Den Haag – Das niederländische Verteidigungsministerium wirft dem russischen Militärgeheimdienst GRU vor, einen Cyberangriff auf die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag organisiert zu haben.

Vier Agenten ausgewiesen

Verteidigungsministerin Ank Bijleveld erklärte, dass vier russische Agenten ausgewiesen worden seien, nachdem sie im April auf frischer Tat dabei ertappt worden waren, wie sie die OPCW ausspionierten.

Ihre technische Ausrüstung habe man beschlagnahmt. Man habe den russischen Botschafter einbestellt, um die Hintergründe zu erklären, sagte Bijleveld.

Die OPCW untersuchte damals unter anderem Vorwürfe von Chemiewaffeneinsätzen im syrischen Bürgerkrieg und das für den Anschlag auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal in Großbritannien verwendete Gift.

Ein Bild aus der Pressekonferenz des Verteidigungsministeriums zeigt die Geräte im Kofferraum.
Foto: APA/AFP/DUTCH DEFENSE MINISTRY

Die Männer reisten am 10. April mit russischen Diplomatenpässen in Amsterdam ein. Am 13. April parken sie ihr mit moderner Kommunikationstechnik ausgestattetes Auto vor dem OPCW-Büro und versuchten, sich Zugang zum WLAN zu verschaffen und Login-Daten abzugreifen.

Die Diplomatenpässe.
Foto: APA/AFP/DUTCH DEFENSE MINISTRY

Bei ihrer Festnahme versuchten die Männer, ein Mobiltelefon zu zerstören. Auf einem der in ihrem Besitz gefundenen Telefone fanden sich Hinweise, dass es in der Nähe des GRU-Hauptquartiers in Moskau benutzt wurden, ein anderes enthielt eine Taxirechnung von einer Adresse in der Nähe zum Flughafen Moskau-Scheremetjewo.

Bild nicht mehr verfügbar.

Taxirechnung und Routenplan.
Foto: AP/Dutch Defense Ministry

Laptop wurde in Malaysia benutzt

Auf einem beschlagnahmten Laptop fand man Hinweise, dass das Gerät auch in Malaysia dazu benutzt wurde, die Ermittler im Fall des über der Ostukraine abgeschossenen Passagierflugs MH17 anzugreifen. Außerdem war das Gerät im Schweizer Lausanne, wo die Anti-Doping-Behörde WADA ihren Sitz hat, und in Brasilien im Netz.

Die OPCW ist an den Ermittlungen im Fall des vergifteten russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal beteiligt und ermittelt auch zu mutmaßlichen Chemiewaffeneinsätzen in Syrien.

Die vier mutmaßlichen Geheimagenten auf dem Amsterdamer Flughafen. Warum die niederländischen Ermittler das Gesicht ihres Begleiters übermalten, ist unklar.
Foto: APA/AFP/DUTCH DEFENSE MINISTRY/H

Generalmajor Onno Eichelsheim erklärte, die Russen hätten vorgehabt, in die Schweizer Stadt Spiez weiterzureisen, wo ein Partnerlabor der OPCW an der Analyse von Kampfstoffproben arbeitet.

Nato droht

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte, die Mitgliedsstaaten des Nordatlantikbündnisses unterstützten das Vorhaben, "Russland wegen seiner unverhohlenen Versuche, internationales Recht und Institutionen zu untergraben, bloßzustellen". Russland müsse "sein rücksichtsloses Verhalten stoppen".

Auch das US-Justizministerium erhob am Donnerstag Anklage gegen die vier mutmaßlichen Agenten und drei weitere Russen. Ihnen wird vorgeworfen, an einem Hackerangriff verantwortlich zu sein, mit dem verschleiert werden sollte, dass russische Olympia-Athleten gedopt waren.

Britische, australische und kanadische Vorwürfe

Großbritannien und Australien haben dem russischen Militärgeheimdienst GRU vorgeworfen, großangelegte Cyberattacken in aller Welt auszuführen. Der Geheimdienst sei nachweisbar verantwortlich für Hackerangriffe auf politische Institutionen, Unternehmen, Medien und Sportinstitutionen weltweit, erklärte der Außenminister Jeremy Hunt.

Viele der Angriffe waren bereits mit Russland in Verbindung gebracht worden – etwa die Erpressersoftware "BadRabbit", die 2017 unter anderem den Flughafen von Odessa in der Ukraine sowie russische Medien zum Ziel hatte, ein Cyberangriff auf die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) in der Schweiz oder Cyberattacken auf die Demokratische Partei in den USA vor der Präsidentschaftswahl 2016. Die britische Regierung geht davon aus, dass letztlich der Kreml für die Attacken verantwortlich ist.

Auch Kanada wirft Russland Cyberangriffe vor. Zu den Zielen habe die kanadische Behörde für Ethik im Sport und die in Montreal ansässige Welt-Antidopingagentur (Wada) gehört, erklärte das Außenministerium in Ottawa am Donnerstag. Die kanadische Regierung sei überzeugt, dass der russische Militärgeheimdienst GRU für die Attacken verantwortlich sei.

Österreich erwartet Aufklärung

Regierungssprecher Peter Launsky erklärte auf Standard-Anfrage, Österreich verurteile "die Cyberangriffe auf die OPCW in Den Haag" und zeige "volle Solidarität mit den Niederlanden. " Man erwarte "volle Aufklärung und diesbezügliche Kooperationsbereitschaft seitens Russlands". Cybersicherheit sei "bereits ein wichtiges Thema auf der Agenda des informellen EU-Gipfels in Salzburg" gewesen und bleibe "ein Schwerpunkt des österreichischen EU-Vorsitzes".

EU verurteilt Angriff

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, Ratspräsident Donald Tusk und Außenbeauftragte Federica Mogherini sprachen in einer gemeinsamen Erklärung von einer "feindlichen Cyberoperation" des GRU: "Wir bringen ernste Besorgnis über diesen Versuch zum Ausdruck, die Integrität der Organisation für das Verbot chemischer Waffen ... zu untergraben", erklärten sie. Der "aggressive Akt" zeige die Missachtung des Zwecks der OPCW. "Wir bedauern solche Aktionen, die das Völkerrecht und die internationalen Institutionen untergraben."

Moskauer Parfümscherz

Das russische Außenministerium entgenete, London habe keine echten Beweise für die Anschuldigungen präsentiert. Die Fantasie der britischen Behörden kenne keine Grenzen mehr. "Hier wird einfach alles vermischt: GRU, Cyperspione und Kremlhacker. Das ist einfach eine Parfümmischung aus der Hölle", sagte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Donnerstag in Moskau.

Der Satz war eine Anspielung auf die Angaben britischer Ermittler, wonach das Nowitschok-Gift in einer Parfüm-Probe transportiert worden sei. Eine Britin war gestorben, nachdem sie sich mit dem im Müll gefundenem vermeintlichem Parfüm eingesprüht hatte. (red, Reuters, APA, dpa, 4.10.2018)