Die Fassade des einstigen Geschäftslokals blieb erhalten, dahinter gibt's jetzt Brot – und ziemlich raffinierte Küche.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Ramen "Viennese Style" (siehe Bild) ist ein vor Kraft strotzender Rindfleisch-Suppentopf mit breit geschnittenen Frittaten.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es ist fünf Jahre her, dass Josef Weghaupt auf der Landstraße einen mächtigen Bäckereishop samt Bistro aufsperrte und den Lifestyle-Appeal guten Brots und Gebäcks auch in immobiler Form entsprechend darstellbar machte. In diesen fünf Jahren ist bei Joseph viel passiert, von der Eröffnung weiterer Filialen über die Versorgung der Spitzen- und Szenegastronomie in Wien und Umgebung bis zum Bau einer bemerkenswerten Brotmanufaktur im Waldviertel.

Derzeit hat das Unternehmen 180 Mitarbeiter. Das bislang jüngste Bistro wurde erst vor zwei Monaten bei der Albertina aufgesperrt. Seit zwei Wochen gibt es in der Kirchengasse, kaum mehr als eine Baguettelänge von der Mariahilfer Straße entfernt, schon wieder ein neues Joseph.

Wie macht das der junge Mann? Okay, Weghaupt versteht es, tolles Brot und anderen Plunder zu Preisen an den Mann zu bringen, die durchaus nicht sitzengeblieben sind – Diskontkunden könnten sie gar als aufgebläht wahrnehmen. Aber offenbar ist der Boden ordentlichen Handwerks tatsächlich wieder golden, zumindest jener, auf dem sich gute Bäcker mit nachdrücklichem Gestaltungsbewusstsein bewegen.

Hinterhofbäckerei

Der neue Standort ist auch ohne Schild als Joseph zu erkennen: Der helle, großkiesige Terrazzoboden, die karge Dekoration und, natürlich, das dramatisch gefurchte Brot sprechen längst für sich. Im Detail aber ist hier ziemlich viel anders als in den bisherigen Restaurantfilialen.

Die Weinkarte zum Beispiel, nach neofranzösischer Art auf Bar à vins getrimmt, mit mehr als 60 außergewöhnlichen, durch die Bank naturnah bis wild fabrizierten Flaschen: Hier wird ein deutlich spitzeres, geschliffeneres Profil angestrebt, als es das schmale, eher auf verlängertes Frühstück ausgelegte Angebot der anderen Filialen vertritt.

Dann steht mit Arnold Strasser ein Mann in der offenen Küche, der zwischen Steirereck und Tantris schon in sehr guten Häusern gewerkt und zuletzt Botolens Fuhrmann bekocht hat.

Im Hinterhof gibt es, erstmals bei Joseph, eine Bäckerei, in der neue Entwicklungen erprobt und spezielle, nur für hier bestimmte Patisserien und Brote gebacken werden. In der Lokalausstattung macht sich der Einfluss von Weghaupts Frau Regina bemerkbar: Das sehr charmante, weißblaue Geschirr ist eine Maßanfertigung der Modranská-Manufaktur aus der slowakischen Heimat, der einzige Wandschmuck besteht aus Getreideschautafeln, die aus Regina Weghaupts alter Schule stammen.

Maggi, nur besser

Und das Essen? Ramen "Viennese Style" (siehe Bild) ist ein vor Kraft strotzender Rindfleisch-Suppentopf mit breit geschnittenen Frittaten, alles andere als ein Ramen, aber echt gut – speziell wenn man sich reichlich von dem "Maggi" reinspritzt, das Strasser mit frischem Liebstöckel, Soja, Yuzu (...) ansetzt und in die originalen Fläschchen füllt.

Brimsen-Grammel-Piroggen mit Krautsalat (gut!) sind eine weitere Hommage an die Slowakei, buttrig und einladend, der Brimsen sehr mild – insgesamt aber viel zu gut für die kleine Portion. Einkorn-Risotto gerät geradezu perfekt, bissfest, cremig, mit lange Fäden ziehendem Bergkäse, knackig herben Birnen und würziger Topinambur.

Die Lammstelze schließlich, ein mächtiger Kegel, der saftig vom Knochen blättert, ist das Gericht des Abends: Ohne Scheu niedergeschmort, in einer tomatigen Salsa, die mit grandios fruchtiger Säure der Wucht des Fleisches Kontra gibt und mit jedem Bissen Lust auf den nächsten macht. Der dazu servierte Topfentoast ist buttrig gebacken, insgesamt aber zu schwer, um sich mit Gewinn an diese Stelze zu schmiegen. Aber das ist angesichts dieser Herrlichkeit Jammern auf wienerischem Niveau. (Severin Corti, RONDO, 12.10.2018)

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