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Gegner des Referendums feierten am Sonntagabend in Skopje, nachdem das Quorum von 50 Prozent nicht erreicht wurde.

Foto: Reuters/Djurica

Für die Befürworter war es sehr enttäuschend. Nur 36,87 Prozent der mazedonischen Wahlberechtigten gingen am Sonntag zum Referendum, um über die Frage abzustimmen, ob das Abkommen zur Namensänderung mit Griechenland umgesetzt werden soll oder nicht. Damit ist das Plebiszit ungültig – mindestens 50 Prozent hätten abstimmen müssen. Die sozialdemokratisch geführte Regierung unter Premier Zoran Zaev versucht die Abstimmung dennoch als Erfolg zu interpretieren. Man betont etwa, dass 91,50 Prozent jener Bürger, die zu den Urnen gingen, die Frage "Unterstützen Sie den Beitritt zur EU und Nato, indem Sie das Abkommen zwischen der Republik Mazedonien und der Republik Griechenland akzeptieren?" mit Ja beantworteten.

Zaev sagte, dass das ein klares Signal sei, dass man das Abkommen umsetzen solle. Dieses sieht vor, dass Mazedonien künftig Republik Nord-Mazedonien genannt wird. Denn Griechenland hat bisher mit dem Namen "Mazedonien" Gebietsansprüche verbunden, weil eine Region in Nordgriechenland ebenfalls so heißt, und deshalb bisher ein Veto gegen die EU-Beitrittsverhandlungen und den Nato-Beitritt des kleinen Nachbarstaates eingelegt. Das führte letztlich zu einem jahrelangen Reformstau und negativen politischen Entwicklungen.

Verhältnis reparieren

Erst als die Sozialdemokraten im Frühjahr 2017 in Mazedonien an die Macht kamen, machte man sich daran, das nachbarschaftliche Verhältnis nach 27 Jahren zu reparieren. Die linken Regierungen in Griechenland und Mazedonien bauten in den vergangenen eineinhalb Jahren gute Beziehungen auf – erstmals gibt es Vertrauen und sogar so etwas wie freundschaftliche Beziehungen. Griechenland unterstützte etwa im EU-Rat die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien – gegen den Willen Frankreichs.

Sollte man nun die Namenslösung nicht umsetzen, würde man tatsächlich eine einmalige historische Chance vertun. Allerdings zeigt die geringe Beteiligung an dem Referendum, wie fragil und beschränkt die mazedonische Regierung und ihre Mobilisierungskraft sind. Oppositionsführer Hristijan Mickoski von der nationalkonservativen VMRO-DPMNE sagte etwa, das Referendum sei gescheitert und zeige die schlechte Politik der Regierung. Auch jene, die der Abstimmung ferngeblieben seien, hätten eine laute Botschaft versandt, und diese heiße: Das ist Mazedonien!

Westanbindung sichern

Tatsächlich ist für manche Bürger die Namensfrage aber gar nicht sonderlich wichtig – etwa für die Albaner, die ein Viertel der mazedonischen Staatsbürger ausmachen. Die Regierung will die Namenslösung für das Land, das in der Uno offiziell noch immer "Frühere jugoslawische Republik Mazedonien" heißt, jedenfalls umsetzen. Denn ihr geht es darum, einen schnellen Beitritt zur Nato zu ermöglichen und angesichts des wachsenden Einflusses von Russland in der Region die Westanbindung zu sichern.

Die Koalition zwischen den Sozialdemokraten und einigen Albanerparteien verfügt über 71 von 120 Mandaten im Parlament. Für die Verfassungsänderung sind allerdings zwei Drittel der Stimmen notwendig. Der Leiter des Zentrums für Südosteuropa-Studien der Universität Graz, Florian Bieber, meint, dass die Regierung es trotzdem schaffen könnte. "Im Parlament hat die VMRO-DPMNE nur 42 Abgeordnete, also nur knapp mehr als ein Drittel. Für eine Zweidrittelmehrheit bräuchte es 82 Abgeordnete." Die Koalition bräuchte also noch weitere elf Stimmen. "Das wäre möglich, wenn die VMRO-DPMNE die Wahl freigibt oder falls einige Abgeordnete ausscheren", erklärt Bieber.

Zehn Tage Zeit für Opposition

Der Politologe und Historiker hält dieses Szenario für realistisch. Tatsächlich hat die Regierung einen entscheidenden Vorteil: Sie kann mit Neuwahlen drohen, falls die Opposition nicht die nötigen Stimmen für das Abkommen bereitstellt. Zaev tat das bereits und meinte, die Opposition müsse sich innerhalb der kommenden zehn Tage entscheiden. Die VMRO-DPMNE würde im Fall von Neuwahlen im Moment nur verlieren, meint Bieber. "Somit wäre es realistisch, dass die Oppositionspartei zwar offiziell nicht zustimmt, aber informell die Türen für eine Zustimmung eröffnet, nachdem ein Scheitern des Abkommens weniger in ihrem Interesse ist, solange sie sich als die Gegner profilieren kann", analysiert der Experte.

Aber Neuwahlen wären auch für die Regierung eine schlechte Option. Denn wenn man den Zeitplan einhalten will, muss man die Verfassungsänderungen bis November über die Bühne bringen. Dann braucht es noch bis Jänner, bis sie ratifiziert sind, und dann erst kann die griechische Regierung ihren Teil der Arbeit tun. Würde sich dieser Prozess verzögern, könnte es sein, dass der gesamte Namensdeal ins Wanken gerät. Denn in Griechenland stehen kommendes Jahr Neuwahlen an. Und bereits jetzt ist die einfache Mehrheit für das Namensabkommen im Parlament in Athen gefährdet. "Neuwahlen in Griechenland könnten natürlich die Ratifikation sprengen", so Bieber.

Weiter Unterstützung aus Athen

Zurzeit versuchen deshalb die Unterstützter des Namensabkommens das Referendum positiv zu interpretieren – oder gar schönzureden. Die griechische Regierung sagte, dass Athen sich dem Prespa-Abkommen verpflichtet fühle. Das Außenministerium forderte auch, dass die "Kultur des demokratischen Dialogs" weiter vorherrschen solle, um ein "Klima des Nationalismus und des Misstrauens, der täglichen falschen Nachrichten und des grassierenden Fanatismus" zu verhindern.

Auch EU-Kommissar Johannes Hahn, der sich seit vielen Jahren für die Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit in Mazedonien einsetzt, gratulierte den Bürgern, die an dem Referendum teilgenommen haben, und betonte, dass es eine "breite Unterstützung" für das Prespa-Abkommen und die euroatlantische Ausrichtung Mazedoniens gebe. Er fügte hinzu: "Ich erwarte jetzt von allen politischen Führern, dass sie diese Entscheidung respektieren und sie im Interesse des Landes mit größter Verantwortung und Einheit über alle Parteien hinweg voranbringen." (Adelheid Wölfl, 1.10.2018)