Bild nicht mehr verfügbar.

Graffiti in Malta sollen an die ermordete Journalistin Daphne Caruana Galizia erinnern. Versuche der Einschüchterung von Journalisten nehmen in der EU zu, seit Oktober 2017 gab es drei Morde.

Foto: Reuters / Darrin Zammit Lupi

Jüngstes Opfer: die bulgarische TV-Moderatorin Marinowa.

Foto: AFP

Knapp ein Jahr ist seit dem Mord an der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia vergangen, gut ein halbes Jahr seit dem Mord an ihrem slowakischen Kollegen Ján Kuciak. Gerade erst hatten die Behörden in Bratislava mit der Verhaftung von vier unmittelbar Tatverdächtigen zumindest einen Teilerfolg ihrer Ermittlungen im Fall Kuciak präsentiert, da musste Europa erneut die Nachricht von einer getöteten Journalistin zur Kenntnis nehmen: Viktoria Marinowa, 30 Jahre alt, war am Wochenende in einem Park ihrer Heimatstadt Ruse im Norden Bulgariens tot aufgefunden worden – vergewaltigt, geschlagen und schließlich erstickt.

Dass Marinowa wegen ihrer Arbeit umgebracht worden ist, gilt der rechtsnationalistischen Regierung in Sofia und den ermittelnden Behörden als wenig wahrscheinlich. Sie gehen von einem Gewaltverbrechen aus, das möglicherweise von einem psychisch gestörten Täter verübt wurde. Er könne nicht sagen, dass die Version eines beruflichen Hintergrunds und Marinowas Tätigkeit als TV-Moderatorin die entscheidende Spur zur Aufklärung dieses Verbrechens seien, stellte Generalstaatsanwalt Sotir Tsatsarow fest. Er war am Montag nach Ruse gefahren, um den Fortgang der Ermittlungen zu überwachen.

OSZE "schockiert"

Bulgarischen Medienberichten zufolge absolvierte Marinowa am Samstagmorgen in einem Park am Donauufer in Ruse ihr regelmäßiges Laufprogramm. Ein Spaziergänger entdeckte am frühen Nachmittag die Leiche der jungen Frau.

In einer von Marinowa moderierten Sendung der lokalen TV-Station TVN in Ruse waren Investigativjournalisten aus Bulgarien und Rumänien zu Wort gekommen, die einem angeblichen Betrug mit EU-Geldern auf der Spur sind. Allerdings soll Marinowa nicht selbst das Interview geführt und über die Affäre auch nicht weiter berichtet haben.

Beitrag aus der "ZiB 1".
ORF

Harlem Désir, der Medienfreiheitsbeauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), zeigte sich "schockiert über den schrecklichen Mord". Er werde die Ermittlungen der bulgarischen Behörden genau verfolgen. Auch die EU-Kommission forderte "rasche und gründliche Ermittlungen".

Rücktritte in der Slowakei

Zu Betrug im Zusammenhang mit EU-Fördermitteln hatte auch Ján Kuciak recherchiert. Dabei ging es unter anderem um angebliche Verbindungen italienischer Mafia-Clans zu hochrangigen slowakischen Regierungsbeamten.

Als Kuciak und seine Verlobte Martina Kušnírová im Februar in ihrem Haus in der Westslowakei erschossen aufgefunden wurden, ging ein Aufschrei durchs Land, der nicht ohne Folgen blieb. Junge Leute, von denen manche sich zuvor nie politisch engagiert hatten, stellten quasi über Nacht die größten Demonstrationen seit der Samtenen Revolution des Jahres 1989 auf die Beine. Vor allem dem damaligen Innenminister Robert Kaliňák, der bereits wegen mehrerer Korruptionsaffären in die Kritik geraten war, trauten sie nicht zu, für unabhängige Ermittlungen zu sorgen. Kaliňák und der damalige Premier Robert Fico traten nacheinander zurück, die Proteste jedoch sind nie ganz verstummt.

Derzeit steht der Multimillionär Marian K. im Visier der Ermittler. Einer der Inhaftierten soll den Unternehmer mit besten Kontakten zur sozialdemokratischen Regierungspartei Smer als Drahtzieher genannt haben. K., so viel ist seit langem bekannt, hatte Kuciak bereits im Herbst 2017 bedroht. Kuciak hatte sogar Anzeige erstattet – und sich später über die Untätigkeit der Behörden beklagt.

Drohanrufe in Malta

Drohbriefe und Drohanrufe hatte auch Daphne Caruana Galizia erhalten, bevor am Nachmittag des 16. Oktober 2017 ihr Auto explodierte. Sie war eine der bekanntesten Journalistinnen Maltas gewesen, wie Ján Kuciak hatte sie unter anderem zu den Panama Papers recherchiert. Drei Männer wurden wegen Mordes angeklagt, die Auftraggeber sind jedoch weiterhin unbekannt und in Freiheit. Nächste Woche, an ihrem ersten Todestag, werden Menschen wieder Blumen für das Opfer niederlegen, an einem improvisierten Mahnmal in Maltas Hauptstadt Valletta. Und vermutlich werden diese Blumen wie bisher von den Behörden beseitigt werden, die sich seit einem Jahr dagegen wehren, dass hier öffentlich an Daphne Caruana Galizia erinnert wird. (Markus Bernath, Gerald Schubert, 8.10.2018)