurde auch mit einem "PAAAAAAAAAAAAAAAAAAM!"-Transparent (18 mal A, Anm.) im Multiversum begrüßt. "So freut sich NÖ", war auf dem Banner ebenfalls zu lesen. Auch damit war die neue Chefin gemeint, die seitens der Landesgruppe keinen Unmut zu befürchten hatte.

Von den ins Multiversum eingeladenen 443 Delegierten waren 357 erschienen. Dazu kamen mehr als 500 Gastdelegierte und Gäste. Franz Schnabl hat bei der Wiederwahl zum Landesparteichef 98,8 Prozent zu verteidigen, die er im Juni 2017 bei einem außerordentlichen Parteitag in St. Pölten erhalten hatte.

Rote Ehrengäste

Zu den Ehrengästen in Schwechat zählten unter anderem Bundeskanzler a.D. Franz Vranitzky, der frühere Vizekanzler Hannes Androsch, der ehemalige Innenminister Karl Schlögl sowie Landesparteivorsitzender LHStv. a.D. Ernst Höger. Aus der Steiermark war Landesparteichef LHStv. Michael Schickhofer gekommen, aus Wien Landtagspräsident Ernst Woller.

Schnabl ortet "Signal des Aufbruchs"

Für den niederösterreichischen SPÖ-Landesvorsitzenden Franz Schnabl ist vom Parteitag in Schwechat ein "Signal des Prickelns, des Aufbruchs und der Solidarität" ausgegangen. Pamela Rendi-Wagner versicherte er, "wir sind stolz, dass du unsere Vorsitzende bist". Er sei "sicher, dass du die erste Bundeskanzlerin der Republik Österreich sein wirst". Schnabl betonte, dass die SPÖ ein Zeichen für das Wir, das Miteinander, die Solidarität, für den Zusammenhalt der Gesellschaft und gegen die Spaltung setzen müsse.

Er verwies in diesem Zusammenhang auf eine Bundesregierung, die Sozialabbau vorantreibe, das Gesundheitssystem verschlechtere, von unten nach oben verteile und Menschen die Perspektive nehme.

Der Landesvorsitzende, der am Samstag auch zur Wiederwahl stand, gestand freilich ein, dass es sich die SPÖ "nicht immer leicht" mache. Das eine oder andere an Diskussion in den vergangenen 14 Tagen "hätte ich mir gern erspart". Aber er sei froh, dass es in kurzer Zeit gelungen sei, erstmals eine Frau an der Parteispitze zu haben.

"Kanzlerin in spe"

Die "liebe Pam" titulierte Schnabl auch als "Frau Bundeskanzler in spe". Der Bundesregierung warf der SPÖ-Landeschef vor, dass ein Skandal dem anderen folge. Es sei zwar nicht so, dass die Demokratie in Gefahr sei, aber wenn man Gefahr erkenne, könne es schon zu spät sein. Daher heiße es "wachsam sein" und "dagegenhalten".

Vom "Miteinander" der niederösterreichischen ÖVP, das geradezu "gebetsmühlenartig" komme, sei ihm "manchmal schon ein bisserl schlecht", sagte Schnabl in Schwechat. Dies deshalb, weil die Mehrheitspartei im Land darunter "etwas anderes als wir" verstehe. "Wir halten das Miteinander hoch, weil wir eine gemeinsame, solidarische Gesellschaft wollen." Und die ÖVP müsse es sich "schon gefallen lassen, wenn wir nach Miteinander fragen bei Forderung nach einem 365-Euro-Öffi-Ticket oder Gratis-Nachhilfe", so Schnabl.

Die Menschen wollten keine Streit, sie wollten Vorschläge und Antworten. "Es liegt an uns", betonte der Landesparteivorsitzende. Die SPÖ wolle Politik machen, die allen die gleichen Chancen gebe.

Aufwachen und hinschauen

"Wacht auf und schaut genau hin", machte Schnabl wieder einen Schwenk in den Bund, wenn die Regierung Demokratie und Menschenrechte infrage stelle, wenn Menschen ausgegrenzt und diskriminiert würden. Die "Kurz-Partie" lasse alles zu, auch, wenn die FPÖ Wertegrenzen immer weiter nach rechts verschiebe.

