More of the same in Rot?

FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH

Petra Stuibers Kommentar anlässlich der Ankündigung von Pamela Rendi-Wagner als neuer SPÖ-Vorsitzenden ist auf der faktischen Ebene korrekt und aus feministischer Perspektive nachvollziehbar. Frauen gehen tatsächlich verschiedenste Problemstellungen anders und effektiver an als Männer. Frauen sehen sich tatsächlich sehr oft Scherbenhaufen gegenüber, wenn ihnen dann letzten Endes die große Verantwortung angeboten wird. Rendi-Wagner präsentiert sich tatsächlich als Lichtblick in einem politischen Umfeld, dem es an Lichtblicken mangelt. Sie stützt sich auch auf keine der traditionellen Machtzentren in der SPÖ. Und ja, es waren vorwiegend Männer vor und um Christian Kern, die es in der Langfristperspektive aus vielerlei Gründen verbockt haben. Und jetzt soll's Frau Rendi-Wagner richten.

Trotzdem verfehlt Stuiber den Punkt und kommt hier über den Irrweg der Identity-Politics zu einem Schluss, der mehr ein Ausdruck der politischen Tinte ist, in der wir alle sitzen, als dass er Alternativen für die SPÖ und ihre nächste Kanzlerkandidatin skizziert. Das Problem, vor dem Rendi-Wagner, die SPÖ und wir alle stehen, ist nämlich viel komplexer.

Potpourri politischer Positionen

Politik wird heute auf der programmatischen und operativen Ebene oft als eine bis in den letzten Winkel quantifizierbare, bestenfalls (aber keinesfalls immer) nach legalistischen Prinzipien geführte Taktikübung gesehen. Der Fokus liegt am nächsten Newscycle und der nächsten Umfrage. Der "strategische" Horizont ist die nächste Wahlauseinandersetzung. Im Rahmen zunehmend flexibel interpretierter Ideologien – und mit der Hilfe einer boomenden Industrie von Beratern, Kampagnen-Technokraten und Meinungsforschern – wird unter größeren und kleineren Spagaten ein Potpourri von politischen Positionen besetzt, für das man sich in War-Rooms mehrheitliche Wählerzustimmung errechnet hat. Wenn die Zahlen der Pollsters es nahelegen, ist beinahe jeder Standpunkt umkehrbar. Der entscheidende Faktor ist Effizienz und nicht, das Richtige zu tun.

Im Resultat ist ein wesentlicher Teil der Wahlbevölkerung davon überzeugt, am Ende des Tages von allen politischen Akteuren vorgeführt und belogen zu werden. Bei der Wahl entscheiden sich viele dann gleich für ein möglichst selbstgefälliges Narrativ. Wir (redlich, unschuldig) gegen die anderen (gefährlich und/oder Böses im Schilde führend) ist das zeitlose Grundthema des Genres. Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache wissen, wovon ich spreche. Der Historiker und politische Denker Timothy Snyder hat das Phänomen bei den Wiener Vorlesungen als politics of eternity beschrieben.

Politische Vertrauenskrise

Anstatt sich angesichts dessen weiter im Ignorieren-imitieren-taktieren-Hopserllauf in Richtung politische Bedeutungslosigkeit zu bewegen, sollte die SPÖ (wie alle liberalprogressiven Kräfte) ihr Hauptaugenmerk darauf richten, den Teufelskreis der sich zunehmend vertiefenden, politischen Vertrauenskrise zu durchbrechen. Das ist eine angsteinflößende und monumentale Aufgabe. Sie zu bewältigen würde die Mitarbeit aller innerparteilichen Machtzentren und Disziplin an der Basis voraussetzen – wie eine konsistente Programmatik und tiefgreifende Änderungen auf der kommunikativen und operativen Ebene.

Andererseits ist bei der österreichischen Sozialdemokratie seit mindestens drei Jahrzehnten ein sich zunehmend ausbreitendes Feuer am Dach. Landesparteien und Gewerkschaften sollten sich der dringenden Frage stellen, wie lange sie selbst politisch relevant bleiben können, nachdem ihre Bundespartei vollends in der Bedeutungslosigkeit versunken sein wird. Das ist nämlich die allerwahrscheinlichste Konsequenz von more of the same in Rot auf Bundesebene.

Kanzlerin der Herzen?

Rendi-Wagner scheint alle persönlichen Eigenschaften mitzubringen, um sich dieser Aufgabe zumindest zu stellen. Ihre politische Glaubwürdigkeit ist weitestgehend unverbraucht, ihre Affinität für populistische Verhaltensmuster und Politainment überschaubar. Ihren Status als relative Außenseiterin könnte sie politisch kapitalisieren, indem sie sich in einer Neuausrichtung der SPÖ als neutraler Powerbroker positioniert. Sie jetzt nach Kurz'schem Drehbuch hinter einem Strohmann und Dementis als Kanzlerin der Herzen zu kultivieren, um sie dann zu einem taktisch günstigen Zeitpunkt aus dem Hut zu zaubern, wäre deshalb kontraproduktiv. (Marco Büchl, 5.10.2018)