Thornton: Das Urteil gegen Maurer ist das falsche Signal.

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Die grüne Ex-Abgeordnete kündigte nach dem Urteil Berufung an.

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Das Urteil im Fall Sigi Maurer hat für großes Unverständnis gesorgt. Die ehemalige Nationalratsabgeordnete hatte auf Facebook und Twitter Nachrichten vom Facebook-Account eines Bierladens publikgemacht, in denen sie auf widerwärtigste Weise sexuell belästigt und beleidigt wurde. Der Geschäftsinhaber behauptete, er habe die Nachrichten nicht selbst versandt, und hatte die Chuzpe, Maurer wegen übler Nachrede und Kreditschädigung zu klagen. Obwohl der Richter davon überzeugt war, dass der Ladenbesitzer im Prozess die Unwahrheit gesagt hatte, wurde Maurer zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro und Schadenersatz von 4.000 Euro verurteilt.

Die Empörung darüber, dass Maurer nun ausgerechnet jener Person, von deren Facebook-Account die an Geschmacklosigkeit kaum zu überbietenden obszönen Nachrichten versandt wurden, eine Entschädigung "für entstandenes Unbill" zahlen muss, ist nur allzu verständlich.

Herausforderung für Gesetzgeber und Justiz

Aber auch wenn der Richter im Rahmen seiner Beweiswürdigung zu dem Ergebnis kommen hätte können, dass der Bierladenbesitzer die obszönen Nachrichten selbst versandt hat, liegt das Problem in diesem Fall weniger in der Entscheidung des Gerichts, sondern vielmehr in der aktuellen Rechtslage. Verhetzungen, Beleidigungen und Belästigungen in sozialen Medien nehmen leider immer mehr zu und werden zunehmend zu einer Herausforderung für den Gesetzgeber und die Justiz. Die Anonymität des Internets führt offenbar dazu, dass manche jegliches Schamgefühl verlieren. Derzeit sind in Österreich aber selbst die entwürdigendsten und widerwärtigsten Kommentare nur dann strafbar, wenn sie öffentlich getätigt werden. Wenn jemand den Mut hat, den Verfasser solcher Nachrichten öffentlich bloßzustellen, riskiert er eine Klage wegen übler Nachrede und muss mit einer Verurteilung rechnen, wenn er seine Anschuldigungen nicht nachweisen kann. Die meisten Opfer nehmen sexuelle Belästigungen in sozialen Medien daher einfach hin.

Falsches Signal

Die #MeToo-Debatte hat jedoch gezeigt, wie wichtig eine öffentliche Diskussion über Belästigungen und sexuelle Gewalt ist. Dass Maurer nun verurteilt wurde, weil sie den mutmaßlichen Verfasser der obszönen Nachrichten öffentlich angeprangert hat, ist daher nicht nur eine unerträgliche Täter-Opfer-Umkehr, sondern auch das völlig falsche Signal. Wenn Opfer sich nicht mehr trauen, an die Öffentlichkeit zu gehen, weil sie Angst vor einer strafrechtlichen Verurteilung haben müssen, werden sich die Täter noch sicherer fühlen.

Ausweg Zivilrecht

Ganz so schutzlos, wie vielfach kolportiert wird, sind die Opfer von solchen Belästigungen aber nicht. Bei obszönen und beleidigenden Nachrichten handelt es sich nämlich um einen rechtswidrigen Eingriff in die Privatsphäre und die Persönlichkeitsrechte des Empfängers. Das Opfer kann sich dagegen mit einer zivilrechtlichen Unterlassungsklage zur Wehr setzen. Der Vorteil dabei ist, dass man nicht zwangsläufig beweisen muss, dass der Inhaber des Accounts die Nachrichten auch tatsächlich selbst verfasst hat.

Ein Unterlassungsanspruch besteht grundsätzlich auch gegen den sogenannten mittelbaren Störer, also gegen denjenigen, der die Möglichkeit hat, die Handlung des unmittelbaren Täters zu verhindern. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat bereits klargestellt, dass auch derjenige, der seinen Computer unbeaufsichtigt lässt, für Handlungen eines unbefugten Benutzers verantwortlich ist. Bei obszönen Nachrichten von einem Social-Media-Account hat eine zivilrechtliche Unterlassungsklage gegen den Kontoinhaber also durchaus Chancen auf Erfolg. Der Fall Sigi Maurer wäre sicherlich geeignet gewesen, hier einmal ein Exempel zu statuieren. (Carmen Thornton, 11.10.2018)