Klar sei, die SPÖ müsse "da sein, wenn es darum geht, diese asoziale Regierung zu beenden", so Schnabl. Mit dem Parteiprogramm sieht er Grundlagen geschaffen für die kommenden Jahre. Das Programm könne "sich sehen lassen". Der Landesvorsitzende betonte, dass er einen "tollen Erfolg" für die Sozialdemokratie bei der EU-Wahl im Mai 2019 erwarte, der auch Rückenwind für die niederösterreichischen Gemeinderatswahlen Anfang 2020 geben werde.

Die SPÖ bezeichnete Schnabl als "Partei des Möglichmachens, des Chancensicherstellens und der Gerechtigkeit". Es brauche ein starkes Gegengewicht zur Bundesregierung, eine Vision für die Zukunft Europas, des Landes sowie für die Kinder und Enkel. "Stellen wir unser Licht nicht unter den Scheffel", appellierte Schnabl schließlich. "Lassen wir uns nicht kleinreden, seien wir uns bewusst, dass wir eine sehr große Partei sind." Die SPÖ sei manchmal wie ein Wal und sich der eigenen Kraft nicht bewusst, "dass ein einziger Schlag mit der Flosse viel bewegen kann".

Im Anschluss an seine Rede überreichte Schnabl gemeinsam mit Rendi-Wagner die Viktor-Adler-Plakette an Karl Schlögl. Der ehemalige Innenminister, Kurzzeitchef der niederösterreichischen SPÖ sowie (scheidende) Langzeit-Bürgermeister von Purkersdorf (Bezirk St. Pölten-Land) erhielt damit die höchste Partei-Auszeichnung.

Rummel um Rendi-Wagner

Um die neue Chefin auf Bundesebene herrschte echtes G'riss und regelrechter Rummel. So musste Rendi-Wagner über die gesamte Mittagspause hinweg für Fotos zur Verfügung stehen. Delegierte hatten sich für eine Erinnerung mit der Vorsitzenden angestellt. Im Multiversum begehrt waren auch #yeswepam-Buttons mit dem Konterfei der ersten Frau an der Spitze der österreichischen Sozialdemokratie.

86 Prozent für Franz Schnabl

Schnabl ist beim 42. ordentlichen Parteitag der SPÖ Niederösterreich als Landesparteivorsitzender bestätigt worden. Er wurde mit exakt 85,96 Prozent wiedergewählt. Der 59-Jährige, der auch Landeshauptfrau-Stellvertreter ist, war der einzige Kandidat für die Funktion.

Das Ergebnis für Schnabl lag unter jenem seiner ersten Wahl. Am 24. Juni 2017 beim damaligen außerordentlichen Parteitag in St. Pölten waren es noch 98,8 Prozent gewesen. Schnabl betonte, dass die Partei "an allen Ecken und Enden" erneuert werde. Er wisse, dass Erneuerung nicht immer angenehm sei, und rief auch dazu auf, die eigene Person hinter Ziele der SPÖ zu stellen.

Als Ziel formulierte Schnabl, "wenn es auch länger dauert" (zumal die nächste Landtagswahl erst 2023 stattfindet, Anm.), dass die absolute Mehrheit der ÖVP "weg" müsse. Er glaube auch daran, dass bei der SPÖ wieder "ein Dreier, vielleicht ein Vierer" beim Wahlergebnis "vorne stehen" werde. "Wenn wir nicht daran glauben, ist es besser, wir machen ein Überzeugungsseminar."

Gebe es die Überzeugung freilich, "ist es nur mehr automatisch, dass wir die Wähler mitnehmen". Das gelte für EU-Wahl 2019 und ganz besonders für die niederösterreichischen Gemeinderatswahlen 2020. Es sei möglich, auf zehn Prozent an die ÖVP heranzukommen. Das wäre "ein starkes Zeichen". Niederösterreich sei eigentlich sozialdemokratisches Kernland, so Schnabl. (APA, 29.9.2019)