In Balaroa verflüssigte sich durch das Erbeben der Boden, über 170 Häuser versanken.

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Präsident Joko Widodo überwacht die Bergungsarbeiten persönlich.

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Wie das Tsunami-Warnsystem funktioniert. Es wurde nach der Katastrophe im Indischen Ozean 2004 entwickelt.

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Bestätigt sind bisher 844 Todesopfer, die Zahl droht aber weiter zu steigen.

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Jakarta – Nach der Flutwelle, die am Freitagabend die indonesische Insel Sulawesi getroffen und über 800 Menschen getötet hat, suchen Rettungskräfte weiter nach Überlebenden. Bisher ist es ihnen nicht gelungen, in die Region Donggala an der Nordwestküste vorzudringen, die dem Epizentrum am nächsten liegt und wo viele Opfer befürchtet werden.

Helfer hören teilweise noch immer Stimmen und Hilferufe aus den Trümmern.
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Die Einsatzkräfte haben außerdem nicht genügend schweres Gerät zur Verfügung, um Trümmer aus dem Weg zu räumen. Auch Treibstoff ist knapp. Mehrere Hercules-Transportmaschinen der indonesischen Luftwaffe brachten am Sonntag Generatoren und Lebensmittel in die Katastrophenregion. Präsident Joko Widodo habe erlaubt, internationale Katastrophenhilfe anzunehmen, sagte Regierungsvertreter Tom Lembong am Montag. Widodo reiste auf die Insel und machte sich vor Ort ein Bild.

Hunderte Tote

In der Stadt Palu, wo der Tsunami zahlreiche Gebäude zerstört hat, werden noch dutzende Verschüttete vermutet. Bestätigt sind bisher 844 Todesopfer, die Zahl droht aber weiter zu steigen. In der Nacht auf Montag gelang es den Rettungskräften, eine Überlebende zu bergen, die in ihrem Haus verschüttet worden war, als das Erdbeben tiefe Gräben aufriss. Zahlreiche Leichen wurden in den Trümmern eines Hotels und eines Restaurants gefunden.

Die EU hat 1,5 Millionen Euro an humanitärer Soforthilfe freigegeben, gab die Kommission am Montag bekannt, und schickt außerdem einen Experten zur Koordinierung der EU-Hilfe.

Drohnen zeigen das Ausmaß der Zerstörung von oben.
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Angst vor Seuchen

Weil die Einsatzkräfte mit der Rettung Überlebender beschäftigt sind, blieben zahlreiche Opfer unbeerdigt. Wegen der vielerorts unterbrochenen Wasserversorgung wird befürchtet, dass Seuchen ausbrechen. Das Militär hebt Massengräber aus, in denen die Leichen bestattet werden sollen. "Wir beerdigen die Toten, so schnell es geht", sagte Luftmarschall Hadi Tjahjanto. "Hoffentlich ist das in ein bis zwei Tagen getan."

Eine Auswirkung der Katastrophe ist auch, dass mehr als 1.400 Häftlinge aus mindestens drei Gefängnissen vermisst werden. Laut der Regierung sind sie ausgebrochen. Einer Sprecherin des Justizministeriums zufolge geschah das aus Panik. In einem Gefängnis sei beispielsweise Wasser aus dem Boden aufgestiegen.

Pazifischer Feuerring

Indonesien liegt auf dem Pazifischen Feuerring, der geologisch aktivsten Zone der Erde. Für die mehr als 260 Millionen Einwohner sind Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüche keine neue Erfahrung. Bei dem Megatsunami zu Weihnachten 2004 starben dort mehr als 160.000 Menschen, so viele wie in keinem anderen Land der Region. Insgesamt kamen damals in den östlichen Anrainerstaaten des Indischen Ozeans etwa 230.000 Menschen ums Leben.

Verflüssigter Boden neuerliche Gefahr

Eine besonders gefährliche Nachwehe des Bebens ist die sogenannte Bodenverflüssigung (Liquefaction). Bei feuchten Böden, die locker gelagert sind und bei denen das Grundwasser nahe an der Oberfläche liegt, kann es nach Erdbeben zu diesem Effekt kommen.

In einer Pressekonferenz am Montag gab ein Behördensprecher bekannt, dass ein Stadtteil von Palu momentan besonders von dem Phänomen betroffen sei und Menschen dadurch neuerlich gefährdet sind. Mehrere hundert Häuser versanken bereits.

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Am Montag fanden sich etwa 3.000 Menschen am Flughafen von Palu ein, die die Insel verlassen wollen. Die Stimmung ist laut Reportern angespannt, da nur sehr wenige Maschinen Menschen mitfliegen lassen.

Regierung verteidigt Vorgehen

Die Meldungen über den Ablauf der Tsunami-Warnung sind zum Teil widersprüchlich. Die indonesische Behörde verteidigt ihr Vorgehen, die Tsunami-Warnung nach einer halben Stunde wieder aufzuheben. Dwirkorita Karnawati, die Leiterin der zuständigen Agentur für Meteorologie, Klima und Geophysik, sagt, es war gerechtfertigt, die Tsunami-Warnung nach einer halben Stunde wieder aufzuheben. Zu diesem Zeitpunkt habe es keine Flutwellen mehr gegeben.

Sie spricht von drei Flutwellen, die die Küste vor Palu getroffen haben. "Die dritte und höchste hat Häuser und Kioske mit sich gerissen." Die Tsunami-Warnung sei erst einige Minuten später aufgehoben worden, um genau 18.37 Uhr Ortszeit, sagte sie der Tageszeitung Jakarta Post. Aus Sicht des Deutschen Geoforschungszentrums in Potsdam (GFZ) war das allerdings zu früh. "Das Warnsystem sieht vor, dass die Warnung frühestens nach zwei Stunden aufgehoben werden darf", sagte GFZ-Sprecher Josef Zens dem Tagesspiegel.

Warnsystem mit deutschen Wurzeln

Das Warnsystem war nach dem verheerenden Tsunami, der Indonesien am zweiten Weihnachtsfeiertag 2004 traf, von einem internationalen Konsortium aufgebaut worden. Maßgeblich daran beteiligt war das Forschungszentrum aus Potsdam. 2011 hat das GFZ das Tsunami-Warnsystem vollständig in die Hände der indonesischen Behörden gelegt.

Die Software hat nach Angaben des Sprechers auch funktioniert, eine Tsunami-Warnung wurde nach dem Erdbeben ausgegeben. Warum aber diese Warnung nicht dazu geführt hat, dass die Strände geräumt wurden, ist noch unklar. Offenbar hat "irgendetwas bei der menschlichen Übermittlung der Warnung nicht funktioniert", vermutet Zens.

Gegenüber der New York Times sagte Sutopo Purwo Nugroho, der Sprecher des nationalen Katastrophenschutzes, dass Warnbojen seit 2012 nicht funktionierten. Grund dafür wäre das immer geringer werdende Budget für Katastrophenschutz. (red, APA, Reuters, 1.10.2018)