Mit Roboterplattformen werden tausende von Pilzkulturen und ihre Interaktion mit Bakterien untersucht.

Bimm Research

Pilze sind eigenartige Lebewesen: Nicht nur treten sie in sehr unterschiedliche Erscheinungsformen vom Germ bis zum Champignon auf, sie haben evolutionsbiologisch auch eher Gemeinsamkeiten mit den Tieren als mit den Pflanzen oder Bakterien. Unter anderem sind sie wie Tiere heterotroph, ernähren sich also von vorhandenen organischen Stoffen. Und wie alle anderen Lebewesen außerhalb von Laboratorien und Zoos konkurrieren sie um diese Stoffe häufig mit anderen Organismen. Dabei setzen sie verschiedene Substanzen ein, die auch für uns Menschen interessant sind – man denke etwa an Penicillin oder andere Antibiotika. An der Wiener Universität für Bodenkultur wird das chemische Arsenal von Schimmelpilzen ausgelotet – derzeit auch mithilfe von Schülerinnen und Schülern.

Sollten Sie also in der Nähe von Wieselburg junge Leute antreffen, die mit einem eigenartig bestückten Staubsauger Luft einsaugen, machen Sie sich keine Sorgen: Es handelt sich um Schülerinnen und Schüler des Francisco Josephinum, der in Wieselburg ansässigen Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft, Landtechnik und Lebensmitteltechnologie. Sie sind Teil eines laufenden Sparkling-Science-Projektes des Wissenschaftsministeriums, das sich "Internet der Pilze" nennt.

Schalter umlegen in Notzeiten

Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze leben in Gemeinschaften, die Nahrungsquellen gewöhnlich gemeinsam erschließen. Bei Nahrungsmangel hört sich das friedliche Zusammenspiel jedoch auf: Dann erzeugen die Pilze Stoffe, die die Bakterien am Wachstum hindern oder gar abtöten. Das tun sie allerdings nur, wenn es wirklich nötig ist – die restliche Zeit sind die zellulären Mechanismen, mit denen sie diese Stoffe erzeugen, stillgelegt. "Wenn der Schimmelpilz an seiner Oberfläche mit einem Bakterium in Kontakt kommt, wird eine Art Schalter umgelegt", sagt Projektleiter Joseph Strauss vom Department für Angewandte Genetik und Zellbiologie an der Boku in Wien, "der die Erzeugung eines Stoffes bewirkt, der das Bakterienwachstum hemmt."

Pilze bestehen aus einem riesigen Geflecht von fadenförmigen Zellen oder Hyphen, das Mycel genannt wird. Diese Hyphen stehen miteinander über Porenkanäle in Verbindung. Strauss und seine Mitarbeiter gehen nun der Frage nach, ob ein Abwehrsignal, das an der Oberfläche des Mycels ausgelöst wird, dann auch weiter in dessen Inneres geleitet wird – ob es also eine Kommunikation innerhalb des Hyphennetzes gibt, eine Art "Internet der Pilze".

Außerdem interessiert die Forscher, ob der Pilz imstande ist, von dieser Erfahrung längerfristig zu profitieren. "Wir wissen, dass es epigenetische Mechanismen gibt, mit denen Informationen zumindest eine gewisse Zeit gespeichert werden können", führt Strauss aus, "wenn das bei den Pilzen der Fall ist, sollte die nächste Begegnung mit derselben Bakterienart eine schnellere und stärkere Reaktion auslösen."

Sammlung mit Staubsaugeraufsatz

Bisher arbeiten Strauss und seine Mitarbeiter hauptsächlich mit dem Pilz Aspergillus nidulans und dem Bakterium Streptomyces – verschiedene Pilze setzen jedoch ganz unterschiedliche Stoffe ein, die auch für die Medizin von Interesse sein könnten. "Es geht um neue Substanzklassen", meint Strauss, "wie etwa eine neue Art von Antibiotika oder Mittel, die das Wachstum von Tumorzellen hemmen." Um diese zu finden, braucht es so viele verschiedene Pilz- und Bakterienarten wie nur möglich, und hier kommen die Schülerinnen und Schüler des Francisco Josephinum auf den Plan: Mithilfe eines speziell für solch breit angelegte Sammlungen entwickelten sterilen Staubsaugeraufsatzes sammeln sie in ihrer Umgebung jede Menge Mikroorganismen.

Diese verfrachten sie ins Labor der Initiative für Bioaktive Mikrobielle Metaboliten (BiMM) auf dem Boku-Campus Tulln, wo die Schüler nicht nur selbst Untersuchungen durchführen können, sondern zudem eine Roboterplattform die Auswertung von tausenden Pilz-Bakterien-Interaktionen innerhalb von wenigen Wochen ermöglicht: "Wir können hier unterschiedlichste Kombinationen bei verschiedenen Bedingungen gegeneinander antreten lassen und schauen, was passiert", sagt Strauss, "und wir haben auch schon eine Handvoll neuer bioaktiver Stoffe gefunden. Der Weg bis zu einer anwendbaren Form ist allerdings noch sehr weit." (Susanne Strnadl, 15.10.2018)