Die Erste Allgemeine Verunsicherung gehört zu den Institutionen des Austropop-Genres. Gegründet 1977, stürmte die EAV in den 1980ern mit satirischen Songs die deutschsprachigen Hitparaden. Hinter dem Klamauk transportiert Songwriter und Schüttelreimer Thomas Spitzer Kritik an Politik und Gesellschaft. Eben ist ihr Album Alles ist erlaubt erschienen. Es ist ihr letztes, nach einer Abschiedstour ist Schluss. Ciao, EAV!

STANDARD: Nach 42 Jahren soll Schluss sein, ist das nicht eine sinnlos späte Scheidung?

Klaus Eberhartinger: Natürlich sind wir ein altes Ehepaar, wir haben schon lange getrennte Schlafzimmer. Aber es ist keine Scheidung, eher das Verlassen eines Projekts. Es ist wie eine Fernsehserie, aus der ein Schauspieler nicht mehr herauskommt. 40 Jahre – das ist mehr als genug.

Der Texter und Illustrator der EAV, Thomas Spitzer, und EAV-Sänger, TV-Moderator und Schauspieler Klaus Eberhartinger im gemeinsamen Interview: "Man soll seinen Träumen folgen. Ob das belächelt wird, ist mir scheißegal" (Spitzer). "Heute sind Sachen erlaubt, die vor wenigen Jahren noch als Tabu galten" (Klaus Eberhartinger).
Foto: Dominik Beckmann

STANDARD: Wenn Sie so zurückblicken ...

Eberhartinger: ... denk' ich mir oft: Wie sind wir damit durchgekommen? Vor allem mit unseren Videos.

Thomas Spitzer: Mir hat das Trashige immer getaugt, wir haben ja oft drei Videos an einem Tag gedreht. Bei Dolezal und Rossacher hieß es dann plötzlich, unter eineinhalb Million Schilling geht gar nix. Schon deshalb waren mir die cheapen lieber.

Eberhartinger: Wenn wir Epauletten gebraucht haben, haben wir eine Klobürste auseinandergeschnitten, fertig.

STANDARD: Und musikalisch?

Spitzer: Na ja, wegen unseren musikhistorisch bedeutenden Kompositionen wird man sich nicht an uns erinnern.

STANDARD: Sie haben Fans, die Sie lustig finden, und jene, die Sie nachdenklich machen. Von welchen gibt es mehr?

Spitzer: In Deutschland habe ich jetzt oft gehört: Ihr wart unheimlich lustig – und zehn Jahre später hab ich euch dann verstanden. Das ist ein schönes Kompliment. Außerdem spielen wir unsere Konzerte zum Glück nicht ins Jenseits hinein: Ein gutes Drittel unseres Publikums ist zwischen 18 und 30. Denen sind die Hits gar nicht so wichtig. Das ist ein später Ritterschlag.

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STANDARD: Was waren denn Band-intern die größten Irrtümer?

Eberhartinger: Wenn wir das Heft aus der Hand gegeben haben und nur noch zu Terminen gehetzt sind. Plötzlich hieß es: Das müsst ihr so machen, das mehr so. Da war der Spaß vorbei. Da gab es einen Schlüsselmoment: Wir waren bei der EMI und sollten besprechen, wie es weitergeht. Wir wurden in ein Zimmer geführt und haben gewartet. Und wie wir uns dort so umgeschaut haben ...

Spitzer: ... hingen da lauter Plakate von Mickie Krause, der mit "Zehn nackte Friseusen, mit richtig feuchten Haaren" ...

Eberhartinger: ... wir haben uns angeschaut, sind wortlos aufgestanden und zum Flughafen gefahren – da wollten wir nicht mit.

Spitzer: Wir waren anfangs ja total blauäugig – wo man uns hingeschickt hat, sind wir hin. Das hat zwar die Schatulle gefüllt, im Nachhinein weiß ich aber, wir hätten viele Sachen auslassen sollen. Wir wurden ja nur noch als Klamauk wahrgenommen, haben Kabarettpreise ausgefasst und so – erst, als wir das gelassen haben, sind wir von der Süddeutschen Zeitung oder der FAZ wieder wahrgenommen worden: Ah, die sind ja politisch! Die haben uns lange ignoriert; der Weg weg vom reinen Klaumaukimage war also hart.

STANDARD: Apropos politisch: Wolfgang Ambros kritisierte die Regierung und bekam deshalb Morddrohungen – und Sie hören auf. Ist das nicht der falsche Zeitpunkt dafür?

Eberhartinger: Morddrohungen haben wir schon in den 1970ern gekriegt – und jetzt wieder. Weil wir angeblich nicht verstehen, dass die Islamisierung vor der Tür steht. Wir sollen uns zu "unsere Neger schleichen" hieß es, und in dem von Österreich vom Zaun gebrochenen "Krieg" Gabalier gegen EAV hieß es auch, wir gehörten vergast. Was unter der Anonymität des Internets aufbricht, ist schon bedenklich.

Spitzer: Das macht mir Sorgen. Politiker sagen ja jetzt Sachen, die galten früher als verfassungsfeindlich. Mich erschreckt die fehlende Gesprächskultur. Die Leute reden nimmer miteinander. Wir leben ja seit 30 Jahren in Kenia. Da leben friedlich Christen und Muslime gemeinsam. Wenn man mit denen redet, kommt man drauf, das sind alles Menschen. Ich hab auch eine Dependance in der Steiermark am Land. Da gibt es einen Schwarzen, einen Roten und einen Grünen. Da werden manchmal die Hälse dick, aber sie reden miteinander. Das ist der erste Schritt zur Nichttotalverurteilung.

Eberhartinger: Das Problem sind die Algorithmen und ihre Echoräume, aus denen die Leute nicht mehr rauskommen und aufgrund derer sie glauben, die ganze Welt denkt wie sie. Es hat einmal eine durch Werte begründete rote Linie gegeben, die scheint es nicht mehr zu geben.

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STANDARD: 1992 gab es in einem ähnlichen Klima das Lichtermeer gegen Fremdenfeindlichkeit, zu dem 300.000 Menschen kamen. Ist das heute noch vorstellbar?

Eberhartinger: Nein, das findet nicht mehr statt. Das Niveau ist sehr nach unten gegangen, die Uninformiertheit nimmt zu – um nicht zu sagen: die Dummheit. Da gibt es den schönen Satz: "Aus Angst wird Wut, aus Wut wird Hass, die Dummheit ist die Lunte zum Pulverfass." So wird gewählt, so werden heute Wahlkämpfe ausgerichtet. Es geht nicht um Nachhaltigkeit oder um eine gesellschaftliche Entwicklung.

STANDARD: Euer neues Album heißt "Alles ist erlaubt" – das klang früher einmal wie ein Versprechen, heute wie eine Drohung.

Eberhartinger: Ja, es ist fürchterlich. Heute sind Sachen erlaubt, die vor wenigen Jahren noch als Tabu galten.

STANDARD: Dennoch versuchen Sie unbeirrbar, Moral über Humor zu vermitteln.

Spitzer: Da bin ich romantisch, und da steig' ich nicht runter. Man soll seinen Träumen und Visionen folgen. Ob das belächelt wird, ist mir scheißegal. Auch wenn es die Welt nicht verändert, wenn man sie eine Spur besser macht, hat man schon was erreicht. Dazu steh' ich. (Karl Fluch, 1.10.2018)